Die diesjährige IFA stand ganz im Zeichen der Digitalisierung und multimedialen Erweiterung der Unterhaltungselektronik. Eine Fülle an Innovationen war zu bestaunen; dennoch fällt auf, dass die Aussteller weniger auf Neuheiten als Selbstzweck setzten sondern vielmehr ihre Produkte in einen übergreifenden multimedialen Zusammenhang stellten. Die neuen Geräte sind untereinander vernetzt, und die Home-Entertainment-Landschaft bekommt Zugang zum WWW.
Multimedia Home Platform
Zap2Web ist die Verbindung von Fernsehen und Internet bei Loewe.
Die “Multimedia Home Platform” – kurz MHP – will dem frei empfangbaren digitalen Fernsehen zum Durchbruch verhelfen. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie eine gemeinsame, offene Basis für das digitale Fernsehen der Zukunft schafft, auf der alle Anbieter ihre eigenen interaktiven Fernsehangebote entwicklen können. Dank einheitlicher Programmierschnittstelle können unterschiedlichste Applikationen entwickelt werden, die von allen MHP-tauglichen Empfängern – sei es ein separater Beistelldecoder (Set-Top-Box) oder ein im Fernseher integriertes Modul – genutzt werden.
Grundsätzlich sind die Sendeanstalten für das multimediale Angebote zuständig, werden aber (ähnlich wie bei Teletext, aber viel umfangreicher) Fremdanbietern ebenfalls Raum auf MHP anbieten. Auch die SRG setzt auf die MHP-Plattform, zumal man auf Eutelsat Hotbird bereits die digitale Verbreitung vornimmt. Sony bringt den ersten MHP-Fernseher in Deutschland bereits im November auf den Markt. Loewe und Sharp zeigten ebenfalls MHP-Fernseher, erstere mit vereinfachtem “zap2web”-Internetzugriff, letztere auf LCD-Basis. MHP-Set-Top-Boxen gab’s von Grundig, Humax, Kathrein, Nokia, Philips und Samsung zu sehen – zum Teil auch mit integriertem Harddisk-Recorder.
“iHome” – Thema für alle
Dem “iHome” wurde an der diesjährigen IFA besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet. Zum Thema Home-Network hatten eigentlich alle grossen UE-Firmen (insbesondere Grundig, Loewe und Philips) aber auch Telekom-Spezialisten wie Nokia ausgereifte Szenarien und konkrete Applikationen parat. Die meisten Visionen des intelligenten Heims der Zukunft umfassen einen zentralen “Homeserver”, der alle Kommunikationsschnittstellen aufweist und die Entertainment-Inhalte in Form von Musik, Video, Fernsehen auf Wunsch über Multimedia-Steckdosen in jedes Zimmer liefert. Einen interessanten Audio-Multiroom-Server zeigte beispielsweise Revox. Alternativ zum gefürchteten Kabelsalat sollen zukünftig vermehrt Funkanlagen die Signale drahtlos an die verschiedenen Endgeräte verteilen.
DVD-Recording mit Systemstreit
Mit dem DVDR1000 von Philips hält die digitale Videoaufzeichnung Einzug in den Wohnraum
Lange hat man auf Stand-anlone-DVD-Recoder warten müssen. Jetzt kommen sie gleich zuhauf; allerdings propagieren die Hersteller unterschiedliche Standards. DVD-RW, DVD+RW und DVD-RAM buhlen gleichzeitig um die Gunst des verwirrten Innovationskäufers. Das Gute vorweg: Alle Systeme bieten die Aufnahme auf kompatiblen, einmal bespielbaren DVD-Rs, die auf allen DVD-Playern abspielbar sind. Bei den wiederbespielbaren (RW-)Datenträgern gehen die Hersteller je eigene Wege. Pioneer bietet mit dem DVR-2000 einen attraktiven Heimrecorder (DVD-RW) an. Er erlaubt bis zu 2 Stunden Aufnahme auf kompatiblen DVD-R und -RW, sowie bis zu 6 Stunden im eigenen Format. Als Besonderheit nimmt er Ton im unkomprimierten PCM-Format auf und verfügt über einen DV-Ausgang. Panasonic macht sich für die DVD-RAM stark. Besonderheit ist das sehr einfach realisierbare zeitversetzte Fernsehen. Dank grosszügigem Zwischenspeicher und ultraschnellem Zugriff kann der Laser gleichzeitig aufzeichnen und wiedergeben. Man kann also eine laufende Sendung aufnehmen und die parallele Wiedergabe beispielsweise für 5 Minuten unterbrechen, ohne dass die Aufnahme beeinträchtigt wird. Philips schliesslich setzt mit DVD+RW auf möglichst grosse Kompatibilität und verspricht DVDs mit verlängerter Aufnahmedauer bis 4 Std., die auf vielen DVD-Playern abspielbar sein sollen. Bleibt noch die Firma Sony, die abwartet und erst Mitte nächsten Jahres einen mit den Formaten DVD-RW/DVD+RW-kompatiblen (!) DVD-Recorder bringen will. Als Alternative zu DVD-Recordern bieten sich, zumindest was das Aufzeichnen von TV-Sendungen betrifft, HD-Recorder an, die es an der IFA bereits in diversen Variationen zu sehen gab.
