BLOGPOST
ARTIKEL
Publikationsdatum
25. Oktober 2020
Themen
Drucken
Teilen mit Twitter
MEDIEN

Fotostrecke

Retro-HiFi-Geräte

Um gleich ein Missverständnis bei der Begrifflichkeit zu klären, dem ich selber zuerst zum Opfer fiel und vom avguide.ch-Redaktor Christian Wenger sogleich aufgeklärt worden bin: Vintage HiFi ist nicht mit Retro zu verwechseln: «Retro-HiFi» bezieht sich auf neue Geräte im Look der frühen High-Fidelity-Tage der 60er, 70er und 80er Jahre. Der Begriff «Vintage» bezeichnet originale Geräte aus den frühen HiFi-Tagen, die entweder noch funktionieren oder restauriert wurden.

Aber ich möchte von vorn beginnen: Da ich inzwischen selbst schon leicht Vintage bin, durfte ich die originalen 60er-, 70er- und 80er-Jahre noch selbst miterleben und bin nun, wie so viele Kunden und Hersteller dem «Look-and-feel» der Geräte und Lautsprecher dieser Zeit restlos verfallen. In den 80er-Jahren drückte ich meine Nase platt an den Schaufenstern der damals angesagten HiFi-Studios. Ich träumte von den grossen Marken wie Mark Levinson, McIntosh, Infinity, Thorens. Mein Lehrlingslohn reichte allerdings nur für ein paar Dire-Straits-LPs, das Töfflibenzin sowie ein Paar Marcel-Scheiner-Jeans. Audiomässig musste es die Philips-Anlage meiner Eltern tun.

Nichts gegen das moderne Hightech-Design vieler aktueller Geräte. Aber der Look und die Haptik der Produkte der 60er, 70er und 80er verströmen das gewisse Etwas und einen ganz anderen, zeitlosen Charme. Die Lautsprecher und die Elektronik jener Zeit scheinen für eine Ewigkeit gebaut. Viele heutige Geräte sind wie in der Autoindustrie einem kostenoptimierten Einheitslook verfallen. Baugruppen werden gerne bei OEM-Herstellern eingekauft, die Produkte sind innen wie aussen nur allzu oft uniform und austauschbar geworden.

Bei meiner Liebe zu Retro- und Vintage-Geräten mag zwar eine Prise Nostalgie mitschwingen, aber auch jüngere Kunden sind inzwischen dem Charme und der charaktervollen Produkte aus der HiFi-Frühzeit verfallen. Wer kann sich schon wirklich dem Glimmen einer Röhre, Lautsprecher mit noch grossflächigen Bassmembranen oder den zappelnden Wattmeter der ersten Transistor-Amps entziehen?

Klar treffen die Retro-Geräte bei der älteren Fan-Gemeinde einen emotionellen Nerv, der Erinnerungen an «gute alte Zeiten» oder an schöne Erlebnisse triggert. Daher haben diese auf Retro-Design konstruierten Produkte auch einen Sympathie-Vorschuss, den modern gestylte Hightech-Produkte schlicht nicht mitbringen.

Ein Lautsprecher im Design der 70er-Jahre zeugt von einer Zeit, als noch nicht die Marketingabteilungen mit ihren Verkaufskriterien nach dem grössten gemeinsamen Nenner, sondern die Entwickler nach physikalischen Gesetzen das Erscheinungsbild eines Lautsprechers bestimmten. Nicht schlanke, akustisch extrem ungünstige Aluminium-Säulen wurden auf den Markt geworfen, sondern voluminöse Lautsprecher, die in einem Gehäuse im Seitenverhältnis des goldenen Schnitts und grossflächigen Bassmembranen noch richtig Spass machten.

Glück hat, wer ein noch ein gut erhaltenes Originalprodukt erwirbt. Leider sind aber viele Originale aus diesen Jahren in schlechtem Zustand, sodass eine Renovation entweder am Budget scheitert, am fehlenden Know-how der Techniker oder an der Ersatzteil-Liefersituation der eventuell gar nicht mehr existierenden Hersteller.

