TESTBERICHT

Panasonic bläst zum Angriff bei den Mittelklassekameras. Nachdem den Japanern mit der Lumix GH-4 (siehe Test) bereits ein grosser Wurf bei den Oberklassekameras geglückt ist, soll nun ein anderer Bereich aufgewirbelt werden.

Die Pansonic DMC-G70 hat alles, was es dazu braucht, und das zu einem fast unschlagbaren Preis. Aber der Reihe nach.

Erster Eindruck

Plastikhaufen: DiIe Panasonic Lumix DMC-G70 macht beim ersten Eindruck keine gute FallePlastikhaufen: DiIe Panasonic Lumix DMC-G70 macht beim ersten Eindruck keine gute Falle

Das erste Mal hatte avguide.ch bereits im Frühling die Möglichkeit, ein Vorseriengerät der Panasonic DMC-G70 zu testen (siehe Bericht). Da es bei Vorseriengeräten immer schwierig ist, sich ein abschliessendes Bild zu machen, nehmen wir die Lumix DMC-G70 im vorliegenden Test nochmals genauer unter die Lupe.

Was uns schon damals aufgefallen ist: Die Kamera, welche mit dem Kitobjektiv mit einer Brennweite von 28 bis 84 mm (Kleinbildformat) und einer Lichtstärke von F3.5 bis F5.6 daher kommt, wirkt nicht sehr ansprechend. Auch die Ausführung in Anthrazit (alternativ in Schwarz erhältlich), macht die Kamera nur bedingt edler. Etwas mehr als 500 Gramm bringt das Kit auf die Waage; das Gehäuse ist komplett aus Kunststoff und wirkt eher etwas billig.

Würde man bloss auf die äusseren Werte und den ersten Eindruck gehen, wäre jetzt bereits die Zeit, um die Kamera zur Seite zu legen. Doch in diesem Schafspelz schlummert ein Wolf.

Die G70 ist von der Bauform her wie eine Spiegelreflexkamera gehalten, nur mit viel kleineren Abmessungen. Das 3-Zoll Touch-Display lässt sich in alle Richtungen kippen und schwenken, die Anzeigen wirken knackig und scharf. Neben Einstellungen kann über den Touch-Screen auch der Fokus gesetzt werden. Gerade für weniger geübte Fotografen dürfte dies eine dankbare Funktion sein. Der sogenannte Touch-Fokus funktioniert sogar bei Videoaufnahmen. So können einfach per Fingertip Schärfeverlagerungen gemacht werden. Was sich in der Theorie super anhört, ist in der Praxis allerdings etwas schwierig, da mit dem Berühren des Displays normalerweise auch die Kamera leicht bewegt wird. Gerade im Zoom-Bereich macht sich das durch Wackler im Bild recht schnell bemerkbar. 

Wer lieber durch den Sucher schaut, der kann auf einen gestochen scharfen OLED-Sucher mit 2,36 Millionen Pixel vertrauen, welcher sich bis zu ±4.0 Dioptrien dem Auge anpassen lässt. Durch die ergonomische Bauform liegt die Kamera sehr gut in der Hand; Bedienelemente und Wahlräder sind perfekt zu erreichen. So sind auf der Kamera je ein Rad zur Wahl der Auslöseart und der Belichtungsprogramme zu finden. Zwei weitere Einstellräder neben der Daumenauflage und unter dem Auslöser regeln Verschlusszeit und Blende.

Für grosse Flexibilität und Individualität sorgen die fünf freibelegbaren Tasten. Je nach Bedarf können diese Tasten mit einer beliebigen Funktion versehen werden, welche dann ganz simpel und schnell abrufbar ist. Ebenfalls individuell lässt sich eine Seite des On-Screen-Menüs, das «Quick-Menü», belegen. Dies hilft, die Kamera und die benötigten Funktionen sehr individuell an die eigenen Bedürfnisse anzupassen.

Nur mässiges Kit-Objektiv

Das mitgelieferte Objektiv hält nicht ganz, was es verspricht. Der angeschriebene Zoom-Faktor von 14 - 42 mm wäre im Weitwinkelbereich ja sehr schön, allerdings darf nicht vergessen werden, dass wir es hier mit einem Micro-Four-Thirds Sensor mit einem Cropfaktor von 2 zu tun haben. Das heisst umgerechnet auf das Kleinbildformat bewegt sich das Objektiv zwischen 28 und 84 mm - und das ist irgendwie weder Fisch noch Vogel. Kein rechter Weitwinkel, kein richtiges Zoom, eher ein variables Normalobjektiv (50 mm). Auch die Lichtstärke mit F3.5-5.6 ist nicht gerade berauschend.

