Hörtest zum Vega
Viva las Vegas! Dieser Ausruf aus dem gleichnamigen Lied von Elvis Presley umschreibt ziemlich wortwörtlich meinen Eindruck der Campfire Vega und hallt oftmals durch meine Gehirnwindungen, wenn ich diese genialen Ohrhörer in meine Gehörgänge einführe, während mein Gesicht unbewusst einen von Vorfreude geprägten grinsenden Ausdruck annimmt.
Die Vega sind ein klangliches Biest, das ich lange zu zähmen versucht habe und das mich jedoch seinerseits von meinen festgefahrenen Vorstellungen, wie Kopfhörer zu klingen haben, befreit hat.
Der Bass. Ja, das ist klassischerweise die Stärke von dynamischen Ohrhörern gegenüber den BA-Treibern. Meist ist dieser in der Praxis klar gegenüber dem Rest des Klangspektrums deutlich angehoben. Verächter eines angehobenen Basses bitte ich hier inbrünstig nicht weiterzuscrollen, denn der Campfire Vega hat ebenfalls eine deutliche Betonung auf dem Bass. Ich meinerseits möchte hier aber den Blick erstmals von der Quantität des Basses umlenken auf dessen Qualität.
Der Vega hat einer der besten Bässe, den ich ausserhalb einer Livedarbietung gehört habe. Er verdrängt keinesfalls die anderen Frequenzen, sondern bettet diese auf eindrückliche Weise ein, dass die ganze Musik einen Eindruck vermittelt, mitten in der Band oder dem Orchester zu stehen als Dirigent oder Hauptsänger.
Ich selber fühlte mich durch den Vega wieder zurückversetzt in das letzte Mal, als ich in einem Konzert in der ersten Reihe das Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart gehört habe und voller Wehmut zu mir sagte, dass keine Aufnahme dieser Welt diese Lebhaftigkeit und Intensität vermitteln könne. Der Vega macht durch seine eigenwillige, aber brillante Abstimmung der Frequenzen riesige Schritte in Richtung dieser, damals herbeigesehnten Utopie. Dieser Effekt ist es, der den Vega zum hellsten Stern an meinem Ohrhörerhimmel macht. Entschuldigung, Andromeda.
Die Mitten erhalten durch den Druck, den der nonkristalline dynamische Diamanttreiber erzeugt, eine Lebhaftigkeit, die dem Zuhörer beispielsweise erlaubt nachzuempfinden, wie ein Künstler einen Songabschnitt singt. Dies nahm beim Song "Your My Best Friend" von Queen gespenstische Züge an: Ab Sekunde 50 fühlt der achtsame Hörer deutlich durch den Druck der P-Laute von Freddy Mercury einen Luftzug im rechten Ohr, als fühle man den scharf ausgestossenen Atemzug der verstorbenen Rockikone. Doch nicht nur Freddy Mercury scheint der Vega wieder zum Leben zu erwecken.
Die Höhen sind die klassischen Schwachpunkte von dynamischen Ohrhörern. Der Vega schlägt sich auch hier vergleichsweise sehr wacker, dennoch vermisste ich hier beim direkten Vergleich mit dem Andromeda die stellaren Eindrücke, die mir dieser in den Höhenfrequenzen bescherte. Der Vega neigt, sollte man ein Silikonaufsatz verwenden und je nach Aufnahme, zu einer leichten Sibilanz, also zu einer unangenehmen Schärfe der Zischlaute um 7kHz. Durch die Verwendung von Schaumstoffaufsätze besteht diese Tendenz nicht mehr, jedoch verleihen diese dem schon starken Bass des Vega einen zusätzlichen Schub. Genau in diesem Dilemma habe ich versucht, dieses Biest, wie ich den Vega liebevoll nenne, zu zähmen.
Die Räumlichkeit des Vega ist für mich das dritte absolute Highlight. Die Klangbühne ist nicht so weit wie beim Andromeda. Anders als Letzterer besitzt der Vega aber eine Dreidimensionalität, die mich an einen 100 Quadratmeter grossen, rechteckigen Bandraum denken lässt, in dem man an der Position des Leadsängers steht. Dazu kommt, dass die Bildlichkeit des Vega punktgenau zu sein scheint. Das bedeutet, dass ich genau weiss, wo welches Instrument spielt. Dort, wo andere Ohrhörer nahe beieinander stehende Instrumente gerne vermischt darstellen, schafft der Vega das Kunststück, eine Trennung in der Tiefendimension herzustellen. Dies unterstützt zusätzlich den Eindruck der Lebhaftigkeit des Vega, und so ich werfe bei einer ausgedehnten Musiksession gerne spasseshalber geistige Tennisbälle in Richtung der räumlich klar getrennten und definierten Instrumente.