Julian «Cannonball» Adderley wurde am 15. September 1928 in Tampa, Florida geboren. Schon bald siedelte seine Familie nach Tallahassee um, wo die Eltern an der Florida High School für Schwarze unterrichteten. Seinen Übernamen erhielt er wegen seines riesigen Appetits. Eigentlich wurde er von seinen Mitschülern Cannibal genannt, doch daraus wurde dann Cannonball, was seinen echten Vornamen Julian nach und nach ersetzte.
Zusammen mit seinem Bruder Nat (Cornet) spielte er in den frühen 40er-Jahren mit Ray Charles, der damals auch in Tallahassee (FL) lebte. Er versuchte mit verschiedenen Kleinformationen in Florida über die Runden zu kommen, doch der erwünschte Erfolg blieb aus.
Nach Abschluss seines Musikstudiums an der Florida A&M University und diversen Jobs als Lehrer und musikalischer Leiter von High-School-Bands zog er 1955 nach New York, eigentlich, um dort am Konservatorium zusätzliche Studienabschlüsse zu machen.
Nach einem Auftritt im Café Bohemia, bei dem er einen erkrankten Saxofonisten ersetzte, änderte sich alles: In der Presse wurde er als der neue Charlie Parker gefeiert. Zusammen mit seinem Bruder Nat gründete er ein Quintett und schloss einen Plattenvertrag mit Savoy Records ab.
Doch noch im selben Jahr (1957) wurde Miles Davies auf Cannonball aufmerksam und holte ihn in seine Band. Zusammen machten sie einige der damals innovativsten Jazzaufnahmen, zweimal unter Miles Davies’ Ägide («Milestones» und «Kind of Blue») und danach unter Cannonballs Name («Somethin’ Else»).
Kurz darauf verliess Cannonball die Miles Davies Band und gründete mit seinem Bruder Nat erneut ein (diesmal erfolgreiches) Quintett, das über die Jahre mit diversen Pianisten (u.a. Bobby Timmons, Victor Feldman, Joe Zawinul und George Duke), Bassisten (u.a. Ray Brown und Sam Jones) und meistens dem Schlagzeuger Louis Hayes ergänzt wurde. In diesen Formationen entstanden Hits wie «This Here» (Bobby Timmons), «Work Song» (Nat Adderley) oder «Mercy, Mercy, Mercy» (Joe Zawinul).
Früher Tod
Julian «Cannonball» Adderley litt sein ganzes Leben an Diabetes. Dies, wahrscheinlich begründet und in Kombination mit seinen Gewichtsproblemen, führte im August 1975 offenbar zu einem Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte: Vier Wochen später verstarb er 46-jährig im Spital in Gary, Indiana.
«Somethin’ Else»
Es war wirklich eine besondere Band, die Adderley für diese Blue-Note-Produktion zusammenstellte: Mit Hank Jones am Klavier, Sam Jones am Bass und Art Blakey am Schlagzeug hatte er die ideale Rhythmussektion, und mit Miles Davies, mit dem er ein paar Monate zuvor «Milestones» und «Kind of Blue» aufgenommen hatte, den idealen Leadpartner. Und die Chemie stimmte auch bei diesen Aufnahmen: Die beiden Bläser sind in Hochform, spielen lyrisch-romantische, aber auch rasant-geschliffene Soli und werden vom bescheiden wirkenden, jedoch harmonisch die spannenden Akzente setzenden Hank Jones und den treibenden Kräften von Sam Jones und Art Blakey, der seine gesamte Musikalität und Dynamik ausspielt, perfekt ergänzt.
Die zwei Eröffnungsstücke «Autumn Leaves» und «Love for Sale» haben sich im Laufe der Zeit in vielen Gehörgängen von Jazzliebhabern festgesetzt und sind bei jedem erneuten Hören ein Genuss, auch wenn man mittlerweile die Soli (zumindest im Kopf) nachsummen könnte. Doch auch die nachfolgenden Stücke gehören heute zu den Klassikern. Dies ist zweifellos ein herausragendes Album, das sowohl musikalisch als auch technisch dem Zahn der Zeit getrotzt hat.
Interessant finde ich, dass sowohl meine LP als auch die später erworbene CD sechs Stücke enthält und (zumindest die CD) in Stereo auf den Markt kam. Die HiRes-Versionen, die unter dem Namen RVG Edition (RVG = Rudy Van Gelder) erworben oder gestreamt werden können, kommen ohne das letzte Stück, das ursprünglich «Alison’s Uncle» hiess, jedoch auch unter dem Titel «Bangoon» erschien. Es ist die be-bopigste, konventionellste Nummer, und ich finde es unverständlich, dass sie auf der HiRes-Version weggelassen wurde.
Zudem wurden die RVG-Versionen mono gemastered. Der Gesamtklang wirkt zwar satter, doch war es für mich eine Umstellung, hatte ich mich über die Jahre doch an die Stereomischung gewöhnt. Diese war zwar wirklich etwas seltsam, da die beiden Bläser links, der Bass in der Mitte (schwierig zu orten) und Klavier und Schlagzeug eher resp. ganz rechts zu hören waren.
Wer selber einen Hörvergleich machen will: Auf Qobuz sind diverse Versionen zu finden.
So oder so: Wieder mal reinhören und in Erinnerungen schwelgen, oder als Neuling staunen, was in den 50er-Jahren abging.