Dafür lässt sich aber hervorheben, dass das Objektiv extrem kompakt ist und so zu einem guten Begleiter für eine kleine Kamera wird. Ausserdem können ambitionierte Fotografen natürlich auch auf die grosse Auswahl von sehr guten Panasonic Optiken zugreifen und dank Adapter können gar Drittprodukte wie zum Beispiel Canon-Optiken verwendet werden.

Die Panasonic DMC-G70 fotografiert mit einer Auflösung von 16 Megapixeln. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Da Panasonic mit ihren Kameras nach wie vor mit einem 4:3 Seitenverhältnis als Standardeinstellung daher kommt, reduziert sich die Auflösung beim schlankeren (und weit verbreiteten) Seitenverhältnis von 3:2 auf 14 Megapixel.

Die Kamera kann auf einen mechanischen oder digitalen Verschluss zugreifen. Mit digitalem Verschluss kann die Belichtungszeit auf sensationelle 1/16'000 Sekunde reduziert werden. So ermöglicht die Kamera also auch bei grellem Licht und schnellen Objekten eine korrekte Darstellung. Allerdings können bei zu schnellen Bewegungen sogenannte Rolling-Shutter Effekte auftreten, bei welchen sich bewegende Objekte diagonal verzerrt dargestellt werden können. Die kürzeste Belichtungszeit im mechanischen Modus liegt bei 1/4'000 Sekunde. Reihenaufnahmen bringt die G70 mit bis zu acht Bilder pro Sekunde zu Stande.

Der erste optische Eindruck täuscht: Im Innern der Lumix G70 schlummert viel Technik zu einem fast unschlagbaren Preis.Der erste optische Eindruck täuscht: Im Innern der Lumix G70 schlummert viel Technik zu einem fast unschlagbaren Preis.

Gute Bildqualität, aber leicht unterbelichtet

Bevor wir uns den Spezialfähigkeiten der Kamera zuwenden, schauen wir uns mal die Bildqualität an. Wo der erste Eindruck der Kamera erst noch zweifeln lässt, überzeugt die G70 spätestens, wenn es zur Beurteilung der Bildqualität kommt. Die Panasonic DMC-G70 zeigt ein erstes Mal, was sie wirklich kann. So überzeugt die Kamera mit einer guten Schärfe, welche auch mit dem Kit-Objektiv bis in die Ecken reicht. Neben gestochener Schärfe brillieren auch die Farben. Sehr kräftig und doch nicht überzeichnet wirken die Fotos, welche mit den Standardprofilen geschossen wurden. Wer es noch etwas knalliger mag, stellt die Farbanpassung auf «Lebhaft» und erhält so noch kontrastreichere Bilder.

Auch wenn ISO 25'600 in der Beschreibung nett aussieht, ist diese Einstellung für die Praxisanwendung eher unbrauchbar, ausser man liebt rauschige, farbige Pixel auf seinen Fotos. Allerdings muss man sagen, dass die GMC-G70 dafür bei tieferen ISO-Werten sehr gut abschneidet. So sind Fotos geschossen mit ISO 1600 beinahe rauschfrei. Erst ab ISO 3200 werden erste Rauschpartikel von Auge sichtbar – trotzdem bewegen sie sich immer noch im erträglichen Rahmen.

Bei der Belichtungsmessung hat die Kamera allerdings einen Hang zur Unterbelichtung. Schnell wirken die Bilder so etwas dunkel. Nichts Dramatisches, das kann mit einer Nachbearbeitung oder einer Verlängerung der Belichtungsstufe bei der Aufnahme gut ausgeglichen werden. Bei ISO-Werten ab 6400 machen sich bei der Nachbearbeitung allerdings vor allem im Schwarzbereich Artefakte und Rauschen bemerkbar, die vor allem darauf zurück zu führen sind, dass es sich bei der G70 um eine Kamera mit einem verhältnismässig kleinen Sensor handelt.

Alles in allem lässt sich aber festhalten, dass die Fotoqualität hervorragend ist, die Videoqualität sticht aber noch mehr heraus.

Typisches Beispiel: Die G70 neigt leicht zur Unterbelichtung wie dieses Foto des Rheinfalls aus einem Flugzeug zeigt.Typisches Beispiel: Die G70 neigt leicht zur Unterbelichtung wie dieses Foto des Rheinfalls aus einem Flugzeug zeigt.
Mit einer 2/3 Blendenkorrektur passt es dann aber gut. Mit einer 2/3 Blendenkorrektur passt es dann aber gut.

Top 4K-Qualität zum Tiefpreis

Dass die G70 ihrer grossen Schwester, der GH4, in Sachen Video nicht nachsteht, zeigt der Blick auf die Bewegtbilder. So kommt man richtig ins Schwärmen, wenn man die knackig-scharfen Aufnahmen auf einem 4K-fähigen Screen anschaut. In der höchsten Auflösung zeichnet die Lumix GMC-G70 mit 3840 x 2160 Pixel in 24 oder 25 Vollbildern pro Sekunde auf, und das bei einer Bitrate von 100 Megabit pro Sekunde.

