TESTBERICHT

Das iPad Pro beindruckt mit Vielem. Die Displaygrösse von 12,9 Zoll erinnert eher an ein Notebook als ein herkömmliches Tablet. Der Bildschirm löst mit 2732 x 2048 Pixeln (264 ppi) auf, was Schriften perfekt scharf zeichnet und Bilder sehr detailliert leuchten lässt.

Das iPad Pro setzt aber auch in anderen Bereichen neue Spitzenwerte. Mit A4-Format und 723 Gramm Gewicht ist es sperriger und schwerer als gewohnte Tablets. Auch der Einstiegspreis von 900 Franken für die 32-Gigabyte-Version sprengt die gewohnten Grenzen. Für 128 Gigabyte Speicher und 4G-Handynetz legt man sogar 1230 Franken auf den Tisch. Man zahlt also mehr als für gängige gute Notebooks oder ein Macbook Air mit doppelter Speicherkapazität.

iOS im Grossformat

Das iPad Pro im Grössenvergleich zum bisherigen iPad und iPad Mini.Das iPad Pro im Grössenvergleich zum bisherigen iPad und iPad Mini.

Obwohl das iPad Pro wie ein Notebook aussieht, arbeitet es mit dem für Handys entwickelten iOS. Alles was ein iPhone kann, beherrscht auch das Pro. Man muss also keine neuen Apps kaufen und sich auch nicht umgewöhnen.

Allerdings, und das wird von Apple-Anhängern als Revolution erlebt, lässt sich das Pro auch mit einem digitalen Stift (Pencil) bedienen. Der kostet zwar 110 Franken zusätzlich, ist aber technisch vom Feinsten. Die Stiftspitze reagiert einerseits auf unterschiedliche Druckstärke mit unterschiedlich dicken Linien. Durch einen schräg gehaltenen Stift lassen sich zusätzliche Effekte erreichen, beispielsweise einfach schattieren.

Die Stiftbedienung wurde in den vergangenen Jahren vor allem durch Microsoft und ihrem Tablet-Notebook-Wechselbalg Surface Pro 4 (ab 1000 Franken) bekannt gemacht. Dort ersetzt der Stift allerdings den Mauszeiger von Windows. Als Mausersatz lässt er sich intuitiv in bekannte Windows-Programme nutzen.

Auf dem iPad Pro hat der Stift aber nur spezielle Funktionen, wenn die Apps auch entsprechend angepasst wurden. Im Normalfall ist er also nur eine feine Fingerspitze.

Das iPad Pro verfügt als erster iOS-Gerät über integrierte Unterstützung für einen digitalen Zeichenstift (Pen/Pencil).Das iPad Pro verfügt als erster iOS-Gerät über integrierte Unterstützung für einen digitalen Zeichenstift (Pen/Pencil).

Kritzeln in Höchstform

Der Pencil erkennt Druck und Schräge. Das Kritzeln und Malen damit macht sehr viel Spass.Der Pencil erkennt Druck und Schräge. Das Kritzeln und Malen damit macht sehr viel Spass.

Die ersten Stunden mit dem iPad Pro verbrachte ich hauptsächlich kritzelnd und pinselnd. Apps wie Paper, SketchBook oder Zen Brush 2 machen mit dem Stift viel Spass und lassen auch eher Unbegabte mit mutigen Strichen einfach Originelles kreieren. Profiansprüche erfüllt die App Procreate, wo sich das Verhalten der Mal- und Zeicheninstrumente sehr detailliert einstellen lässt. Man glaubt, einen echten Kreidestift oder eine kratzende Tuschefeder in Händen zu halten.

Beim Abspeichern der Kunstwerke stösst man aber an die üblichen iOS-Grenzen. Gespeichert wird nur innerhalb der App oder alternativ in einem Cloud-Speicher im Internet. Mein Versuch, ein auf dem iPad Pro gekritzeltes Kunstwerk am Windows-PC auszudrucken, war nur nach einigen Umwegen von Erfolg gekrönt. Auch auf Macs lassen sich viele Kunstwerke nicht einfach weiterbearbeiten, weil dazu schlicht die passende App unter iOS fehlt.

