Drücken, Wischen und Drehen
Wie? Nur ein Einstellrad an der Kamera? Etwas verdutzt nehme ich die Kamera in Empfang. Wie soll man damit vernünftig arbeiten? Ich habe die weisse Variante erhalten, um die mich schon bald die Kollegen beneiden. Sie wirkt tatsächlich mit ihren silbernen Knöpfen und dem anthrazitfarbigen Objektiv edler als die schwarze Ausführung, die mehr «auf Plastik» macht.
Doch viel wichtiger ist die Bedienung. Für normale Hände ist die Canon M50 gerade noch fest und sicher zu halten, grössere Pranken werden vor allem mit den kleinen Tasten und Touch-Symbolen auf dem Display Mühe haben. Für einen besseren Halt wurden der Handgriff vorne und die Daumenauflage hinten aufgeraut, es fühlt sich an wie eine Art «Kunststoff-Belederung». Diese hebt sich auch farblich vom Gehäuse ab und sieht beim weissen Modell schon richtig elegant aus, finde ich.
Nach der Canon EOS M5 ist die M50 die zweite spiegellose APS-C-Kamera mit eingebautem elektronischem Sucher. Die 2,36 Millionen Bildpunkte bieten eine gute, wenn auch nur durchschnittliche Auflösung. Dennoch ist der Sucher draussen Gold wert, besonders unter der hellen Sonne Marokkos.
Zudem lassen sich im Gegensatz zu einem optischen Sucher Hilfsfunktionen wie Lupe oder Peaking und Belichtungs- oder Weissabgleichs-Korrekturen in Echtzeit anzeigen. In der Sonne lässt sich zudem ein aufgenommenes Bild viel sicherer im Sucher überprüfen als im spiegelnden Display.
Zwischen Sucher und Display schaltet ein Augensensor automatisch um. Das nicht nur nach oben und unten, sondern auch seitlich ausschwenkbare Touch-Display der EOS M50 ist einzigartig in der spiegellosen APS-C-Klasse.
Das Display hat eine Auflösung von 1,04 Millionen Bildpunkten und weist den Benutzer nach dem ersten Einschalten durch Menüanzeigen und Modi-Beschreibungen mit Bildbeispielen den Weg zu Foto und Video. Dieser Einsteiger-Modus lässt sich natürlich abschalten. Jeder Canon-Fotograf wird sich sofort zurechtfinden, denn Menüsystem und Bedienungsphilosophie aus früheren Modellen wurden beibehalten.
Canon-Neulinge und Umsteiger sind zu Beginn mit der automatischen Motiverkennung (grünes A+-Symbol) oder dem Hybrid-Automodus gut bedient. Die M50 erstellt dann vollautomatische Aufnahmen. Im Hybrid-Modus werden zusätzlich vor jedem Foto 2 bis 4 Sekunden dauernde Videoclips der Szene aufgenommen, die später zusammengefasst in ein Filmtagebuch eingebaut werden.
Mit einem Dreh weiter am Wählrad stehen bei «SCN» verschiedene typische Aufnahme-Situationen bereit, zu denen die Kamera optimierte Belichtungs-Einstellungen liefert. Interessant ist hier der «leise Modus» für geräuschloses Fotografieren. Leider lassen sich dabei keine Blendenwerte oder Verschlusszeiten anpassen, auch der ISO-Wert ist auf «Auto» fixiert.
In der A+-Einstellung steht auch ein Kreativassistent zur Verfügung, der einem nach Druck auf die SET-Taste hilft, Hintergrundunschärfe, Helligkeit, Sättigung oder andere Optionen auf einfachste Weise einzustellen. Eigene bevorzugte Effekten können als Presets gespeichert und jederzeit wieder abgerufen werden.
Mit Kreativfiltern wie Aquarell, Spielzeugkamera, Miniatur oder vier HDR-Varianten darf man seinen Spieltrieb ausleben. Zehn Filter – die meisten noch zusätzlich anpassbar – stehen zur Verfügung.
Fortgeschrittene und Profis werden die EOS M50 manuell über die bekannten Belichtungsprogramme P, Tv, Av und M bedienen. Die Info-Taste bietet einen Übersichts-Bildschirm für schnelle Einstellungen und ermöglicht den komfortablen Zugriff auf eine Vielzahl von Aufnahme-Parametern.
Diese reichen von Belichtung, Bracketing, ISO-Werten, Weissabgleich, Tonwert Priorität, automatischer Belichtungsoptimierung über Bildstil-Auswahl und -Anpassung bis hin zur Rauschreduzierung und Objektivkorrektur. Genaueres erfährt man in der über 300 Seiten starken Bedienungsanleitung, die von der Canon-Webseite im PDF-Format herunterladbar ist.
