Hörtest im Zusammenspiel mit SACD 10 und 801 D4 Signature
Um ein solches Prachtexemplar von Verstärker auch nur ansatzweise beurteilen zu können, benötigt man adäquate Spielpartner. Als Quelle hatten wir denn auch den ebenfalls brandneuen Edelplayer SACD 10 von Marantz zur Verfügung. Dieser ist nach den gleichen, extrem hohen Standards konzipiert wie Model 10 und arbeitet mit einem neuen, eigens von Marantz entwickelten CD/SACD-Laufwerk. Der integrierte DAC ist derselbe wie im exklusiven Streamer Link 10. Er akzeptiert via Toslink (optisch/koaxial) auch externe Quellen mit einer Datenrate/Auflösung von bis zu 24-Bit/192-kHz und fungiert auf Wunsch als USB-DAC. Hier werden dann (laut Herstellerangaben) sogar 32-Bit und 384 kHz unterstützt sowie DSD256.
Überhaupt gibt der SACD 10 nicht nur CDs oder SACDs in superber Qualität wieder; via USB-Anschluss kann man auch HiRes-Musikfiles direkt ab einem USB-Datenträger wiedergeben. Die Titelsuche geschieht in diesem Fall über die Fernbedienung und via Display. So kann man recht schnell durch eine (überschaubare) Titelauswahl scrollen oder auch ein ganzes Album zur Wiedergabe anklicken. Für wirklich grosse Musiksammlungen auf USB-Datenträgern ist diese Art der Navigation dann doch zu umständlich. Aber für eine kleinere Auswahl funktioniert das nach kurzer Eingewöhnung recht gut. Der grosse Vorteil des USB-Anschlusses: Man kann darüber auch DSD-Files wiedergeben. Der DAC im SACD 10 setzt nämlich ganz auf dieses Format und rechnet FLAC- oder PCM-/WAV-Dateien erst auf DSD um, bevor sie wieder in analoge Musiksignale umgewandelt werden.
Wir machten die Probe aufs Exempel und hörten DSD-Downloads (im Format DSD128) vom skandinavischen Label 2L im Vergleich zu gestreamten 24-Bit-Version ab Qobuz (via Roon und Link 10) und durften der direkten DSD-Wiedergabe ab USB-Stick über den SACD 10 eine deutlich überlegene Feinzeichnung und bessere räumliche Transparenz konstatieren. Zum Testzeitpunkt war die Wiedergabe ab USB-Stick beim SACD 10 noch auf das Format DSD128 begrenzt. Bleibt zu hoffen, dass Marantz dies per Update auf DSD256 und DXD erweitert. Dann gewinnt man mit dem SACD 10 die Möglichkeit, Aufnahmen in Original-Referenzqualität wiederzugeben – und damit deutlich besser als via Streaming.
Punkto Disc-Wiedergabe ist der SACD 10 bereits jetzt das Mass aller Dinge. Schon der CD50n von Marantz hatte es vorgemacht: Die Compact Disc hat noch lange nicht ausgedient! Was der bezahlbare CD-Spieler aus den Silberscheiben zaubert, ist absolut beeindruckend. Und der SACD 10 setzt hier noch einiges drauf. Jedenfalls war es ein absolutes Vergnügen, Perlen aus der SACD-Sammlung des Autors (die schon lange nicht mehr im Einsatz waren) hervorzukramen und über diese Topanlage zu geniessen.
Als Abhörlautsprecher kam ein Paar 801 D4 von Bowers & Wilkins zum Einsatz, und zwar in der edlen Signature-Version. Diese unterscheidet sich von der Normalversion nicht nur durch ihr exquisites Gewand (wahlweise in Midnight Blue Metallic oder in California Burl Gloss-Holzfurnier). Die enorme Transparenz und Dynamik der «Standard»-801 D4 konnte durch ein Upgrade beim mechanischen Aufbau, bei der Frequenzweiche sowie der Konstruktion der Tieftöner hörbar gesteigert werden.
Noch mehr als bei der normalen 801 D4 verblüfft die Offenheit und direkte Ansprache in den Mitten, welche der famosen Continuum-Membran mit sickenloser Aufhängung und der biomimetischer Zentrierspinne zu verdanken ist. Diese tragen wesentlich zur unverfälschten, unglaublich präzisen Mittenwiedergabe dieses Schallwandlers bei. Auch im Hochtonbereich punktet die Signature mit einer nochmals gesteigerten Durchhörbarkeit, dies vor allem dank einer verbesserten Frequenzweiche und einem neu gestalteten, akustisch durchlässigeren Schutzgitter.
Das wohl deutlichste Upgrade findet sich im Bass: Die beiden 25-cm-Tieftöner verfügen über eine komplett neue Magnetkonstruktion, welche Verzerrungen vermindert und die Induktivität der Schwingspulen reduziert. Dies soll sich in einer noch vitaleren und dabei sauberen Tieftonwiedergabe auszahlen.
Und tatsächlich: Was der Marantz Model 10 hierbei aus diesen Ausnahme-Schallwandlern herausholte, war absolut referenzverdächtig. Druck bis in tiefste Lagen, gepaart mit einer mühelosen Konturiertheit der Wiedergabe; so kann man tieftonreiche Musik körperhaft sinnlich geniessen. Das Duo 801 D4 Signature & Model 10 kann ohne mit der Wimper zu zucken gewalttätige Pegel in den Hörraum pumpen. Noch viel mehr beeindruckt jedoch, dass diese Kombi bei zivilen Pegeln genauso livehaftig und druckvoll agiert.
