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Publikationsdatum
29. März 2002
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Die US-Musikindustrie drängt die US-Technologiekonzerne zunehmend, einen wirksamen Kopierschutz für digitale Musik-, Film- und TV-Produkte zu entwickeln. Der Schlagabtausch zwischen Vertretern der beiden vermutlich bekanntesten US-Industriezweige wird immer heftiger, berichtet die "New York Times". Hollywood wirft Unternehmen wie Microsoft, Apple, Dell und Intel vor, an der Entwicklung eines effektiven Kopierschutzes aus eigennützigen Gründen nicht interessiert zu sein. Silicon Valley kontert, für die Probleme einer Industrie und ihres veralteten Businessmodells vor dem Hintergrund eines neuen technologischen Umfeldes nicht verantwortlich zu sein.

Beide Industrien betreiben massives Lobbying in Washington, das begonnen hat, sich mit der Materie auseinander zu setzen. Michael D. Eisner, CEO von Disney, warf den Technologieunternehmen bei einem Hearing des Senats vor, sie hätten versagt, adäquate Sicherheitssysteme zu entwickeln, weil digitale Piraterie ihren Absatz begünstigt. Dem konterte ein verärgerter Andrew S. Grove, Chairman von Intel, in einem Interview: "Ist es die Verantwortung der gesamten Welt, eine Industrie und ihr veraltetes Geschäftsmodell in einer strategischen Herausforderung zu beschützen?" Hollywood sei vielmehr aufgerufen, die neuen technischen Realitäten zu akzeptieren und seine Produkte so anzubieten, wie die Kunden sie haben wollen. Das könnte auch bedeuten geringere Profite in Kauf zu nehmen, die durch eine Erweiterung des Marktes kompensiert werden. News Corp-Präsident Peter Chernin meinte dazu, wenn die Entertainmentindustrie ihr Businessmodell ändert, werde "der Verlierer die Öffentlichkeit sein."

Aus der Sicht von Silicon Valley ist der Wunsch Hollywoods nach einem 100-prozentigen Kopierschutz schlicht nicht erfüllbar. Außerdem käme es einer Forderung an die Autoindustrie gleich, nur Wagen zu bauen, die das Tempolimit nicht überschreiten können. Dieser Metapher antwortet Hollywood ebenso bildlich: Würde es eine Möglichkeit geben, Tankstellen illegal anzuzapfen, wäre es ein Riesenskandal. Niemand würde der Ölindustrie ein neues Businessmodell empfehlen.

Hollywood und die US-Musikindustrie unter der Führung der RIAA verlangen schon seit dem Aufkommen von Online-Tauschbörsen im Internet bessere Technologien zum Schutz ihrer Produkte vor illegalen Kopien. Dem Entertainment Business schwebt dabei ein digitales Wasserzeichen vor. Jedes Produkt, Song, Film oder Video, soll – unsichtbar für den Konsumenten – damit versehen werden. Abspielgeräte wie CD-, Video- oder MP3-Player sollen eine Wiedergabe illegaler Raubkopien ohne Wasserzeichen verweigern. Das würde eine Umrüstung für sämtliche Geräte der Unterhaltungselektronik bedeuten (Camcorder müssten z.B. Heimvideos mit einem Wasserzeichen versehen). Die Technologiekonzerne sehen darin eine schlechte Tendenz für ihre Produkte. Außerdem würde eine derartige Maßnahme aus der Sicht des Silicon Valley Innovationen bremsen.