Das mit Zen Brush 2 erstellte neue AVG-Logo. Gut zu sehen, wie die Stifthaltung (Pfeil) von der App erkannt wird.Das mit Zen Brush 2 erstellte neue AVG-Logo. Gut zu sehen, wie die Stifthaltung (Pfeil) von der App erkannt wird.

Werkzeug für Adobe-Fotografen

Bei der Photoretusche profitierte man von der hohen Auflösung und dem Pen. Noch sind aber hauptsächlich Apps von Adobe an die neuen Fähigkeiten angepasst.Bei der Photoretusche profitierte man von der hohen Auflösung und dem Pen. Noch sind aber hauptsächlich Apps von Adobe an die neuen Fähigkeiten angepasst.

Apple propagiert das iPad Pro auch als Werkzeug für Fotografen. Mit Adobe hat man sich den Marktführer ins Boot geholt, der viele Apps von Photoshop Fix/Mix über Lightroom bis Comp für das iPad angepasst hat. Weil Adobe eh ein Cloud-Konzept vertritt, ist auch der Datenaustausch zwischen Tablet und PC fliessender.

Allerdings beklagen viele Fotografen, dass die iOS-Apps von Adobe in ihrem Funktionsumfang stark reduziert sind. Profis mit ihren riesigen RAW-Dateien sprengen ferner schnell die Speicherkapazität des iPad Pro. Der Bildschirm bietet zwar einen sehr breiten Farbraum, lässt sich aber nicht kalibrieren.

In der Praxis macht vor allem das Retuschieren oder die auf Bereiche eingeschränkte Bildverbesserung auf dem Pro Spass. Allerdings vermisst man schnell eine Taste am Stift. Diese würde einfaches Umschalten zwischen Auftragen/Radieren oder Bewegen/Zoomen ermöglichen. Weil der Pencil keinerlei Tasten hat, muss man dazu den Finger oder allenfalls eine Tastatur zu Hilfe nehmen.

Ausserhalb der Adobe-Welt bieten vor allem Apps wie Pixelmator einfache Bildretuschen. Viele Apps sind aber noch nicht für die hohe Auflösung und die Pencil-Steuerung angepasst.

Dafür hat Apple mit dem iPad-Pro die Sorgen der 4K/UHD-Filmer entschärft. Diese können nämlich mit den neusten iPhones zwar schöne Videos und 4K-Auflösung filmen, waren aber bei deren Bearbeitung ziemlich verloren. Auf dem iPad Pro unterstützt nun die kostenlose Movie-App auch Filme in 4K-Auflösung. Dank leistungsfähigem Prozessor lassen sich diese auf dem Tablet flüssig schneiden und bearbeiten.

Die Movie-App kann auf dem iPad Pro nun auch 4K/UHD-Videos bearbeiten.Die Movie-App kann auf dem iPad Pro nun auch 4K/UHD-Videos bearbeiten.

Surfen, lesen, geniessen

Perfekt eignet sich das iPad Pro für tägliche Aufgaben wie das Surfen im Internet, das Lesen von elektronischen Zeitschriften im PDF-Format oder das schmökern in elektronischen Büchern. Das hohe Gewicht des Pro geht dabei aber schnell „in die Arme“.

Auch das Betrachten von Videos begeistert dank dem grossen Display mit hoher Auflösung. Allerdings werden 4K/UHD-Inhalte von Netflix nicht unterstützt, weil die App nicht entsprechend angepasst ist und das iPad Pro auch nicht über echte 4K-Auflösung (2732 x 2048 statt 3840 × 2160) verfügt.

Bei der Audiowiedergabe liefern die insgesamt vier Lautsprecher einen differenzierten, gut lokalisierbaren Stereo-Klang, dem aber konstruktionsbedingt das Bass-Volumen fehlt.

Makellos ist das Pro auch beim Anzeigen von Fotos und Diashows, einzelne Apps unterstützen hier bereits die volle Auflösung.

Mit Tastatur-Schutzhülle wird das iPad Pro zum Arbeitstier.Mit Tastatur-Schutzhülle wird das iPad Pro zum Arbeitstier.

Arbeiten und tippen

Obwohl Apple das iPad Pro nicht als Arbeitstier sieht, macht auf ihm die Nutzung von Business-Apps wie Word und Excel Sinn. Microsoft hat die entsprechenden Apps bereits angepasst. Durch eine Bildschirmteilung bietet das Pro auch eine Art „Multitasking“, bei der maximal zwei Apps gleichzeitig zu sehen sind. Intuitive Funktionen wie Drag&Drop sind darin aber nicht möglich.