Die M50 lässt sich als Einsteiger-Kamera in erstaunlich vielfältiger Weise personalisieren. Neben der Funktionstaste «M-Fn» lassen sich auch dem Auslöser, den Cursor-, AE-Lock- und Movie-Tasten andere Funktionen als die ab Werk vorbelegten zuweisen.
Wem dies nicht reicht, darf seine oft aufgerufenen Menüpunkte im eigenen Register «MyMenu» zusammenstellen. Schliesslich lassen sich auch noch die Daten anpassen, die beim Drücken der Info-Taste angezeigt werden.
Hat man den Aufnahme-Modus am Wählrad bestimmt, kann die M50 entweder über die Tasten und das einzige Einstellrad, oder komplett über den Touchscreen oder mit einer Kombination aus beidem bedient werden. Dies gilt für die Aufnahmeeinstellungen ebenso wie für die Auswahlen im Menü.
Anfangs war ich etwas skeptisch über diese Art der Kamerabedienung, doch mit der Zeit zeigte sie ihre Vorteile, wird damit doch den unterschiedlichen Einstell-Vorlieben des jeweiligen Benutzers Rechnung getragen.
So habe ich zum Beispiel mit der Set-Taste den Schnelleinstellungs-Bildschirm aufgerufen, dann drauf getippt und die Werte übers Einstellrad angepasst. An Stelle des Einstellrads hätte ich sie auch am Bildschirm direkt hin- und herschieben können.
Im manuellen Belichtungsmodus «M» war ich hingegen beim Umschalten zwischen Verschlusszeit und Blendenwert schneller durch Drücken der Cursortaste nach oben statt aufs Symbol am Bildschirm zu tippen.
Gut funktionierte auch das Verschieben des AF-Feldes per Wischen über den Bildschirm, während man gleichzeitig durch den Sucher schaut. Ein Foto aufnehmen durch einen Fingertipp auf den Bildschirm ist ebenso möglich.
Einzig die kleine Stern-Taste, typisch bei Canon für die Belichtungs-Speicherung, befand sich für mich zu nahe an der Daumenauflage. Unbeabsichtigt hatte ich sie einige Male berührt und mich gewundert, wieso sich die Blende nicht mehr anpasst und das Bild überbelichtet bleibt. Schliesslich habe ich sie im Menü gegen eine «ungefährlichere» Funktion umprogrammiert.
Fokusfelder und Serienbilder
Mit dem Dual-Pixel-CMOS-AF arbeitet in der M50 das aktuellste und eines der zuverlässigsten Scharfstell-Systeme von Canon. Das automatische Fokussieren erfolgt schnell und präzise beim Fotografieren wie beim Videofilmen. Bei Letzterem leider nur bis Full-HD-Qualität. Und das ist ausgesprochen schade und für viele Youtuber wohl das Hauptargument, sich keine M50 anzuschaffen. Wo Canon doch gerade die 4K/UHD-Video-Möglichkeit der M50 so lautstark anpreist.
Immerhin ist bei der M50 das etwas «zähe» Scharfstellen älterer M-Kameras nicht mehr wahrnehmbar. Mit 143 Fokusfeldern besitzt sie zudem 94 Felder mehr als die M5. Im Einzelbild-Modus ist bei der Gesichtserkennung neu auch eine Augenerkennung hinzugekommen.
Beim manuellen Scharfstellen hilft einem die Kamera durch Vergrössern der Anzeige und Hervorheben der Kanten. Farbe und Empfindlichkeit dieses MF-Peakings lassen sich einstellen. Ebenfalls möglich ist eine manuelle Feinkorrektur der Autofokus-Position.
Die Geschwindigkeit für Serienaufnahmen hat sich gegenüber der M5 nur um ein Bild von neun auf zehn Bilder pro Sekunde erhöht. Und dies auch nur bei Einzel-AF. In höchster Bildqualität werden dabei bis maximal 33 JPEG-Dateien hintereinander gespeichert. Im Raw-Format ist bereits nach 10 Aufnahmen Schluss. Die EOS M50 ist also alles andere als eine Sportskanone.
Kleinigkeit an Rande: Es gab keine unbeabsichtigte Dioptrie-Verstellung am Sucher, wenn die Kamera verstaut und wieder aus der Tasche geholt wurde. Hier habe ich schon anderes erlebt und war dann jeweils erstaunt, wieso das Sucherbild plötzlich so unscharf ist.