Flachdisplay im Vormarsch
Der 23-Zoll LCD-TV der FineArts-Serie von Grundig zeigt den Trend zu Flachbildschirmen
Alternative Displaytechnologien könnten bald schon den Fernsehermarkt erobern. Insbesondere der Preisverfall bei den LCDs führt dazu, dass diese für die Fernseheranbieter interessant werden. 15-Zoll-Geräte sind an der Tagesordnung, können aber eigentlich nur als Desktop-TV überzeugen. Grössere Bilddiagonalen bis 29 Zoll auch im 16:9-Format werden vermehrt angeboten, sind aber immer noch sehr teuer. Diverse japanische Firmen haben neue Fabriken für Plasmadisplays eröffnet und wollen mittelfristig offenbar einen eigentlich Massenmarkt eröffnen. Angestrebt wird ein Preis von unter 10000 Franken. Auch im Portable-Bereich sind neue Displaytechnologien auf dem Vormarsch. Dünnfilmtechnik ermöglicht hauchdünne, biegsame Foliendisplays, die in Organizern und Handys aber auch in portabeln Audio-Geräten völlig neue Dimensionen erschliessen.
SACD und DVD-Audio
Hochaufgelöstes Mehrkanal-Audio ist State-of-the-Art: der SCD-XA777ES von Sony.
Im Audiobereich liess die Ankündigung des marktführenden Musikriesen Universal aufhorchen, neu auch den Tonträger SACD (Super Audio Compact Disc) zu unterstützen. Universal war bisher, was hochauflösende Medien betrifft, im DVD-Audio-Lager angesiedelt. Erste Aufnahmen auf SACD will Universal allerdings frühestens Ende Jahr präsentieren, und DVD-Audio ist damit nicht ad acta gelegt. Die SACD hat sich endgültig als Mehrkanal-Surroundmedium etabliert, und Sony bietet neu auch kompakte AV-Komplettanlagen mit kombinierter DVD-/SACD-Abspielmöglichkeit zu günstigen Preisen an. Als Einziger hat Pioneer für nächstes Jahr einen bezahlbaren Kombispieler für DVD-Audio/Video und SACD-Mehrkanal angekündigt. Er dürfte ca. 2500 Franken kosten.
Weitere Trends
Gleich mehrfach wurde der kleinste Camcorder der Welt angekündigt. Während diverse Hersteller damit neue Mini-DV-Camcorder meinten, lancierte Sony offenbar unbemerkt von den Mitbewerbern mit MicroMV ein neues digitales Aufahmeformat mit ultrakompakter Kassette. Im Bereich Telekommunikation waren die ersten Handys mit Farbdisplay, viele neue GPRS-Modelle, Handys mit MP3-Player, sowie erste Bluetooth-Handys mit Freisprechset-/Kopfhöhrer auf Funkbasis und Handys mit der neuen EMS-Funktion (Enhanced Message Service), die das Verschicken von Ton und Bild als SMS-Anhang ermöglichen, zu sehen. Auf den SMS-Boom reagiert Grundig mit dem “Leemax@mail”, einem preisgünstigen 21-Zoll-Fernseher mit sehr einfach zu bedienender E-mail/SMS-Funktion via Infrarot-Tastatur. Ebenfalls aufhorchen liess die Ankündigung von Loewe, in Zusammenarbeit mit Bose nächstes Jahr ein komplettes AV-Heimkinosystem mit DVD und ultrakompakten Satelliten auf den Markt zu bringen.