Feinsinnig, emotional und überraschend bassstark
Definitiv nicht zur Arbeit artete der Hörtest der X2t aus. So viel Vergnügen hatte der Autor beim Anhören von Toplautsprechern schon lange nicht mehr. Die zierlichen Schallwandler von Raidho laden zu ausführlichen Hörsessions regelrecht ein und machen es einem schwer, schnell wieder davon Abschied zu nehmen. Wobei in unserem Fall die exklusive Wiedergabekette, bestehend aus der kompletten Classic-200-Serie von Naim, ihren Teil dazu beitrug, auf unwiderstehliche Weise in schwelgerisches Musikerleben einzuladen.
Zunächst setzten wir als Lautsprecherkabel das vergleichsweise preisgünstige SC RM230ST von Dali ein (Preis 2 x 3 m: CHF 549). In einem zweiten Schritt kamen die Referenzkabel «Super Lumina» von Naim (Preis 2 x 3 m: CHF 3299) zum Einsatz. Dieses exklusive Upgrade dankten die Raidho mit deutlich gesteigerter Klangtransparenz und noch druckvollerem, konturierterem Bass.
Soll man die X2t tonal charakterisieren, so fällt zunächst die Absenz irgendwelcher Frequenzbetonungen auf. Insbesondere verzichten die Dänen darauf, ihren famosen Bändchenhochtöner übermässig brillant in Szene zu setzen. Der Hochtonbereich ist perfekt in die Gesamtabstimmung eingebettet, ohne mit artifiziellen Glanzlichtern um Aufmerksamkeit zu heischen. Das hat dieser Lautsprecher auch gar nicht nötig: Die Mühelosigkeit, mit der er feinste Klangdetails ganz natürlich in Szene setzt, hat richtig Klasse und trägt enorm zum Langzeithörspass bei.
Obwohl die 2,5-Wege-Konstruktion ohne dedizierten Mitteltöner auskommt, ist auch in diesem Frequenzband punkto Transparenz und Durchhörbarkeit nichts auszusetzen. Auch hier gilt, dass auf übermässige Präsenz verzichtet wurde. Eine minimale Zurückhaltung in diesem Bereich verleiht den X2t eine ausgesprochen noble Note. Grund-, Mittel- und Hochtonbereich gehen so homogen ineinander über, dass man schon nach kurzem Anhören der X2t zur Erkenntnis gelangt: «Ja, genau so natürlich soll Musik erklingen».
Zunächst stellten wir die Raidho X2t wandnah auf. Dies in der Erwartung, dass sie Unterstützung durch die Raumakustik benötigen würde, um voll und erwachsen zu tönen. Es zeigte sich aber sehr schnell, dass eine solche Massnahme überhaupt nicht vonnöten war. Selbst bei gebührendem Wandabstand von bis zu mehr als 1 Meter klingen die Standboxen überhaupt nicht dünn oder gar verloren, sondern – für einen so zierlichen Schallwandler – überraschend vollwertig und ausdrucksstark. Schon nach relativ kurzer Einspielzeit (rund 50 Std.) zeigen die X2t eine absolut beeindruckende Performance im Bass, die selbst grösseren Lautsprechern gut anstehen würde. Raidho spezifiziert eine lineare Wiedergabe bis zu 40 Hz (-3 dB) – eine Aussage, die wir in unseren Hörtests subjektiv bestätigen können.
Die X2t haben keine Mühe, die tiefste Saite von einem E-Bass druckvoll wiederzugeben, und selbst ein gezupfter Jazzbass erklingt voll und mit viel Körper. Tatsächlich schaffen es die X2t sogar, tiefe Töne beim Zuhörer körperlich spürbar zu machen. Druck und Konturiertheit im Bass sind schlicht phänomenal, und man fragt sich, wie die Dänen die Grenzen der Physik bei den beiden 13,5-cm-Tieftönern überlisten konnten.