Dank Splitscreen kann auf dem iPad Pro auch zwei Apps parallel bedienen.Dank Splitscreen kann auf dem iPad Pro auch zwei Apps parallel bedienen.

Mit dem Pro lässt sich vor allem vernünftig arbeiten, wenn man die mit Spezialkontakten versehene Tastatur andockt. Weil aber das Apple eigene Produkt Smart Keyboard (180 Franken) noch kaum und eh und nur mit US-Tastenbeschriftung lieferbar ist, verwendete ich stattdessen die 160 Franken teure Logi Create Tastatur von Logitech. Diese wurde speziell für das iPad Pro designt, verfügt über schweizerische Tastenaufdrucke und hat im Gegensatz zum Apple-Produkt auch beleuchtete Tasten. In der Praxis ermöglichte Logitechs Zusatztastatur schnelles, sicheres Tippen und erlöste mit cleveren Sondertasten (Audio, Playersteuerung, Taskswitcher, Helligkeit) auch von vielen Fummeloperationen auf dem Bildschirm.

Die Logi Create ist neben Tastatur auch Schutzhülle und Ständer. Das Paket aus iPad Pro und Tastaturhülle bringt dann allerdings knapp 1,5 Kilo auf die Waage. Ein Tisch oder breite Knie sind also für die Nutzung zwingend.

Dank beleuchteter Tastatur kann man auch im Dunkeln tippen.Dank beleuchteter Tastatur kann man auch im Dunkeln tippen.

Im Vergleich zum Surface Pro von Microsoft ist die Bedienung von Business-Apps auf dem iPad aber weniger komfortabel. Während man sich unter Microsoft nötigenfalls auch mit dem Pen schnell durch Windows-Pulldown-Menüs klickt oder kontextsensitive Operationen via „rechter Maustaste“ ausführt, muss man sich unter iOS meist mit mehr Tastendrücken oder Fingertippern durch die iOS-Befehle hangeln.

Bezüglich Rechenleistung gab sich das iPad Pro keine Blösse, auch umfangreiche Excel-Tabellen werden verzögerungsfrei neu berechnet.

Fazit: Etwas aus zwei Welten

Nach zwei Wochen Alltag mit dem iPad Pro ist das Fazit durchwachsen. Lediglich beim Zeichnen, Malen, Notieren und Kritzeln ist die Begeisterung gross. Bereits bei der Bildretusche vermisst man oft angepasste Apps und einen Stift mit mehr Funktionen. Beim Medien- und Informationskonsum glänzt das iPad besonders durch seine Grösse, der Preis in Franken und Gramm dafür ist aber hoch. Bei Business-Apps will Apple nach eigenen Aussagen mit dem iPad ein Notebook unter OS X oder Windows nicht ersetzten. Sie kann es aber auch nicht.

Interessant ist, dass Apple bei der Geräteverschmelzung den entgegengesetzten Weg von Microsoft gegangen ist. Bei Windows wurde ein Betriebssystem für Maus und Tastatur mit dem Kachelkonzept für die Fingerbedienung weiterentwickelt. Vor allem beim Surface Pro ist das sehr gut gelungen.

Apple versucht stattdessen, das Fingerkonzept von iOS mittels Stift zu erweitern, ohne es dabei aber auf die Maus- und Datei-Fähigkeiten von OS X zu hieven. Das erweist sich als schwieriger Spagat. Der Stift fühlt sich auch für den Anwender an vielen Ecken nicht intuitiv an.

Wer sich allerdings mit bisherigen iOS-Apps zufrieden gibt oder beim alten iPad zusätzliche Kritzel- und Malfunktionen vermisst hat, kauft mit dem iPad Pro das leistungsfähigste Apple-Tablet mit dem besten Bildschirm.

Natürlich haben auch Gamer Freude am iPad Pro. Erste Spiele wurden bereits für die hohe Auflösung und Rechenleistung angepasst.Natürlich haben auch Gamer Freude am iPad Pro. Erste Spiele wurden bereits für die hohe Auflösung und Rechenleistung angepasst.