Das goldene Zeitalter der High Fidelity
Kaum eine andere HiFi-Marke kann auf eine so reichhaltige Geschichte zurückblicken wie Marantz. Die Marke wurde 1953 in Long Island, New York, von Saul Bernard Marantz gegründet, der zwei Jahre zuvor mit der Entwicklung von (Mono-)Röhrenverstärkern begonnen hatte. Bereits 1958 erfolgte mit dem Röhren-Vorverstärker Model 7 und der Röhren-Stereo-Endstufe Model 8 der Einstieg ins Stereo-Zeitalter. 1961 folgten die Röhren-Monoblöcke Model 9, die bis heute Kultstatus geniessen. Sie verfügten über ein charakteristisches «Bullauge» zur Einstellung des Ruhestroms der vier EL34-Röhren (sowie zum AC- und DC-Abgleich). Dieses ikonische Design-Element zeichnet Marantz-Geräte bis zum heutigen Tag aus. In Ultra-Linear-Push-Pull-Schaltung leistet Model 9 eindrückliche 70 Watt Sinus. Man kann Model 9 aber auch im Trioden-Modus betreiben, in dem immer noch satte 40 Watt zur Verfügung stehen.
Ein weiteres typisches Erkennungsmerkmal ist das Oszilloskop, welches vom Marantz-Chefingenieur Richard Sequerra als Tuning-Instrument beim exklusiven UKW-Empfänger Model 10 erstmals verwendet wurde. Es kam bis Ende der siebziger Jahre bei den Marantz-Tunern und -Receivern der Oberklasse zum Einsatz. 1964 kam Marantz in finanzielle Nöte, und Saul Marantz verkaufte das Unternehmen an die kalifornische Superscope Company. Der Firmensitz wurde nach Chatsworth verlegt. Saul Marantz blieb dennoch bis 1968 in leitender Position bei seiner Marke.
Der Einstieg ins Transistor-Zeitalter erfolgte 1966/67 mit dem «Solid State»-Endverstärker Modell 15 (mit 2 x 60 Watt Ausgangsleistung) und der «Stereo console» (Vorverstärker) 7T. Damals schon waren gute Messwerte sehr wichtig: So spezifizierte der 7T einen Fremdspannungsabstand von ausserordentlich guten 80 dB für die beiden Phono-MM-Eingänge. Auch Ausstattung, Verarbeitung, Haptik und Design der ersten (nach wie vor in den USA gefertigten) Transistor-Geräte zeugten vom Premium-Anspruch der Marke. Entsprechend hoch waren die Preise: So kostete ein 7T in Deutschland atemberaubende DM 2380.-, das Modell 15 gar DM 2580.-.
Gegen Ende der 60er-Jahre wurde ein Grossteil der Marantz-Produktion nach Japan ausgelagert, wo Superscope mit der Standard Radio Corporation eine enge Kooperation einging. Geräte japanischer Provenienz trugen rückseitig ein Schild mit der Aufschrift: «DESIGNED IN U.S.A PRODUCED IN JAPAN». Sie blieben qualitativ jedoch sehr hochwertig.
Die Zusammenarbeit mit den Japanern gestaltete sich bis Mitte der 70er-Jahre so erfolgreich, dass Supercope 50 Prozent der Firmenanteile an die Standard Radio Corporation verkaufte. Letztere änderte den Firmennamen auf «Marantz Japan» um. Nach und nach wurde die gesamte Produktion nach Japan verlagert, da hier kostengünstiger produziert werden konnte. In Deutschland und in der Schweiz war Marantz schon in den 70er-Jahren sehr erfolgreich, da inzwischen eben auch preisgünstige Verstärker, Tuner, Plattenspieler und Lautsprecher angeboten wurden.
Die 70er waren auch die Zeit der luxuriösen Stereo- (und sogar Quadrophonie-)Receiver. Geräte wie das Model 2325 (ab 1974, 2 x 125 Watt) boten eine unglaubliche Fülle an Tasten, Reglern und Einstellmöglichkeiten und besassen das charakteristische «Gyro-Touch»-Tuninginstrument. Marantz machte damals alle Innovationen im Bereich des Rundfunks mit. So verfügten die Receiver/Tuner zum Teil über eine Dolby-Rauschunterdrückung und waren für Quadrofonie (Matrix-Verfahren) gerüstet. Beides setzte sich jedoch letztlich im UKW-Empfang nicht durch.
