Manche Anbieter von hochwertigem HiFi, auch High-End-HiFi genannt, staunen zurzeit nicht schlecht. Bei ihren Kunden scheint ein Umdenken stattzufinden. Die Kunden investieren zwar immer noch mit Überzeugung viel Geld in besonders hochwertige HiFi-Systeme, aber wenn es um Audio-Streaming-Geräte geht, dann sind sie plötzlich misstrauisch. Warum sollen Sie über 10'000 CHF für ein Streaming-Gerät oder einen Musikserver ausgeben, der die Musik am Ende digital weitergibt? Nur, weil Sie eine High-End-Musikanlage besitzen?
Eigenes Know-how contra Glaube in den Hersteller
Sehr viele Musikliebhaber stehen heute vor der Entscheidung, wie sie Streaming-Lösungen implementieren sollen. Meistens haben sie schon alles, was sie brauchen: vom hochwertigen DA-Wandler bis hin zu den Lautsprechern, eine Kombination von Komponenten oder sogar schon ein integriertes System. Sie wollen nun als nächsten Schritt qualitativ hochwertige Musikdienste wie Qobuz oder Tidal nutzen und mit der Zeit sogar auf gespeicherte Musik oder CDs verzichten.
Braucht es dafür ein zusätzliches Gerät eines Audio-Herstellers mit Rang und Namen?
Die Antwort lautet – wenn auch vereinfacht – eher nein: Musikstreaming ist kein Thema, bei dem die klassischen, audiophilen Disziplinen vollends greifen. Es geht dabei vor allem um intelligente und schnelle Software für die Bereitstellung der Musikdaten, die Orientierung und die einfache Auswahl und Bedienung mit einem grafischen User-Interface, genannt GUI.
Um dies zu ermöglichen, braucht es Hardware, also einen Rechner. Die Aufgabe kann ein Computer mit den Betriebssystemen OSX, Windows oder Linux übernehmen. Darauf lässt sich ein geeignetes GUI installieren und schon hat man mit geringem Arbeits- und Kostenaufwand einen Streaming-Client gebaut.
Das ist nicht neu: Digitale Musikwiedergabe auf hohem Niveau begann vor über 10 Jahren mit PC/Mac plus audiophilen Player-Anwendungen wie Amarra, Pure Music, Foobar, Audirvana und weitere. Neu ist, dass man den Audio-Herstellern, die das Prinzip in edle Geräte verpacken (und dafür einen stattlichen Preis fordern), nicht mehr so recht über den Weg traut. Das ist gerade deshalb nicht verwunderlich, weil man es bisher irgendwie selbst hingekriegt hat. Das Thema ist für viele keine Blackbox mehr.
Es fehlen den Herstellern bisweilen die schlagenden Argumente auf die Frage «Warum nicht selbst konfigurieren?» Wenn man die Geräte der Hersteller öffnet, findet man zum Beispiel eine Intel-NUC-Platine, ein handelsübliches USB-Interface, mitunter noch eine handelsübliche SSD-Festplatte und vielleicht, vielleicht noch eine Stromversorgung, die tatsächlich vom Hersteller selbst stammen könnte ... Nicht selten wird sogar die gesamte Elektronik plus Software für Betriebssystem und App beim OEM-Hersteller Streaming-Umlimited eingekauft. Kenner sehen das bei einem Streamer auf den ersten Blick.
Trotzdem ist dies eine Vereinfachung: Man übersieht gerne, welchen Aufwand der Hersteller betrieben hat, um «digital noise» zu minimieren oder mittels «re-clocking» einen sehr präzisen Takt mit minimalem Jitter zu erzeugen. Das sieht man einer Platine eben nicht auf den ersten Blick an. Und wenn man den Argumenten der Hersteller misstraut, dann will man es auch gar nicht sehen oder glauben. Ein Beispiel dafür sind die Produkte von Innuos.
avguide.ch meint
Die gegenwärtige Skepsis der Anwender beruht darauf, dass «audiophiles Musikstreaming» noch neu ist – und auch, weil viele Anwender schon berufsbedingt so einiges von Computern/IT verstehen, oder es zumindest glauben zu verstehen.