Technik, Tragekomfort und Hörtest

Der getestete Focal Clear MG besitzt zwei leistungsstarke, lineare 40-mm-Full-Range-Magnesiumtreiber. Focal gibt einen Frequenzgang von sagenhaften 5 Hz bis 28’000 Hz an, imposant!

Der High-End-Treiber in einer Explosionsdarstellung. In der Mitte die milchige Magnesium-Membran, rechts davon die Schwingspule und dahinter der Antriebsmagnet.

Mit 55 Ohm stellt der Clear MG keine hohen Anforderungen an den Verstärker und kann sogar von einem portablen Player angetrieben werden.

Der Tragekomfort des Focal Clear MG

Die Anmutung sowie die Materialauswahl von Focal für den Clear MG ist absolut vom Feinsten. Der Kopfhörer ist definitiv auch in puncto Material ein Ohr-Schmeichler. Trotzdem machen sich die 450 Gramm nach einiger Tragezeit bemerkbar – aber man kann ja Pausen einlegen.

Die Kopfhörer sind individuell auf die Kopfgrösse anpassbar, sodass auch ich mit meinem grossen Kopf eine bequeme Einstellung fand. Die Muscheln sind ebenfalls gross genug und sollten 99 % aller Ohren bequem umschliessen können.

Die Seitenansicht mit dem asymmetrischen «Schnecken-Design».

Hörtest

Bevor ich auf das Klangbild eingehe, noch einige Vorbemerkungen:

Frisch aus dem Karton muss der Clear MG ähnlich wie ein Lautsprecher eingespielt werden. Focal empfiehlt hier 24 Stunden, am besten bei relativ hoher Lautstärke und basskräftigem Musik-Material. Die 24 Stunden sind wohl eher eine Mindest-Anforderung. Wir empfehlen eher 500 Stunden, bis dieser High-End-Kopfhörer 95 % seiner Qualitäten liefern kann. Das generelle Steigerungspotenzial bei Kopfhörern ist aber nie im Bereich von Lautsprechern, wo uneingespielte Lautsprecher in den ersten paar Stunden teilweise kaum geniessbar sind. Wie bei einem guten Wein brauchen auch dynamische Treiber erfahrungsgemäss einiges an Zeit, um ihr Potenzial vollends auszuschöpfen.

Als Musikquelle diente mir der aktuell im Testbetrieb befindliche RME-ADI-2 DAC, der von vielen Kopfhörertestern als Referenz-Kopfhörerverstärker genutzt wird. Quervergleiche mit anderen Kopfhörerquellen haben auch mir die Qualität des Kopfhörerausgangs des RME-ADI-2 bestätigt. Die Testmusik wurde von der Qobuz-Plattform gestreamt.

Eine tolle Kombination: RME ADI 2 DAC & Focal Clear MG.

Die offene Bauweise des Focal Clear MG fand ich persönlich als sehr angenehm, da ich nicht gerne komplett von meiner Umgebung abgeschirmt bin. In einer ruhigen Umgebung hören aber Personen im nahen Umfeld des Clear MG sehr gut, was im Kopfhörer abgeht. Er taugt also nicht für Musikfans, die nachts im ruhigen Schlafzimmer ein Rock-Konzert in Originallautstärke abfeuern wollen, ohne dabei den Partner zu stören. Auch als Studio-Kopfhörer taugt er wohl nur bedingt.

Also, los geht der Hör-Parcours durch meine Test-Playlist. Was sofort auffällt, ist die Bruchlosigkeit des Focal Clear MG. Die Musik kommt wie aus einem Guss, vom Bass-Keller bis zu den höchsten Klang-Sphären. Marcus Millers Bassgitarre ist für mich immer wieder ein Prüfstein für den Bass – und der Clear MG besteht die Bass-Prüfung mit Bravour. Schnell, präzise und so tief wie nötig – vorbildlich.

Die hochaufgelösten Mitten bringt der Franzose klar. Nichts ist behäbig oder gar gemütlich – einfach neutral – in bester Schweizer Manier. Die Jazz-Posaune von Nils Landgren hat den nötigen Biss, dieses Metallische, fast schon Dreckige der Posaune kommt perfekt rüber, das ist einfach très bien! Speziell Spass macht mit dem Focal Clear «Elektro»-Sound vom Schlage Yello – ganz grosses Elektro-Kino. Dazu kommt eine Pegelfestigkeit, bei der meine Ohren vor dem Clear MG an ihr Limit kommen.

Spannend ist auch zu hören, was der Clear MG mit qualitativ schlechten Aufnahmen macht. Der klangliche Unterschied zu guten Aufnahmen ist natürlich klar hörbar, aber er wertet schlechte Aufnahmen fast schon mirakulös auf. Wo andere vielleicht gnadenlos abstrafen würden, holt er das Beste auch aus schlechten Aufnahmen heraus. Chapeau!

Fazit

Mit dem Clear MG hat Focal einen tollen, absolut allroundtauglichen Spitzen-Over-Ear-Kopfhörer der Kategorie «Offen-dynamisch» im Sortiment. Er ist toll verarbeitet und hochwertig konstruiert, dazu ist er noch ein Eye-Catcher. Wer wirklich noch mehr Klang will, muss ganz sicher viel tiefer ins Portemonnaie greifen. Elektrostaten-Fans werden mit dem Clear MG wohl nicht ganz glücklich werden, dafür werden die Dynamik-Fans umso glücklicher mit ihm.