Red Norvo war der eigentliche Vater der Mallet-Instrumente im Jazz. Zusammen mit Lionel Hampton, der nur 20 Tage jünger war als Norvo und zuerst als Schlagzeuger bekannt wurde, machte er das Vibraphon zu einem allseits akzeptierten Jazzinstrument.
Eine der Red-Norvo-LPs in meiner (inzwischen aufgelösten) Sammlung war «The Second Time Around», die ich mir später als CD wieder anschaffte.
Nun wurde dieses Album überarbeitet und als Hi-Res-Audio (FLAC 192 sowie DSD 64) neu veröffentlicht – eine perfekte Gelegenheit zu einem 1:1-Vergleich … und passend zu meinem Hi-Res-Audio-Blog.
Ohne Skandale
Red Norvo wurde als Kenneth Norville am 31. März 1908 in Beardstown, Illinois geboren. Mit 14 begann er, Marimba zu spielen, wechselte dann vom hölzernen Instrument bald auf das Xylophon, mit dem er in Vaudeville-Acts auftrat. 1931 hatte er einen Auftritt in der «Paul Whiteman Show», wo er auch Mildred Bailey kennenlernte. 1934 verliess er zusammen mit Mildred das Paul Whiteman Orchestra. Die zwei, inzwischen verheiratet (für Bailey war es die dritte Ehe), zogen nach NYC, wo sie gemeinsam in einem Oktett auftraten.
1935 hatte er mit seiner Band seinen ersten nationalen Hit, dem bald weitere folgten.
Mittlerweile hatte Norvo definitiv vom Xylophon zum Vibraphon gewechselt, ein Instrument, das die Firma Deagan speziell für ihn hergestellt hatte und das er Vibraharp taufte.
1944 löste er seine Band auf – nicht zuletzt wegen der Scheidung von Mildred Bailey – und wurde Teil des Benny Goodman Sextetts. Norvos Talent sowie seine Offenheit für Neues brachten ihn auch mit den Bebop-Grössen Charlie Parker und Dizzy Gillespie zusammen.
Zu Beginn der 50er-Jahre stellte Red Norvo mit dem Gitarristen Tal Farlow und dem Bassisten Charles Mingus ein ungewöhnliches Trio zusammen. Die Aufnahmen dieses Trios für das Label Savoy gelten noch heute für aussergewöhnlich und wegweisend. Die Komplexität der Harmonisierungen und der Arrangements wird von den Dreien mit einer atemberaubenden Leichtigkeit überspielt.
1959 stellte Norvo ein Quintett zusammen, mit dem er Frank Sinatra auf dessen Australien-Tour begleitete (zu hören auf «Frank Sinatra Live in Australia 1959»).
1961 musste sich Norvo einer komplexen Ohrenoperation unterziehen, was seine musikalischen Aktivitäten stark einschränkte. Doch in den 70er- und 80er-Jahren war er wiederum recht aktiv und machte einige exzellente Aufnahmen, darunter auch die vorliegende.
Doch sein Gehör verschlechterte sich stetig und ein Schlaganfall bereitete seiner 55-jährigen Musikerkarriere ein jähes Ende. Kompositorisch war er jedoch bis zu seinem Tod aktiv. Er verstarb 1999 in Santa Monica, California, 91-jährig, nach einem erfüllten Leben ohne jegliche Skandale.
«The Second Time Around»
Für dieses 1975 aufgenommene Album lud Red Norvo die vier Musiker ein, mit denen er an einer «West Texas Jazz Party» in Odessa zusammen gejammt hatte. Dies erklärt auch die unterschiedlichen Stilrichtungen, die hier aufeinandertreffen. Saxofonist Kenny Davern, der mich (nicht nur wegen seines Instruments) in einigen Soli an Sidney Bechet erinnert, spielte vorwiegend traditionellen Jazz, wird in dieser Session jedoch regelrecht «modernisiert». Sein Mitwirken auf vier der sieben Stücke löste bei mir zu Beginn nicht eben Begeisterung aus, doch die hörbare Tatsache, dass ein Musiker sich im Jazz von seinen Kollegen zu Neuem inspirieren lassen kann, ist herrlich.
Ausser dem «Santa Monica Blues» basieren alle Stücke auf bekannten Melodien/Kompositionen, sind jedoch ausnahmslos interessant arrangiert. Es ist nicht einfach eine Jam Session, eine Wiederholung der Auftritte in Odessa, sondern eine gut vorbereitete und sorgfältig produzierte Aufnahme.
Auf der 2003 veröffentlichten CD sind denn auch noch vier Bonus Tracks zu hören, je zwei weitere Versionen von «Lover Come Back to Me» und vom «Santa Monica Blues». Die vorliegende überarbeitete Version beschränkt sich jedoch wieder auf die relativ kurzen 35 Minuten der LP.
Remastered by 2xHD
Es ist nicht die erste Remastering-Arbeit von 2xHD, die ich hier beurteilen darf. Und nach meinem doch recht kritischen Blog über das Restaurieren von alten Aufnahmen war ich gespannt, ob sich die Arbeit von Toningenieur René Laflamme und Produzent André Perry in diesem Fall gelohnt hat (mir stand die FLAC-192-Version zur Verfügung).
Da ich mich in all den Jahren an den CD Klang gewöhnt hatte, gab es eine Umhörphase, in der ich mich an den etwas anderen Sound gewöhnen musste. Doch diesmal ist «neu» wirklich etwas besser. Am ehesten fällt auf, dass der eher harsche Klang des Schlagzeugs weicher wirkt und leicht zurückversetzt wurde. Der gesamte Klang scheint luftiger, hat zwar etwas an Volumen/Lautstärke verloren, doch dadurch wird die Transparenz erhöht. Die Unterschiede sind zwar (glücklicherweise) nicht enorm, doch im A/B-Vergleich recht ohrenfällig.
Nach mehrmaligem Abspielen der Hi-Res-Version kommt einem die Original-CD etwas «klumpig» vor. Die sorgfältige Überarbeitung hat sich also grossomodo gelohnt.
Wenn man allerdings die CD bereits besitzt und sich an deren Klang gewöhnt hat, würde ich mir eine Neuanschaffung, respektive die Belegung von doch recht happigem Speicherplatz (in diesem Fall etwa 2,5 GB für die rund 35 Minuten) überlegen und wahrscheinlich eher etwas Neues zulegen.
Zusatzinformationen
Wer mehr über Red Norvo erfahren möchte, dem seien die amerikanischen NPR-Dokumentationen (in Englisch) empfohlen, vorweg diejenige von Nancy Wilson (53 Minuten).