Die Hornmanufaktur vermittelt als Hersteller von traditionell, konservativ geprägten Lautsprechern diese eigenwillig «heimelig» anmutende Wertewelt, wie sie nur von alpenländischem Holzhandwerk, quasi vom Vater zum Sohn weitergegeben und überzeugend vermittelt werden kann. Dazu kommt die Einsicht des Lautsprecher-bauenden Musikliebhabers, der, einst einsam aus alpiner Höhe in die Ferne blickend, zur erleuchtenden Erkenntnis kam, dass es mit dem am Markt Verfügbaren und Kostspieligem nicht weit her ist und dass es für Musikwiedergabe bessere Konzepte gibt: Solche, die mehr den Musikinstrumenten selbst ähneln. Diese Erzählung ist Fiktion. Sie versucht den Habitus der typischen alpenländischen Audio-Manufaktur zu beschreiben.
Es gibt einige, auf die diese Beschreibung zutreffen könnte. Die Hornmanufaktur gehört dazu. Sie wirkt als Hersteller und Marke weder einzigartig noch austauschbar, sondern vielmehr getrieben von einer Passion, die sich in verborgenen Werten äussert, die es zu ergründen gilt und die aus der liebevoll persönlichen Beschreibung des Produkts Kalypso herauszulesen ist. Die Beschreibung umfasst alles Wissenswerte und unterscheidet sich von Technologie-zentrierten «Aufsätzen» vieler anderer Hersteller wohltuend durch ihre Verständlichkeit. Die Hornmanufaktur präsentiert sechs verschiedene Modelle von Hornlautsprechern. Sie sind alle mit einem Vollbereichs-Treiber (oder im einschlägigen Volksmund «Breitbänder») und mit einem Supertweeter für die höchsten Frequenzanteile ausgerüstet.
Konstruktion der Kalypso
Das Breitbandprinzip überzeugt – zumindest theoretisch – durch seine Einfachheit. Die Defizite des Breitbandtreibers werden im Bassbereich durch eine akustische Schallverstärkung, genannt «Horn», ausgebügelt und im oberen Hochtonbereich durch einen Superhochtöner. Der Breitbänder blendet sich am oberen Ende seines Spektrums zumeist gemütlich selbst aus, weil das System dort zu träge wird. Er verabschiedet sich einfach geräuschlos von der Klangbühne. Der Supertweeter ist einfach anzukoppeln. Ein möglichst hochwertiger Kondensator reicht in diesen Sphären für ein simples Hochpassfilter.
Der ganz grosse Vorteil des Breitbandprinzips ist die direkte Kopplung eines einzelnen Schallwandlers mit der Endstufe ohne Filterung. Die kapazitive Ankopplung des Supertweeters hat keinen Einfluss. Dynamikverluste sind auszuschliessen, abgesehen von Begrenzungen, die vom Schallwandler/Treiber ausgehen. Die Realität solcher Lautsprecher ist etwas komplexer: Breitbänder sind selten verfärbungsfrei. Supertweeter können nerven, wirken gerne desintegriert und Basshörner brauchen viel Platz.
Die Kalypso braucht aber nicht viel Platz. Sie soll sich demütig im Raum einfügen können – akustisch und auch optisch. Letzteres kann man anhand der Bilder selbst beurteilen. Ich empfinde die Kalypso als spannenden Hingucker, nicht zu übersehen, aber auch nicht aufdringlich. Die Verarbeitung ist fantastisch: Man muss das Holz einfach anfassen, streicheln, man kommt nicht darum herum. Die zuständige Tischlerei beherrscht ihr Handwerk.
Das Horn ist ein Hybrid von Horn und Bassreflexsystem. Die Austrittsöffnung des Horns (Hornmund genannt) ist gegen hinten geöffnet und bezieht den Raum, der selber zum Horn wird, mit ein. Die Wände verlängern die Hornkontur und erhöhen den Schalldruck im Bassbereich. Im Testraum brachte eine Aufstellung nahe der Rückwand (vom Lautsprecher aus gesehen) sehr gute Resultate. Die Idee ist eigentlich bestechend: Hörräume sind überwiegend nicht so gross und Lautsprecher werden auch aus wohnlichen Gründen gerne an den Wänden platziert. Das Funktionsprinzip bringt bei dieser häufig gesehenen Aufstellung Vorteile.
Der Supertweeter strahlt an die Decke ab und seine 360°-Schallausbreitung wird mit einem Diffusorkegel sichergestellt bzw. verstärkt. Auch hier hat eine wandnahe Platzierung der Lautsprecher Einfluss auf die Lautstärke dieses Hochtonbereichs. Ich war gespannt, ob sich das mit der Aufstellung realisierbare Tuning des Bassbereichs und des Super-Hochton-Bereichs ergänzen würde.
Sowohl der Bass-Mitteltöner als auch der Ringradiator-Supertweeter sind nicht zugänglich. Die Stoffabdeckungen sind nicht abnehmbar, was dem Design der Kalypso guttut. Die Absicht des Herstellers ist einfach zu ergründen: Der Bass-Mitteltöner hat im Zentrum einen für die Performance massgebenden Phase-Plug und keine Staubkappe. Mit der Zeit könnte Staub in den Luftspalt zwischen Schwingspule und Magnetsystem eindringen. Mit einer fixen Abdeckung wird das verhindert und der Musikhörer gerät gar nicht in Versuchung, die Abdeckung abzunehmen. Ähnlich beim Supertweeter: Die horizontale Anordnung würde das Verstauben begünstigen.
Über die Herkunft der «verborgenen» Lautsprechertreiber wird auch kein Staat gemacht. Warum? Es spielt keine Rolle, wer die Treiber herstellt. Die Kenntnis der Hersteller führt oft zu falschen Schlüssen und Vorurteilen bei den Anwendern. Der Bassmitteltöner – so viel sei gesagt – wird von einer Manufaktur in England hergestellt. Sie verwendet den Treiber für eigene Lautsprecher. Hornmanufaktur ist der einzige Hersteller, der denselben Treiber verwendet.
Der Treiber war denn auch – wie so oft – Ausgangspunkt der Entwicklung, die laut Gerald Hüpfel sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Und doch wollte er sich nicht geschlagen geben, dem aussergewönlichen Treiber mit Aluminium-Membrane ein Gehäuse hinzuformen, welches zu einem unverwechselbar musikalischen Gesamtresultat führen soll. Das Gehäuse besteht aus mehreren Schichten Sperrholz, die Front ist 42 mm stark und ist innen mit Bitumenplatten verkleidet. Die Innenverkabelung verläuft von den Polklemmen direkt zum Breitbänder und zum Supertweeter mit seinem Kondensator/Hochpassfilter. Es werden starre Leiter (1 mm2 Querschnitt) aus höchstwertigem Kupfer verwendet.