Das Topmodell der 70er-Jahre war der Quadrofonie-Receiver 4400, der sogar mit dem legendären Tuning-Oszilloskop ausgestattet und mit einem Preis von über CHF 4000 fast schon unerschwinglich war. Model 4400 konnte (und kann) echte Quadrofonie ab Schallplatte wiedergeben. In den 70er- und 80er-Jahren gab es – vor allem im Klassikbereich – relativ viele Platten mit SQ-Kodierung. Solche Matrix-Aufnahmen sind Stereo-kompatibel und können (im Unterschied zu CD-4-Pressungen) von normalen Tonabnehmern abgetastet werden. Leider gilt für die meisten Luxus-Receiver von Marantz aus den 70er-Jahren, dass die Fülle der Ausstattung für «astreinen» Klang nicht unbedingt förderlich war. Auch benötigen Gebrauchtgeräte aus dieser Zeit regelmässige Wartung, da die Kontaktfreudigkeit der vielen Regler und Tasten bei längerem Nichtgebrauch leidet. Nichtsdestotrotz stellen Marantz-Oldies aus dieser Zeit einen HiFi-Traum dar und bereichern nur schon optisch das audiophile Wohnzimmer.
Marantz verstand sich aber weiterhin auch als High-End-Marke und lancierte ab 1979 unter dem Label «Esotec» Voll-, Vor- und Endverstärker der Top-Klasse. So beispielsweise die Kombination SC-6 und SM-6 (1979 bis 1983) in Marantz-typischem Champagner-Gold, optional mit Holzgehäuse. Der Vorverstärker verfügte über zwei Phono-Eingänge (einer davon für Moving-Coil-Abtaster) sowie kanalgetrennte (überbrückbare) Klangregler. Der Endverstärker leistete 2 x 120 Watt (RMS) und war auf Class-A-Betrieb mit 2 x 30 Watt umschaltbar.
Die Top-Komponenten von Marantz in den 80er-Jahren waren der Vorverstärker SC-11 und der Endverstärker SM-11 (ab 1984). Diese kamen ohne das Esotec-Label. Dafür leuchtete auf der Front des SC-11 die sternumrandete, blaue LED, die stilbildend für spätere HiFi-Geräte werden sollte. Das gediegene, puristische Erscheinungsbild der beiden Geräte (mit Holzseitenteilen) sprach für sich. Der Autor hatte Ende der 80er-Jahre selber das Vergnügen, mit diesen tollen Komponenten Hörtests durchführen zu dürfen. Sie dienten damals im Hörraum der Redaktion als Referenz-Anlage und waren klanglich «allererste Sahne». Insbesondere von der Qualität der Phono-Eingänge darf man heute noch schwärmen. Aber auch der Endverstärker entfaltet eine Klangpracht, die seinerzeit – was japanisches High-End betraf – sonst nur etwa von Accuphase oder Luxman erreicht wurde.
Trotz vieler Produkte-Highlights fehlte der Marke zu der Zeit (unter der Superscope-Ägide) die Innovationskraft, um sich in den 80er-Jahren erfolgreich zu behaupten. Deshalb verkaufte Superscope 1980 grosse Anteile von Marantz an Philips. Dies war insofern ein Glücksfall, als die Marke dadurch bestens für das beginnende Digitalzeitalter gerüstet war, denn Philips gehörte zusammen mit Sony zu den Begründern der Compact Disc. So konnte Marantz bereits 1983 den ersten CD-Spieler lancieren: Der CD-63 war baugleich mit dem Philips CD100 und unterschied sich lediglich durch etwas geänderte Farbgebung und natürlich den Markenaufdruck.
Bereits 1979 kam der japanische Techniker und Klangtüftler Ken Ishiwata zu Marantz. Er war im Besonderen auch für die Weiterentwicklung und das Feintuning der Marantz-Geräte zuständig. Beispielsweise kam unter seiner Ägide Anfang der 90er ein (neu designter) CD-63 MkII in verschiedenen «Signature»- und «KI»-Versionen auf den Markt. Dies zu durchaus bezahlbaren Preisen. Der erste CD-Spieler, der vollständig von Marantz designt und gebaut wurde, war dann der CD-94 (ab 1986), der aber nach wie vor die berühmte Schwingarm-Lasereinheit CDM1 von Philips verwendete. Der 16-Bit-DA-Wandler mit vierfachem Oversampling war seinerzeit ebenfalls das Mass der Dinge. Anfang der 90er wurde er vom «Bitstream»-1-Bit-DAC abgelöst. Dieser war keineswegs eine «Low Price»-Lösung, sondern kam beispielsweise auch im High-End-CD-Spieler Marantz CD-15 (ab 1992) zum Einsatz.
Bei diesem Gerät wurden erstmals «Hyper Dynamic Amplifier Module» verbaut, welche unter dem Kürzel «HDAM» seither zur Marken-DNA von Marantz-Premium-Geräten gehören. In diesen gekapselten Modulen werden diskrete Schaltkreise anstelle von Standard-ICs eingesetzt. Sie sind in SMD-Technik mit sehr kurzen Signalwegen aufgebaut. Als Vorteil der HDAM-Technik gilt, dass sie Operationsverstärker – bei gleicher Funktionalität – in Bezug auf die Qualität der Signalverarbeitung und Rauscharmut übertreffen. Daraus soll ein besonders dynamischerer und detaillierterer Klang resultieren. Marantz hat die HDAM-Technologie im Laufe der Jahre stetig weiterentwickelt und diese für unterschiedliche Anforderungen der jeweiligen Produktkategorie optimiert.
In den 90er-Jahren schuf sich Marantz nach und nach einen exzellenten Namen auch im Bereich AV und Heimkino. Dabei half, dass Marantz 1991 endlich die Markenrechte in Nordamerika (die bis anhin von Dynascan gehalten worden waren) erwerben konnte. Ab 1993 wurde die Marke in den USA als Premium-Brand neu etabliert. Weltweit können die 90er-Jahre als goldenes Zeitalter mit grosser Innovationskraft für hochwertige Audio- und Heimkino-Produkte gelten. 1997 starb der Markenbegründer Saul Bernard Marantz im Alter von 85 Jahren. Seine Produktphilosophie und Designideen sind bis heute Bestandteil der Marantz-DNA.
Marantz macht den Einstieg in die Super Audio Compact Disc mit und brachte 2001 den sündhaft teuren Zweikanal-SACD-Player SA-1 auf den Markt. Im gleichen Jahr folgte der Mehrkanal-SACD-/DVD-Kombiplayer SA-12S1. Auch dieser war mit rund CHF 10000 praktisch unerschwinglich. Beide Modelle waren jedoch «Stammväter» für spätere, erschwinglichere Modelle. Bis heute finden sich hochwertige Zweikanal-SACD-Spieler im Marantz-Portfolio.
2001 entschied sich Philips, Marantz in die Unabhängigkeit zu entlassen, blieb jedoch bis 2008 an der Marke beteiligt. Marantz Japan fusionierte bereits das Jahr darauf mit der Holding-Gesellschaft D&M Holdings, die gleichzeitig auch die Traditionsmarke Denon übernommen hatte. Zum Markenportfolio gehörten auch amerikanische Brands wie McIntosh und Boston Acoustics. Überhaupt zeichnet eine amerikanisch-japanische DNA die Marke bis heute aus. Aber auch europäisches Know-how (Philips-Digitaltechnik) hat Marantz über die Jahre enorm bereichert.
Anfang der 2000er-Jahre lancierte Marantz mit den Modellen SC-7S1 (Vorverstärker) und MA-9S1 (Monoblock-Endverstärker) erstmals wieder Verstärkerkomponenten der absoluten Spitzenklasse, die mit ihren Produktebezeichnungen an die Gründerjahre anknüpfen sollten. In dieser Zeit erschien eine Fülle an hochwertigen High-End-, HiFi- und AV-Produkten der Spitzenklasse, die den Ruf der Marke als Premium-Brand endgültig festigten. Auffällig war, dass sowohl im Zweikanal- wie im Mehrkanalbereich der gleiche hohe Fertigungsaufwand betrieben wurde. So dauerte es nicht lange, und Marantz erarbeite sich auch im Bereich AV-Receiver einen ausgezeichneten Ruf. Sogar in die Produktion von High-End-Heimkino-Beamern stieg Marantz in dieser Zeit ein.
Um 2008 kam es zu einem nachhaltigen Designwechsel. Sowohl HiFi-, High-End- wie AV-Komponenten erhielten die charakteristische, geschwungene Frontplatte mit zwei vertikal verlaufenden Vertiefungen. Dieses etwas barock anmutende Erscheinungsbild blieb den Marantz-Komponenten über ein Jahrzehnt lang erhalten. Und selbst im aktuellen Line-up finden sich noch viele Geräte mit diesem Look.
Diverse Verstärker und CD-Spieler gab es in mkII-, mkIII-, KI- und KI Signature-Versionen. Dabei handelte es sich um von Chefentwickler Ken Ishiwata (deshalb das Kürzel KI) in liebevoller Hingabe feingetunte Weiterentwicklungen. Tatsächlich war es erstaunlich, wie sich diese klanglich positiv von den ursprünglichen Geräten abhoben. Ishiwata setzte nicht nur bessere Bauteile ein, sondern griff beispielsweise auch in die Stromversorgung und in die Abschirmung von Baugruppen ein. Verkupferte Chassis gehörte ebenfalls zu den Verbesserungen, die sich Marantz gut bezahlen liess. So kostete etwa ein Vollverstärker PM 17 KI Signature (1998) rund CHF 1000 mehr als das Basismodell. Dafür prangte auf der Front ein goldenes Schild mit der Aufschrift «KI Signature».
Zu den letzten Marantz-Kreationen unter der Ägide Ken Ishiwatas zählen der Vollverstärker PM-KI Ruby und der SACD-Spieler SA-KI Ruby, die Ishiwata zum 40-Jahre-Jubiläum seiner Mitarbeit bei Marantz 2019 präsentierte. Sie stellen sozusagen sein Vermächtnis dar. Im Mai gleichen Jahres verliess der Chefentwickler und Botschafter des guten Tons die Marke und war daraufhin noch kurze Zeit bei Rotel tätig, bevor er im November 2019 überraschend verstarb. Er hinterlässt unzählige feingetunte HiFi- und High-End-Geräte, die stolz sein Namenskürzel «KI» auf der Front tragen.
Den Einstieg ins Zeitalter des vernetzten Musikhörens vollzog Marantz mit den Netzwerkspielern NA-7004 (2011) sowie NA-11S1 (2013). In den letzten Jahren kamen erste Modelle, welche mit der HEOS-Streaming-Plattform (Denon) funktionierten. Aktuell setzt Marantz eher auf integrierte Streaming-Lösungen: So verfügt etwa der CD-/Netzwerkspieler ND8006 über ein integriertes HEOS-Modul und kann wahlweise über WiFi oder via Ethernet ins Heimnetzwerk eingebunden werden. Der ebenfalls letztes Jahr lancierte SACD30N beinhaltet auch ein HEOS-Streaming-Modul.
Mit diesem CD-/SACD-Universalplayer (und dem dazu passenden Vollverstärker Model 30) wagt Marantz den Einstieg in ein neues Design-Zeitalter, weg von der geschwungenen Front hin zu einer etwas weniger gewagten, nichtsdestotrotz sehr eleganten Frontansicht mit abgesetzter, seitlich hintergrundbeleuchteter Metallplatte, auf der die wenigen Bedienelemente puristisch und übersichtlich angeordnet sind. Ebenfalls in die neue Design-Linie gehört der Vollverstärker Model 40n, der mit integriertem DAC, HEOS-Streaming und einem hochwertigen Phono-MM-Eingang alle möglichen Ansprüche des modernen und traditionellen Musikhörens erfüllt.
Im März 2017 übernahm die amerikanische Firma Sound United, die bereits HiFi-Marken wie Polk Audio oder Definitive Technology im Portfolio hatte, die D&M Group. Damit unter anderem auch die Marken Bowers & Wilkins, Classé und Marantz. Sound United wiederum wurde jüngst von der Masimo Corporation erworben, einem in Irvine, Kalifornien, beheimateten Hersteller von Medizin-Technologie. Bezeichnenderweise ist Joe Kiani, Gründer und CEO der Masimo Corporation, selber bekennender, langjähriger Fan der Marke Marantz. Damit stehen die Zeichen gut, dass Marantz auch künftig die langwährende Tradition als Premium-Marke wird fortführen und festigen können.