TESTBERICHT
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Publikationsdatum
29. Juli 2019
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Kopfhörer sind längst salonfähig beim anspruchsvollen Musikliebhaber. Das bezeugt auch die Charakteristik der Schweizer Verkaufszahlen von Kopfhörern mit einem sehr hohen Anteil von Modellen im oberen Preisbereich. Längst ist es kein Unding, sich einen Magnetostaten-Kopfhörer mit Preisschild von 2000 bis 3000 Franken anzuschaffen. Auch In-Ear-Kopfhörer im Tausend-Franken-Bereich finden nicht wenige Abnehmer. Um das Optimum an Klangqualität aus den teuren Einoden herauszukitzeln, drängt sich ein exquisiter Kopfhörerverstärker auf.

Smartphones bieten dank standardisierten Audiobausteinen inzwischen eine durchwegs akzeptable Klangqualität am analogen Ausgang, haben aber zwei Probleme. Die Audioausgangsstufe ist in ihrer Stromlieferfähigkeit beschränkt, was bei Kopfhörern mit kleiner Impedanz und daher hohem Strombedarf dann auch klanglich ins Gewicht fällt. Im Weiteren belasten leistungshungrige Kopfhörer den immer zu kleinen Akku der Smartphones. Und nichts ärgert bekanntlich mehr, als wenn sich das Smartphone-Leistungsreservoir im Schnellzugstempo entleert.

Dasselbe gilt für Laptops. Hier ist zwar die Leistungsfähigkeit des Akkus kein Problem, aber der analoge Audioausgang für den direkten Anschluss des Kopfhörers geniesst öfter nicht gerade die höchste Aufmerksamkeit während der Produktentwicklung. Die Audioqualität aus der Miniklinken-Buchse mag dann nicht so recht mit dem Niveau der teuren Schallwandler am Ohr mithalten.

Es gibt für Besitzer von hochwertigen Kopfhörern also mehr als genug Gründe, sich nach einem adäquaten Kopfhörerverstärker umzusehen. War seine audiophilen Kapriziosen auf Reisen mitnimmt, wird auch Ansprüche an Mobilität haben.

Das hat man auch bei McIntosh realisiert, und folgerichtig präsentiert man – nach dem hauseigenen Spitzenkopfhörer – mit dem MHA50 einen Kopfhörerverstärker, der sich nicht nur in Design und Haptik in die McIntosh-Tradition einreiht, sondern auch noch ein paar Spezialitäten anbietet.

Es ist ein McIntosh

Dass man sich nichts aus Slimdesign machte, versteht sich bei McIntosh von selbst. Entgegen jeden Trend achtet man beim Brand aus Binghamton, New York auf Tradition bei Klang und Design. McIntosh-Produkte «müssen» gross, schwer und wertig daherkommen, alles andere wäre kein McIntosh. Die Harley für Audiophile.

Man hat durchaus Erfolg damit. McIntosh feiert dieses Jahr sein 70-jähriges Jubiläum und gehört zu den ganz grossen Brands der Audiowelt. Trotz einigen turbulenten Besitzerwechseln ins letzte Jahrzehnt konnte und kann man sich immer auf eine treue Fangemeinde verlassen. McIntosh-Verstärker strahlen diesen «Haben-Wollen-Effekt» aus, wenn es auch mit Blick aufs Wohndesign oft unvernünftig erscheint.

Der MHA50 ist eher für den Travelbag als für die Jackentasche gedacht.Der MHA50 ist eher für den Travelbag als für die Jackentasche gedacht.

Der MHA50 ist dann auch auf Anhieb als McIntosh-Produkt erkennbar. Für einen Kopfhörerverstärker ist er ziemlich gross – rein technisch würde das kleiner gehen – und natürlich mit der McIntosh-typischen schwarzen Glasfront versehen. Mit 200 Gramm bekam er auch einiges an «Fühlgewicht» mit auf dem Weg.

Auf die Schnelle in der Jackentasche verstaut, wird man den MHA50 kaum mitnehmen, da passt er als Hipster-Gadget schon eher in eine Freitag-Tasche oder als Manager-Accessoire ins Handgepäck. Die Verarbeitung ist, wie man es erwarten kann, ohne Fehl und Tadel.

Bedienung und Ausstattung

Das bestimmende Bedienelement ist der grosse Touch-Lautstärkeregler, der mit zwei kapazitiven, empfindlichen Ringen die Oberfläche der Glasfront ziert. In dessen Mitte findet sich der Ein-/Ausschalter. Persönlich bin ich kein Fan von Touchbedienungen, konventionelle Drehregler lassen sich feiner und vor allem treffsicherer bedienen. Doch nach kurzer Eingewöhnung erfüllt der Touchring seinen Zweck recht gut.

Die Grundverstärkung wird mit zweistufigen Schaltern an der Stirnseite des MHA50 schon mal an die Empfindlichkeit des Kopfhörers angepasst. Wobei die Stellung «Low» die Lautstärke bei allen von uns verwendeten Kopfhörern auf ein so gehörschonendes Level reduzierte, dass sie wohl für die meisten zu tief liegen dürfte.

Der analoge Miniklinken-Ausgang ist leider nur asymmetrisch ausgelegt. Da bieten einige portable Audioplayer inzwischen längst symmetrische Ausgänge, zumal die Anzahl von Kopfhörern mit symmetrischem Kabelzwirn immer grösser wird.

Der MHA50 hat separate Anschlüsse für iOS-Geräte und USB-Audio.Der MHA50 hat separate Anschlüsse für iOS-Geräte und USB-Audio.

Eingangsseitig gibt es ein Wahlschalter für kabelgebundene iOS-Geräte oder den Rest, inklusive Android-Geräte, oder für USB-Ausgänge von Laptops und Desktop-Computern. Entsprechende Kabel liegen in vierfacher Ausführung bereits bei. Android-Geräte müssen für die Verbindung per Kabel USB on the go unterstützen.

Der McIntosh MHA50 verbindet sich auch per Bluetooth mit der Audioquelle, wobei es irgendwie wenig sinnvoll erscheint, einen so hochwertigen Kopfhörerverstärker über eine den Klang sehr einschränkende Bluetooth-Verbindung zu füttern. Der MHA50 unterstützt zwar Qualcomms aptX Codec. Das hilft lediglich etwas. AptX HD würde trotz vierfacher Datenreduzierung mehr Bandbreite zulassen, wird aber leider nicht unterstützt. Schade, denn die meisten neuen Android-Smartphones bringen von Haus aus den AptX HD Codec schon mit.

Keine Wünsche offen lasst der Digital-Analog-Wandler des MHA50. Er verarbeitet alle heute gängigen Formate inklusive DSD256 und des Studiostandards DXD384. Der Akku ist mit 3000 mAh recht üppig ausgelegt und soll bei Bluetooth sechs Stunden Laufzeit unterstützen. In unserem Test war es in der Regel etwas weniger.

Hören wie über Lautsprecher

«Headphone Crossfeed Director» nennt McIntosh seine Interpretation von Kopfhörer-Crossfeed. Worum geht es? Wenn wir eine Aufnahme mit Kopfhörern hören, erhält das rechte Ohr nur den rechten Audiokanal und entsprechend das linke Ohr nur den linken Audiokanal.

Man kann nur argumentieren, das sei eine unnatürliche Hörsituation. Im Live-Event oder bei Stereowiedergabe über Lautsprecher erreichen durch die Beugung des Schalls auch Anteile des gegenüberliegenden Kanals das Ohr. Beugung ist im Wesentlichen die Fähigkeit einer Schallwelle, sich um ein Hindernis zu biegen. Je niedriger die Frequenz der Schallwelle (im Vergleich zum Kopf), desto besser ist sie in der Lage, sich um den Kopf zu beugen. Da jedoch der Schall zum gegenüberliegenden Ohr eine grössere Entfernung zurücklegt, entsteht eine leichte Verzögerung. Eine Crossfeed-Schaltung zielt darauf ab, diese drei Effekte zu simulieren: Beugung, Absorption und Zeitverzögerung. Es simuliert die Akustik des Lautsprecherhörens im Kopfhörer.

Dank Crossfeed-Schaltung hört man mit dem MHA50 wie über Lautsprecher.Dank Crossfeed-Schaltung hört man mit dem MHA50 wie über Lautsprecher.

Die Idee einer einfachen, passiven Crossfeed-Schaltung gibt es schon seit geraumer Zeit. Siegfried Linkwitz beschrieb bereits 1971 eine entsprechende Schaltung. Tatsächlich ist das Konzept des «Linkwitz-Crossfeeds» noch heute die Grundlage für viele angewandte Interpretationen.

Bei einigen Kopfhörer-Verstärkern ist der Anteil Crossfeed regelbar, beim MHA50 ist er an- und abschaltbar. Das Feature ist durchaus umstritten. Aus meiner Erfahrung macht Crossfeed die Audiowiedergabe über Kopfhörer aber deutlich harmonischer. Der MHA50 ist einer der ganz wenigen portablen Kopfhörerverstärker, der dieses Feature anbietet.

In der Praxis

Wir erprobten den MHA50 in diversen Kombinationen, an einem Mac Mini, an Laptops, Android-Smartphones und einem iPhone. Die Spannweite an Kopfhörern reichte vom hochauflösenden, dynamischen Sennheiser über diverse hochwertige In-Ears bis zum schwierig zu betreibenden Magnetostat von Audeze. Der Zugewinn an Klangqualität mit dem Edel-Gadget von McIntosh und der Unterschied zum Standardausgang der Quellen ist beeindruckend.