Die Tantalum-beschichteten Membranen kommen selbst bei sehr hohen Basspegeln nicht ans Limit. Bzw. konnten und wollten wir diese im vorliegenden mittelgrossen Hörraum gar nicht ausloten. Mag sein, dass die X2t in sehr grossen Räumen an ihre Grenzen stossen. Aber für einen solchen Fall gibt es ja immer noch die Unterstützung durch gute Aktivsubwoofer. Im Normalfall haben die Raidho eine solche aber definitiv nicht nötig.
Den prinzipbedingten Vorteil ihrer Bauweise – superschmale Schallwand und 2,5-Wege-Prinzip – führen die X2t auf überzeugende Weise ins Feld, wenn es um die räumliche Abbildung und dreidimensionale Ausbreitung des Klanggeschehens im Hörraum geht. Dieses löst sich dermassen gut von den Lautsprechern, dass Letztere beim Musikhören mit geschlossen Augen virtuell fast schon aus der Wahrnehmung verschwinden.
Die Raidho schaffen eine intime Nähe der musikalischen Präsentation ohne übertriebene Abbildungsschärfe und kreieren eine weiträumige holografische Klangbühne mit ausgeprägter Tiefenstaffelung. Diese Tugend ist definitiv eine der wichtigsten Voraussetzungen für ungetrübten Musikgenuss. Damit avancieren komplexe musikalische Ereignisse wie etwa Opern fast schon zum Live-Erlebnis. Auch hierbei überraschen die X2t mit toller Fein- und Grobdynamik sowie einem dramatischen Ausdruck, dem man so zierlichen Schallwandlern auf Anhieb eigentlich gar nicht zutrauen würde. Auch sehr laut gehört, klingen sie niemals angestrengt.
Bei klassischer Musik – insbesondere Vokalmusik und auch Streicher – sind die X2t voll in ihrem Element und generieren wunderbare Klangfarben mit feinsten Obertönen. Dies hat zweifelsfrei einen hohen Suchtfaktor – so auch bei der Wiedergabe der legendären Aufnahme von Orgelmusik und Kirchengesang: «Cantate Domino». Wiederum haben die Raidho keine Mühe, die grossartige Kirchenakustik adäquat in Szene zu setzen. Diese inzwischen historische Aufnahme erwacht so auf unnachahmliche Weise zu neuem Leben.
Absolut beeindruckend auch die Performance bei Lang Langs «Mozart Album» (Klavierkonzert Nr. 24 in C-Moll): Schon die Ouvertüre klingt dramatisch und spannend, richtig reichhaltig. Kommt dann Lang Langs charakteristisches Klavierspiel hinzu, so kann man sich der Darbietung emotional endgültig nicht mehr entziehen. Die Raidho schaffen das Kunststück, diese grossartige Musik ohne Minimierung des riesigen orchestralen Klangkörpers authentisch in den Hörraum zu transferieren. Eine tolle Aufnahme (24 Bit/96 kHz), toll wiedergegeben.
Wer nun denkt, diese audiophilen Lautsprecher aus Dänemark eigneten sich vorzugsweise für klassische Musik, sollte sich einmal Candice Springs «Devil May Care» aus ihrem tollen Album «The Women Who Raised Me» anhören: Schon das Jazzbass-Intro sorgt für offene Münder. Kommen noch Jazzgesang, Piano und Schlagzeug hinzu, bleibt nicht nur bei Jazzliebhabern definitiv kein Auge trocken.
Mit ihren tollen dynamischen Fähigkeiten und der ebenso druckvollen wie tiefreichenden Basswiedergabe sind die Raidho X2t auch bei anspruchsvoller Unterhaltungsmusik jeglicher Couleur niemals überfordert, sondern beeindrucken mit ausgeprägter Spielfreude und ungezügeltem Temperament.
Fazit
Herrlich dynamisch über das gesamte Frequenzspektrum, dabei überraschend tiefreichend und druckvoll im Bass: Die superb designten und toll verarbeiteten Raidho X2t sprengen scheinbar mühelos die physikalischen Grenzen solch zierlicher Standlautsprecher. Die ausgeprägte Feinzeichnung und die überragende räumliche Abbildung charakterisieren die X2t als audiophiles Highlight, welches ganz gross aufspielt und jegliche Klangkörper oder musikalische Ereignisse authentisch in Szene setzt.