Gut gewartete «Youngtimer» aus diesen Jahren hingegen erreichen bei Marken wie Marantz, Thorens und anderen richtige Sammlerpreise und sind nur für gut betuchte Fans realistische Objekte ihrer Vintage-Begierde. Da kommt natürlich die aktuelle Retro-Welle gerade Recht und ermöglicht es auch dem normal betuchten Fan, sich dem Flair der goldenen HiFi-Tage zu erfreuen, ohne gleich die Hypothek zu erhöhen. Dass man mit einer Neuauflage eines HiFi-Klassikers im Innern moderne, betriebssichere Technik inklusive Gewährleistung erhält, muss auch nicht unbedingt negativ sein.

Retro Geräte - eine kleine Auswahl

Im Lo-Fi-Bereich werden DAB-Radios, Kompaktanlagen, All-in-One-Plattenspieler, Kassettengeräte und vieles mehr im Retro-Look angeboten. Eine hohe Tonqualität ist von diesen meist günstig produzierten Geräten nicht zu erwarten, aber als Design-Objekte taugen sie sicherlich. Im Premium-Segment legen immer mehr Hersteller wie Klipsch, Magnat und Wharfedale ihre Legenden neu auf. Andere wie Luxman haben diesen Pfad noch gar nie wirklich verlassen.

JBL hat Lautsprecher wie die JBL L100 aus den 70er-Jahren als «Classic» neu aufgelegt. Die orange Schaumstoffabdeckung macht den 70er-Retro-Look komplett, ruiniert aber den Klang und sollte deshalb lediglich als Deko verwendet werden. Thorens hat den TD 124 wieder neu aufgelegt. Zwar als Direkttrieber, was für die eingefleischten Reibrad-Fans ein Sakrileg darstellt – aber was kümmert das Thorens.

Unter anderem haben Luxman und Leak aktuelle Geräte im Vintage-Look im Sortiment. Im Fall von Luxman wurde das Design seit 60 Jahren unverändert belassen. Das gleiche kann man wohl für Klipschs «Klipschorn», «Heresy» oder «The Fives» sagen. Über «The Fives» berichteten wir bereits Mitte September.

Neu aufgelegter Designklassiker: Der Beogram 4000c. Leider nur in limitierter Stückzahl und überzogenem Marketingpreis von 10'000 Euro.
Neu aufgelegter Designklassiker: Der Beogram 4000c. Leider nur in limitierter Stückzahl und überzogenem Marketingpreis von 10'000 Euro.
Eine der vielen Nachbauten der Rogers LS3/5A von Stirling.
Eine der vielen Nachbauten der Rogers LS3/5A von Stirling.
Mit dem TD 124 DD belebt Thorens eines seiner legendärsten Modelle neu.
Mit dem TD 124 DD belebt Thorens eines seiner legendärsten Modelle neu.
Luxman pflegt seine Design-Tradition und liegt damit nun voll im Trend. Im Bild der CL-1000.
Luxman pflegt seine Design-Tradition und liegt damit nun voll im Trend. Im Bild der CL-1000.
Der Leak AMP 130 verströmt den «Good-Old-HiFi-Look» par excellence. In Innern steckt aber moderne Technik.
Der Leak AMP 130 verströmt den «Good-Old-HiFi-Look» par excellence. In Innern steckt aber moderne Technik.
Ein Klassiker aus der Klipsch-Heritage-Serie: Die Cornwall IV.
Ein Klassiker aus der Klipsch-Heritage-Serie: Die Cornwall IV.
Bald im avguide.ch-Test: Die zu neuem Leben erweckte Magnat Transpuls 1500.
Bald im avguide.ch-Test: Die zu neuem Leben erweckte Magnat Transpuls 1500.

Ganz aktuell haben wir über den B&O-Vintage-Plattenspieler Beogram 4000c Recreated Limited Edition berichtet. Dieser nicht ganz günstige Plattenspieler wurde komplett überholt, es gibt davon nur 95 Stück. Sie sind «NOS» (New Old Stock) – das heisst: Sie sind Vintage und somit kein Retro-Produkt. Der Traditionshersteller Wharfedale hat mit dem Lautsprecher Linton Anniversary ein Retro-Modell lanciert, deren Produktetest wir soeben veröffentlicht haben. Auch Magnat hat ein Paar Retro-Lautsprecher mit Namen Transpuls 1500 im Programm. Dieses werden wir ebenfalls testen und auf avguide.ch demnächst vorstellen.

Wir sind gespannt, welche Hersteller noch auf den Retro-Expresszug aufspringen werden. avguide.ch wird das Thema Retro und Vintage jedenfalls weiterverfolgen! Seien Sie gespannt!