Solche Datenraten fordern nicht nur die Kamera, sondern auch das Speichermedium. Für den Test wurde eine SDXC Karte der UHS Speed Class 3 (U3) verwendet. Eine solche Karte garantiert die lückenlose Aufzeichnung des 4K Contents. Eine Schreibgeschwindigkeit von 90 MB/s wird dabei für solche Aufnahmen auch vom Hersteller empfohlen.

Doch nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch der Speicher an sich kommt bald an seine Grenzen. Werden 4K-Aufnahmen getätigt, verschlingt die Kamera pro Minute Video satte 750 Megabyte an Speicher. Für ein paar Ferienvideos müssen also einige grosse Speicherkarten mitgeführt werden.

Nicht zu vergessen ist dabei auch die Nachbearbeitung: Für 4K-Videos braucht es einen ziemlich leistungsfähigen Computer. Mit dem 5K Retina iMac von Apple (4 GHz Intel Core i7 und 32 GB RAM) und Premiere Pro ging das eigentlich ganz flott, allerdings hat der iMac nach einiger Zeit ziemlich Abwärme produziert, was deutlich zeigt, dass 4K-Videos auch eine solche Maschine nicht kalt lassen.

Der Ton wird wir über das integrierte Stereomikrofon aufgezeichnet. Wie zu erwarten ist die Qualität hier eher mässig. Dafür kann über eine Stereobuchse aber ein externes Mikrofon angeschlossen werden, was die Tonaufnahme merklich verbessert. Über einen externen Griff, welcher XLR-Anschlüsse besitzt, wie bei der GH4, verfügt die G70 allerdings nicht.

Wenn 4K auf Foto trifft

Ein besondere Eigenheit und sozusagen die Verschmelzung zwischen 4K Video und Fotografie bietet der 4K-Fotomodus der G70. 3840 x 2160 Pixel entspricht der Auflösung von rund acht Megapixeln, was für Fotos schon ordentlich ist. Wenn die Kamera also ein 4K-Video mit 30 Frames aufnimmt, macht sie eigentlich nichts anders als 30 Einzelbilder mit einer 8-Megapixel-Auflösung pro Sekunde aufzunehmen. Und genau diesen Umstand hat sich Panasonic ganz schlau zu Nutze gemacht.

So wird im 4K-Fotomodus mit gedrückter Auslösetaste eine Reihenaufnahme (JPEG) mit 30 Bildern pro Sekunde geschossen. Nichts Besonderes, würde man auf den ersten Blick meinen, doch jedes Einzelbild lässt sich bereits auf der Kamera auswählen. Der perfekte Moment für ein Foto wird nicht mehr verpasst. Es entstehen geniale Moment-Aufnahmen.

Gerade mit Kindern oder anderen beweglichen Objekten, kann die 4K-Foto-Funktion für den ambitionierten Hobbyfotografen ein spannendes Tool sein. Auch die Qualität der Aufnahmen ist dabei erstaunlich gut und nicht wie zu erwarten flach. Auch die Schärfe sitzt und überzeugt.

Noch weiter ausreizen kann man die Funktion im Modus «Pre-Burst». Dieser Modus zeichnet konstant eine Sekunde auf, ohne die Fotos definitiv zu speichern. Wird der Auslöser dann gedrückt, speichert die Kamera die Sekunde vor dem Auslösen und die Sekunde nach dem Auslösen, also 60 Fotos. So kann der perfekte Foto-Moment eigentlich gar nicht mehr verpasst werden. Grosser Nachteil: Da die G70 konstant am fotografieren (filmen) ist, wird der Akku arg belastet. Auch die Kamera selber wird dabei ziemlich warm und muss nach einer gewissen Zeit gar abgeschaltet werden, um vor einer Überhitzung geschützt zu werden.

Fazit

Die Panasonic Lumix DMC-G70 ist ein Wolf im Schafspelz. Wirkt die Kamera im ersten Moment etwas gewöhnlich, zeigen sich bei der Benutzung ihre Stärken deutlich. Die G70 wird der perfekte Begleiter für ambitionierte Hobbyfotografen und Familienväter (oder Mütter) mit aktiven Kindern. Besonders gefällt die Fähigkeit, echte 4K-Videos aufzuzeichnen; die Qualität ist dabei hervorragend. Der 4K-Fotomodus ist eine innovative Funktion, die viel Spass bereitet und zu nie dagewesenen Schnappschüssen führen wird.

Übersicht zu diesem Artikel
Seite 1:
Seite 2:
Seite 3:
Seite 4: