MUSIKREZENSION
ARTIKEL
Publikationsdatum
4. März 2024
Themen
Drucken
Teilen mit Twitter

Beim kurzen Anklingen lassen neuer Alben war mein erster Eindruck von «The Answer»: Da versucht jemand, Smooth Jazz à la David Sanborn zu covern … doch halt, da steckt mehr dahinter. Und ohne zu wissen, wer Jakob Manz ist und wer sich an seinem Projekt beteiligt, tauchte ich tiefer in das Album ein, liess mich von der überraschenden Vielseitigkeit faszinieren und musste immer wieder von vorne beginnen.

Jetzt wollte ich mehr über die Musiker hinter dem «Jakob Manz Project» wissen – und erlebte die zweite Überraschung.

Jakob Manz

Wenn man das Leben eines Menschen mit Jahrgang 2001 zusammenfassen soll, dürfte dies nach ein paar Zeilen erledigt sein. Nicht so bei Jakob Manz. Doch sei hier nur das aus meiner Sicht Wesentlichste erwähnt.

Am 16. Mai 2001 in Bad Urach (südlich von Stuttgart) in eine musikalische Familie geboren, gehörte seine erste Liebe (mit fünf) dem Schlagzeug, mit acht kam die Blockflöte dazu, dann mit etwa zwölf das Saxofon.

Schon früh galt Jakob als ausserordentlich talentiert und begann mit 15 sein Studium (Jazz & Pop) an der Musikhochschule Stuttgart.

Als Mitglied des Bundesjazzorchesters kam er 2018/19, also als 17/18-Jähriger, mit Jazzgrössen wie Randy Brecker zusammen und erlebte ausgedehnte Tourneen in die USA und durch Osteuropa.

Jakob Manz: Ausnahmetalent.Jakob Manz: Ausnahmetalent.

Seit 2017 leitet Manz seine eigene Band, das «Jakob Manz Project», die, nicht zuletzt dank seines ersten Albums «Natural Energy» (ACT 2020) zu den erfolgreichsten Jazzbands Deutschlands gehört.

Doch Manz findet immer wieder Zeit, sich mit anderen Musikstilen und MusikerInnen auseinanderzusetzen und zusammenzuarbeiten.

«The Answer»

Wie eingangs erwähnt, täuscht der erste Eindruck, es handle sich um eine Smooth-Jazz-Imitation, die, wenn auch auf musikalisch höchstem Niveau, mit Funk-Elementen aufgelockert wird (der vor allem wegen des Altsax-Sounds und der Begleitkulisse entsteht). Denn spätestens mit dem zweiten Stück «Voyage Suréel» (mit Gastsänger und -gitarrist Lionel Loueke) wird klar, dass hier etwas Aussergewöhnliches abgeht, sowohl musikalisch als auch rhythmisch.

Zwar habe ich noch nie ein fliegendes Wiesel gesehen, doch «When Weasels Fly» ist alles andere als uniform und löst, vor allem gegen den Schluss, ein schmunzelndes Mitklopfen aus.

Ruhiger geht es dann im Abschiedslied «Ade» zu und her, einer gefühlvollen Ballade mit diversen Höhepunkten. Im funkigen «Keep on Burning» gibt ein weiterer Gast, der Trompeter Matthias Schriefl, den Ton an. Doch vor seinem wilden Solo gibt es eine ungewöhnliche Blockflöten/Alphorn-Einlage.

Und dann kommt plötzlich eine Violine ins Spiel: Das Schlagzeug und Perkussions-Spektakel in «Le Rêve Du Papillon» klingt zwar kaum nach Traum, doch ab und zu und vor allem gegen den Schluss schwebt der Schmetterling.

Wiederum völlig anders ist die Stimmung auf «Isla Sorna» (Jurassic Park), auf der Jakob Manz ein Blockflötensolo zum Besten gibt: unglaublich! Diese Blockflöte möchte ich gerne sehen.

Zurück zum Funk: «Einsatz Live» erinnert mich ein wenig an das hier besprochene Cory-Wong-Album und ist gleichermassen mitreissend.

«Prospering» führt uns zurück in ruhigere, wenn auch harmonisch nicht weniger anspruchsvolle Gewässer, die dem E-Bass von Frieder Klein Freiraum für ein herrliches Solo lassen.

Den Ausklang bildet die kurze und besinnliche Ballade «Crossroads», ein würdiger Abschluss, der mich auf unerklärliche Weise in Gedanken versinken liess, die plötzliche Stille geniessend.

The Jakob Manz Project. Fotos: Thomas Kiehl.The Jakob Manz Project. Fotos: Thomas Kiehl.

Fazit

Dass Jünglinge aus Deutschland dermassen komplexe, faszinierende, reife und vielseitige Musik auf höchstem professionellem Niveau kreieren können, hat mich schlichtweg umgehauen. Ich traue mir zu, dies beurteilen zu können, spielte auch ich als 23-Jähriger in einer zumindest lokal erfolgreichen (Amateur-)Jazzband mit. Doch ein Vergleich lässt mich in Scham erröten.

Auch wenn die Musik von gestandenen Jazzern stammen würde, hätte sie mich überrascht und überzeugt. Das Jakob Manz Project rückt die Generation Z in ein neues, für mich enorm hoffnungsvolles Licht.

Unbedingt reinhören. Nein: unbedingt von A bis Z einwirken lassen!

STECKBRIEF
Interpret:
The Jakob Manz Project
Besetzung:
Jakob Manz, alto saxophone & recorder

Hannes Stollsteimer, piano & keyboards

Frieder Klein, electric bass

Paul Albrecht, drums

Karl-F. Degenhardt, percussion

Guests:

Lionel Loueke, vocals & guitar (track 2)

Matthias Schriefl, alphorn & trumpet (track 5)

Alexandra Stollsteimer, violin (track 6)
Albumtitel:
«The Answer»
Komponist:
Hannes Stollsteimer (1, 5, 9, 10), Jakob Manz (2, 4, 6, 7), Frieder Klein (3, 8)
Herkunft:
Deutschland
Label:
ACT
Erscheinungsdatum:
26. Jan. 2024
Spieldauer:
46:10
Tonformat:
FLAC 24-Bit / 96 kHz Stereo
Aufnahmedetails:
Recorded, mixed and mastered by Nico Raschke at Hansahaus Studio, Bonn, March 28–31, 2023
Medium:
Download/Streaming
Musikwertung:
10
Klangwertung:
9
Bezugsquellen