Julian Verker war ein Quereinsteiger, als er Naim Audio ins Leben rief. Er widmete seine Energie einem Ziel, von dem er damals überzeugt war, es sei noch unerreicht: Life-Musik zu Hause mit HiFi-Geräten. Seiner autodidaktischen Herangehensweise war es denn auch zu verdanken, dass er vorhandenes Wissen im Verstärkerbau weitgehend ignorierte und auch dem Narrativ des britischen Klangideals nicht zwingend huldigte. Er begriff allerdings auch, dass die Unverwechselbarkeit der Geräte sichtbar und greifbar sein musste. Die Nutzer mussten erleben können, dass sie etwas Besonderes, Eigenständiges vor sich hatten – quasi einen eigenen Standard.
Daran hat sich in den letzten 50 Jahren nichts geändert. Audio-Geräte von Naim sind immer noch so eigenständig, wie dies kaum bei einer anderen Marke der Fall ist – und manchmal auch etwas eigenwillig, aber immer bis in den letzten Winkel durchdacht und perfektioniert. Erinnern wir uns an diese CD-Schublade, die man um eine Achse schwenkte und in das Gerät einliess. Ein unverwechselbares Konzept. Erinnern wir uns an die vergeblichen Versuche, Naim-Geräte mit Kabeln eines anderen Herstellers klanglich zu optimieren. Es funktionierte meines Wissens nie. Die Naim-Kabel waren immer die besten für Naim.
Meilensteine
Julian Verker setzte mit Naim eine eigene und unverwechselbare Entwicklungsphilosophie durch, zunächst vorwiegend im Verstärkerbau und dann auch bei analogen und digitalen Quellgeräten. Beispiel dafür sind externe Stromversorgungen. Damals, 1991, war dies beim CDS-CD-Player ein absolutes Novum und auch später ein wichtiger Teil des Naim-Kults. Die Endstufe NAP 200 von 1973 verfügte provokativ bloss über einen Netzschalter. Der Vorverstärker NAC 12 von 1974 kam mit einem Eingangswahlschalter, einem Balanceregler und einem Lautstärkeregler. Das war für die damalige Zeit extrem puristisch und ein Statement des Herstellers, worauf es ihm nicht ankam.
Komplette Serie: Den Philips 42PFK7509/12 gibt es auch in den Grössen 47, 55 oder 65 ZollNaim setzte nicht nur am Anfang, sondern auch noch lange Zeit danach ausschliesslich auf die 5-poligen DIN-Stecker/Buchsen, während praktisch die gesamte Audio-Industrie auf RCA-Stecker (Cinch) umstellte. Naim fürchtete sich nicht vor diesem Quasi-Alleingang, der die neuen Kunden dazu zwang, andere Kabel zu verwenden oder auf Naim zu verzichten. Naim behielt recht: Auch wenn sich der – übrigens symmetrische – DIN-Standard nicht durchsetzen konnte, gehören die Stecker zum Besten, sowohl damals wie heute.
Ebenfalls lancierte Naim früh den Einstieg in die neue Gerätschaft der All-In-One-Player. Bereits 2009 konnte man mit diesem neuartigen Player CDs auf eine interne Festplatte speichern und über eine eigene Nutzeroberfläche wiedergeben. Naim setzte bewusst und sehr eigenständig auf ein User Interface auf der Gerätefront. Damit war der Grundstein für die eigene Musikstreaming-Plattform ab 2016 gelegt.
Bemerkenswert ist auch Naims Einstieg in die Welt der Premium-Audio-Systeme. Auch diese kosteneffizienten Lösungen sind sowohl hinsichtlich ihrer Klangqualität als auch ihrer Erscheinung völlig unverwechselbar. Mit den Premium-Audio-Systemen gelang es Naim, die Kundenbasis zu erweitern und zu vertiefen.
Man soll auch der Gründung von Naim-Records, dem hauseigenen audiophilen Musiklabel von Naim, Tribut zollen. Naim-Records gibt es seit 1993. Heute sind die Alben auf den einschlägigen Streamingdiensten zu hören.
Spektakulär: Das New-Classic-System von Naim.NAIT 50 zum Jubiläum
Zum 50-Jahre-Jubiläum liessen sich die Naim-Experten in Salisbury etwas ganz Besonderes einfallen: Sie kramten das Archivmaterial des legendären Vollverstärkers NAIT 1 von 1983 aus der Schublade und schufen den NAIT 50. Der NAIT 50 ist eine sorgfältig überarbeitete Neuauflage des Verstärkers mit 2 x 25 Watt (8 Ohm) und sieht fast identisch aus wie sein ikonischer Vorgänger.
Auf den ersten Blick unterscheidet sich der NAIT 50 fast nicht vom NAIT 1. Anstelle des Balance-Reglers findet man einen Kopfhörerausgang, und die vier Tasten sind anders beschriftet als beim alten Modell.Neu gibt es einen 6,3-mm-Kopfhörerausgang an der Stelle, wo sich früher der Balanceregler befand. Er wird von einem neuen Kopfhörer-Vorverstärker befeuert. Die drei Eingangsquellen-Wahlschalter wurden der Zeit angepasst: Aus phono/tuner/tape wurde phono/stream/aux. Die Haptik der drei Eingangsquellen-Wahlschalter, die sich gegenseitig mechanisch verriegeln, ist aussergewöhnlich. Beim NAIT 50 werden allerdings drei Relais angesteuert, was natürlich punkto Signalweg einer deutlichen Verbesserung gleichkommt.
Der NAIT 50 verfügt über zwei interne Netzteile: ein audiophiles Linearnetzteil und ein hocheffizientes SMPSU für den Standby-Betrieb. Eine automatische Abschaltung (deaktivierbar) erfolgt nach 17 Minuten. Die neue MM-Phonovorstufe ist diskret aufgebaut. Die LED ist weiss und nicht mehr rot. Damals gab es die weissen LEDs noch nicht. Das Aluminiumgehäuse ist genau wie beim Vorgänger aus einem Strangpressprofil gemacht.
Der NAIT 50 von Naim hat das Zeugs für einen neuen Klassiker.Der NAIT 50 kann hohe Spitzenströme mobilisieren und kommt auch mit Impedanzen von 2 Ohm problemlos klar. Das Jubiläumsmodell ist keine Preziose, sondern ein Wolf im Schafspelz mit einer Designsprache, die leicht modernisiert wieder sehr aktuell ist. Kostenpunkt: 2999 CHF. Wer sich über die beiden DIN-Buchsen für den Stream-Eingang und den Aux-Eingang wundert, der darf sich entspannen: Naim hat die passenden Kabel bestimmt im Sortiment.
Leider verstarb Julian Verker bereits im Jahr 2000. Am NAIT 50 hätte er bestimmt seine helle Freude. So viel scheint gewiss.

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