Keine Selbstverständlichkeit. Vielen mobilen Kopfhörerverstärkern attestiere ich mangelnden Nutzwert. Nicht so beim MHA50: Je grösser die anzutreibende Membran, desto frappanter der Klanggewinn. Am grossen Sennheiser und am Audeze-Magnetostat war der Zuwachs klanglicher Tiefe, Präzision und Druck in der Wiedergabe dann auch am deutlichsten.

Das zeigt sich in allen Facetten: Die Stimmen intonieren besser, Choraufnahmen kommen mit Volumen und mit einem warmen Charme. Durchaus in der Tradition der typischen McIntosh-Klangsignatur. Wie sie das in allen Komponenten immer wieder hinbringen, bleibt wohl das Geheimnis der McIntosh-Ingenieure. Symphonische Musik wurde dank Transparenz und Offenheit zu einem echten Genuss. Kontrabässe besassen nun Autorität, Piano in den unteren Registern ein kraftvolles Durchsetzungsvermögen. Klavier und Streicher wirkten wie frisch poliert und vermissten jegliche Schärfe, brillierten dafür umso mehr mit Authentizität, so muss das sein. Exemplarisch nachzuhören mit Christian Balvig 6-tet - Music for Humans.

Christian Balvig 6-tet Music for Humans.Christian Balvig 6-tet Music for Humans.

Die Klangbeschreibung orientiert sich aber klar an der kabelgebundenen Verbindung. Über Bluetooth muss man auch mit aptX klare Abstriche machen. Da bringt auch die Verstärkertechnik des MHA50 nicht mehr viel.   

Ob einem das Crossfeed gefällt, ist wohl irgendwie Geschmacksache. Persönlich bevorzuge ich die «natürliche», an eine Lautsprecher-Wiedergabe erinnernde Klangortung. Die Musik spielt weniger direkt im Kopf und ist breiter aufgefächert. Gerade bei längeren Hörsessions oder auch bei begleitender Musik zum Arbeiten wirkt das sehr angenehm und weniger künstlich.

Der Schwachpunkt des MHA50 ist das Handling am Smartphone. Dass er relativ gross und schwer ist und damit im Alltag on the go unhandlich wird, gehört zum Nimbus der Marke. Störender ist der umständliche Verbindungsaufbau. Mein Android-Phone schaltete sich nach Anschluss über USB-C gleich mal aus und musste neu gestartet werden, was kein gutes Gefühl hinterliess. Die OTG-Verbindung wollte auch mit anderen aktuellen Smartphones und Android 9 partout nicht klappen.

Auch mit einem iPhone ist das Prozedere eigenwillig. Sowohl der MHA50 als auch das iPhone müssen erst ausgeschaltet werden. Nachdem beide mit dem Lightning-Kabel verbunden sind, können sie wieder eingeschaltet werden. Ein eher schwerfälliger Vorgang. Danach wurde der MHA50 als Ausgangsgerät erkannt. Die Wiedergabe klappte darauf auch ohne Neustart problemlos.

Der MHA50 als passender Kompagnon zum McIntosh-MHP1000-Kopfhörer. Die Audio-Verbindung zum Smartphone per Kabel klappte allerdings nur mit iOS Geräten.Der MHA50 als passender Kompagnon zum McIntosh-MHP1000-Kopfhörer. Die Audio-Verbindung zum Smartphone per Kabel klappte allerdings nur mit iOS Geräten.

Fazit

Der MHA50 ist ein richtiger McIntosh. Gross und schwer mit der charakteristischen Glasfront als bestimmendes Designelement. Dazu gesellen sich herausragende Klangeigenschaften mit einem druckvollen Klang und schmeichelnder Signatur. Der MHA50 verhalf allen unseren Kopfhörern zu neuen klanglichen Höhenflügen. Er wirkt nicht nur wertig, sondern liefert auch klanglich.

Abstriche muss man im Zusammenspiel mit Android Smartphones machen. Die Audioübertragung funktionierte nur über Bluetooth. Besitzer von iOS Geräte sind  sind mit dem MHA50 im Vorteil, da klappte auch die Verbindung über Kabel. Gewünscht hätten wir uns auch eine automatischen Abschaltung, sobald einige Minuten keine Musik gehört wird.

Was bleibt? Ein audiophiles Gadget für alle, die mit Laptop, iOS-Geräten und hochwertigen Kopfhörern unterwegs sind. In den Ferien oder auf Geschäftsreise abends im Hotel mit dem MHA50 Musik hören – ein Traum. Aber auch zu Hause oder im Büro für Musik ab Mac oder PC ist er aufgrund seiner klanglichen Höhenflüge und dem ausgezeichneten Crossfeed eine dicke Empfehlung.

Ideale Ergänzung für das Musikhören am Desktop oder Laptop.Ideale Ergänzung für das Musikhören am Desktop oder Laptop.
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