Nach kurzem Aha-Erlebnis ob der schier endlosen Dynamik entdeckt der Musikliebhaber, dass 801 D4 Signature ein absolutes Gespür für die richtige Lautstärke besitzt. Und diese muss gar nicht so hoch sein, um ein sinnliches Musikerleben zu garantieren. Model 10 sorgt schon bei wohnraumgerechtem Hören für ein Fest der Sinne, ohne die Nachbarschaft über Gebühr in die Hörsession mit einzubeziehen. Diese Kombination ist ganz klar der Schönheit des Klangs verpflichtet. So beeindruckt die sonore Wiedergabe von Männerstimmen mit schönem Volumen. Frauenstimmen kommen dynamisch und eindringlich, jedoch ohne übertriebene Schärfe.
Vokalmusik jedweder Couleur ist ganz klar eine grosse Stärke dieser Kombination. Dazu passt die wohltemperierte Höhenwiedergabe ohne übertriebene Analytik. Die 801 D4 Signature klingt, von Model 10 angetrieben, niemals aufdringlich oder übertrieben hell; hingegen ausgesprochen filigran und feinsinnig, fast wie man es vom Zusammenspiel mit einem sehr guten Röhrenverstärker her kennt. Das Duo kreiert etwa bei barocker, von Originalinstrumenten intonierter Musik eine wunderbare Aura mit authentischen Klangfarben. Streicher erklingen straff, bestens umrissen, dennoch süffig und mit viel Schmelz.
Die räumliche Transparenz der Musikwiedergabe durch diese Kombination ist superb: Die Akustik einer Konzerthalle oder eines Aufnahmestudios wird bis in die Tiefe hinein ausgeleuchtet. Ein Live-Eindruck stellt sich so mühelos von alleine ein. Vordergründige Effekte sind dieser Kombi dabei fremd. Dennoch werden Einzelinstrumente oder -stimmen plastisch ins Rampenlicht gerückt. Man fühlt sich als Zuhörer dem musikalischen Geschehen sehr nahe und kann emotional daran teilnehmen. Auch ein Konzertflügel (Lang Langs «Mozart Album») wird authentisch und richtig grossartig in Szene gesetzt. Das besitzt Kraft, Spielfreude und Autorität. Superb!
Schliesslich musste die Kombination von Bowers & Wilkins 801 D4 Signature, Marantz Model 10 & SACD 10 noch den Nachweis erbringen, dass High-End-Audio der Topklasse auch bei Musikgenres wie hartem Soul-Rock bzw. akustischem Folk-Blues absolut seine Existenzberechtigung hat. So erklingt etwa Betty Lavettes umwerfendes neues Soul-/Bluesrock-Album «LaVette!» (erhältlich als CD, Vinyl, Download) mit einem Ausmass an Drive und Spielfreude, das mühelos unter die Haut geht und jegliche Distanz zum Zuhörer fast magisch überbrückt.
Ebenso emotional, aber mit feinsten Obertönen ertönt das neue Album «Wide Open Light» von Ben Harper, (wahlweise erhältlich als CD, Vinyl, Download) auf dem der Künstler anstelle harter Rockgitarrenriffs für einmal Blues- und Folk-Melodien traditioneller US-Südstaaten-Machart zum Besten gibt. Beide Alben werden von Model 10 und 801 D4 Signature farbenfroh mit wohlklingendem Bouquet und dennoch bestens definiert zum Besten gegeben – ein Musikerlebnis, das fast schon süchtig macht. Fazit: Pop und Rock beherrscht der Marantz aus dem Effeff.
Zu guter Letzt durfte Model 10 von Marantz (zumindest ansatzweise) auch noch zeigen, was sein Phono-Eingang draufhat. Wir hatten einen Plattenspieler TT-15S1 von Marantz zur Verfügung, der mit einer Phono-MM-Tonzelle (Clearaudio Virtuoso Ebony) bestückt war. Bereits mit diesem bezahlbaren Plattendreher (Preis: CHF 2400 inklusive Tonabnehmer) generiert Model 10 eine beeindruckende Dynamik mit anspringendem, vitalem Klang und tollen Klangfarben. Klare Erkenntnis hier: Vinyl lebt! Dabei darf man von Model 10 im Zusammenspiel mit teureren Moving-Coil-Tonabnehmer noch deutlich mehr erwarten (zumal der Phono-Eingang von Model 10 an sämtliche Varianten optimal anpassbar ist); aber die Schallplatten-Wiedergabe ab TT-15S1 bereitete schon sehr viel Freude.
Fazit
Natürlich möchten wir einen Vollverstärker dieser exklusiven Preisklasse auch nach unserem mehrstündigen Hörtest nicht abschliessend beurteilen. Was Model 10 von Marantz jedoch im Zusammenspiel mit den derzeit besten Lautsprechern von Bowers & Wilkins zum Besten gibt, macht schon mal klar, dass er zur absoluten Topklasse unter den aktuellen High-End-Vollverstärkern zählt. Verarbeitung, Ausstattung und Wiedergabegüte liegen auf einem gleichermassen exzellenten Niveau.
Der Verzicht auf ein Digitalboard mag den einen oder anderen Musikliebhaber schmerzen; mit seinem puristischen Konzept, welches sich ganz auf die analoge Ebene konzentriert, dürfte Model 10 aber selbst in zehn, zwanzig oder gar dreissig Jahren noch beeindrucken. Zumal auch ein äusserst hochwertiger und vielseitiger Phono-Eingang mit an Bord ist. Und wetten, dass Vinyl in einigen Jahrzehnten noch genauso aktuell sein wird? Wer weiss hingegen schon, wie die digitale Musikwiedergabe dann aussehen wird? Modell 10 von Marantz hat eindeutig das Zeug zum zukünftigen Klassiker.