MUSIKREZENSION
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Publikationsdatum
9. März 2019
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Es gibt immer weniger Jazzmusiker, die es wagen, einfach so frisch von der Leber weg Musik zu machen. Zwischen all den gefühlsschwangeren, kunstvoll nach Neuem suchenden Jazz-Produktionen, die in den letzten Monaten auf internationalen und europäischen Labels erschienen sind, entlockte diese Neuerscheinung von John Pizzarelli bei mir wohlwollendes Schmunzeln und löste unbewusstes Fusswippen aus – eher überraschend, hatte ich doch meine Erwartungen nicht allzu hoch angesetzt.

John Pizzarelli griff schon in früher Kindheit zur Gitarre. Nicht erstaunlich, denn sein Vater, der berühmte Jazzgitarrist Bucky Pizzarelli (Jahrgang 1926), konnte ihm einiges vormachen und beibringen. John spielte schon als Teenager mit Jazzlegenden wie Benny Goodman, Les Paul oder Clark Terry. In den 90er-Jahren formierte er zusammen mit seinem jüngeren Bruder Martin am Bass und Ray Kennedy am Klavier das John Pizzarelli Trio.

John hatte immer wieder erwähnt, wie stark er Nat King Cole bewundere und dass dieser seine Musik beeinflusst habe. 1994 widmete er ein erstes Album seinem Inspirator: «Dear Mr. Cole» nahm er allerdings mit Benny Green (p) und Christian McBride (b) auf. 1999 folgte seine zweite Hommage an Nat Cole: Auf «P.S. Mr. Cole» wirkten dann Martin und Ray mit. Und nun also die dritte Produktion zu Ehren von Nat King Cole, der am 17. März 1919 in Montgomery, Alabama, also vor 100 Jahren zur Welt kam.

John Pizzarelli.John Pizzarelli.

John Pizzarelli hat mehr als 30 Alben aufgenommen. Diverse davon wurden sowohl von Kritikern als auch von seinen Fans mit gemischten Kommentaren versehen. Seine Stimme ist nicht jedermanns Sache. Mich überzeugt seine Gitarrenakrobatik mit unisono Scat-Gesang wesentlich mehr als seine Qualitäten als reiner Sänger. Im Gegensatz etwa zu Diana Krall, bei der sich Klaviervirtuosität und Gesangsqualität absolut die Waage halten, war in meinen Ohren nicht jede von Pizzarelli gesungene Note über alle Zweifel erhaben.

Auch auf dem vorliegenden Album sind nicht alle Noten astrein, doch spielt es in dieser lockeren Atmosphäre, in der nicht alles todernst zu nehmen ist, eine untergeordnete Rolle. Nach wie vor finde ich zwar die Gitarre überzeugender als die Stimme, doch spürt man von A bis Z den Humor und die ansteckend wirkende Spiel- und Singfreude – und zwar nicht nur von John, sondern auch von seinen beiden Mitmusikern.

Ich war immer begeistert von den Klaviersoli auf den Pizzarelli-Alben. Für mich waren Ray Kennedys Piano-Eskapaden die Höhepunkte, sie faszinierten mich oft sogar mehr als Pizzarellis Gitarrensoli. Auch auf diesem Centennial-Album erfreute ich mich an den klar strukturierten, humorvollen und rhythmisch interessanten  Pianosoli. Umso überraschter war ich, als ich realisierte, dass diese nicht von Ray Kennedy stammten.

Ray Kennedy (Bild von www.raykennedy.com).Ray Kennedy (Bild von www.raykennedy.com).

Recherche war angesagt: 2004 nahm John Pizzarelli das letzte Album mit seinem langjährigen Weggefährten Ray Kennedy auf, da dieser sich 2005 gesundheitshalber aus dem Musikerrummel zurückzog. Ray Kennedy starb 2015, nur 58-jährig, an Multipler Sklerose.

Nachdem Larry Fuller die Vakanz am Klavier während einiger Jahre füllte – John konnte immer aussergewöhnliche Pianisten zur Zusammenarbeit animieren – fand er nun in Konrad Paszkudzki einen idealen Partner, der sich perfekt in dieses Projekt einbindet. Da Konrad selber weiss, dass es schwierig ist, seinen Namen auszusprechen, steht auf seiner Homepage  «Pash-kud-ski».

Paszkudzkis Klavierspiel ist brillant, exakt und voller rhythmischer Überraschungen, was seine Soloeinlagen doppelt spannend macht – für mich eine echte Entdeckung.

Konrad Paszkudzki (Komposit aus dem Bild seiner Homepage).Konrad Paszkudzki (Komposit aus dem Bild seiner Homepage).

Mike Karn (nicht zu verwechseln mit Mick Karn, dem 2011 verstorbenen Bassisten der New Wave Band «Japan»), der als Tenorsaxophonist auf mehreren Aufnahmen mit Harry Connick mitwirkte, ist seit 2014 vorwiegend als Bassist auf mehreren Studioalben zu hören: 2017 auch auf John Pizzarellis «Sinatra & Jobim at 50» und auf Jessica Molaskeys (Pizzarellis Gattin) «Portraits of Joni». Er passt hervorragend in diese Trioaufnahme und wirkt als swingendes Zugpferd.

Fazit

John Pizzarellis «For Centennial Reasons – 100 Year Salute to Nat King Cole» ist ein swingendes Gutfühlalbum, das zwar keine Stricke zerreisst, kein künstlerisches Neuland betritt, aber einfach Spass macht, gute Laune verbreitet und (zumindest mir) ein glückliches Lächeln entlockt.

STECKBRIEF
Interpret:
John Pizzarelli Trio
Besetzung:
John Pizzarelli, guitar, vocals
Mike Karn, bass
Konrad Paszkudzki, piano
Albumtitel:
«For Centennial Reasons – 100 Year Salute to Nat King Cole»
Herkunft:
USA
Label:
Ghostlight Records
Erscheinungsdatum:
Februar 2019
Spieldauer:
51:58
Tonformat:
FLAC 96 / MQA
Medium:
Download/Streaming
Musikwertung:
7
Klangwertung:
8
Bemerkung:
MQA-Format nur bei HighResAudio
Bezugsquellen