Weil unzählige Konzerte abgesagt oder verschoben werden mussten, haben auch Musiker und ihre Mitarbeitenden enorme Umsatzeinbussen. Und schliesslich müssen auch Musikfans unter der aktuellen Situation leiden, da sie ihre liebsten Künstler nicht live auf der Bühne erleben können. Da aber nun mal das Coronavirus die ganze Welt im Griff hat, müssen sich Musikliebhaber derzeit mit Live-Aufnahmen begnügen. Glücklicherweise haben zahlreiche Künstler im Laufe ihrer Karriere Mitschnitte ihrer Konzerte auf den Markt gebracht.
Die Liste der am besten verkauften Live-Alben aller Zeiten führt ein Tonträger an, mit dem wohl nicht unbedingt zu rechnen ist. Es handelt sich um «Double Live» vom Country-Sänger Garth Brooks. Veröffentlicht wurde das Album im November 1998, darauf zu hören sind Aufnahmen von Brooks’ Welttournee, die von 1996 bis 1998 dauerte. Laut dem Guinness-Buch der Rekorde verkaufte sich die Langspielplatte allein in den Vereinigten Staaten über 29 Millionen Mal. Einen bleibenden Eindruck in der weltweiten Musikszene hat die Veröffentlichung jedoch eher nicht hinterlassen.
Ganz anders sieht dies mit dem Album «At Folsom Prison» aus, das Johnny Cash 1968 herausbrachte. Es enthält die Aufnahme eines Auftritts, den Cash im Januar 1968 im Folsom State Prison in Kalifornien absolvierte. Sein Publikum bestand dabei aus den Insassen und den Wärtern des Gefängnisses. Cash hatte schon 1955 den Song «Folsom Prison Blues» veröffentlicht und sich seitdem mit der Idee getragen, ein Konzert in einem Gefängnis zu geben. Selbstverständlich zählt «Folsom Prison Blues» auch zu den Liedern, die auf «At Folsom Prison» enthalten sind. Cash trat übrigens noch dreimal in seiner Karriere in Gefängnissen auf und veröffentlichte die Shows später: 1968 im San Quentin State Prison («At San Quentin»), 1972 in der Anstalten Österåker in Schweden («På Österåker») und 1976 im Tennessee State Prison («A Concert Behind Prison Walls»).
Ein eher ungewöhnliches Live-Album brachten auch Metallica im Jahr 1999 heraus. Es trug den Titel «S&M», was die Kurzform für «Symphony and Metallica» ist und ziemlich präzise beschreibt, was darauf enthalten ist. Die Heavy-Metal-Band tat sich nämlich mit dem San Francisco Symphony Orchestra zusammen und spielte im April 1999 zwei Konzerte mit ihm. Der Komponist Michael Kamen schrieb die orchestrale Begleitung der Metallica-Songs. Darin hatte er durchaus Erfahrung, war er doch schon 1991 für die Orchesteraufnahmen für den Song «Nothing Else Matters» verantwortlich. Bei den «S&M»-Auftritten stand Kamen zudem als Dirigent vom San Francisco Symphony Orchestra auf der Bühne.
Die Aufnahmen beeindrucken durch das aussergewöhnliche Zusammenspiel von Metal-Klängen mit Orchester-Arrangements. Während Metallica hauptsächlich bereits existierendes Material bearbeiten, entstanden für die Konzerte auch die beiden neuen Songs «No Leaf Clover» und «-Human». Das Album erreichte in Deutschland, Australien und Schweden den Spitzenplatz der Charts, in den USA landete es auf Rang 2. Der grosse Erfolg von «S&M» veranlasste Metallica dazu, ein zweites Album ähnlicher Machart aufzunehmen: «S&M2» erschien im August 2020.
Vom legendären Woodstock-Festival, das im August 1969 stattfand, gibt es selbstverständlich Tonaufnahmen, die in den Folgejahren veröffentlicht wurden. Den Anfang machte das Album «Woodstock: Music from the Original Soundtrack and More», das 1970 erschien. Darauf sind einzelne Songs aus den Auftritten von Künstlern wie Canned Heat, Joan Baez, Santana, Joe Cocker und The Who enthalten. 1971 folgte die Langspielplatte «Woodstock 2», zudem wurden die Auftritte einzelner Künstler später als separate Alben herausgebracht.
Eine interessante Art von Konzerten sind Unplugged-Auftritte, bei denen die Künstler ihre Songs ohne elektrische Instrumente und Verstärker spielen. Populär wurde diese Form der musikalischen Darbietung durch die Reihe MTV Unplugged, die der Musiksender MTV im Jahr 1989 ins Leben rief. Bei den MTV Video Music Awards 1989 gaben Bon Jovi zwei Songs zum Besten, indem sie lediglich zwei Akustikgitarren verwendeten. Aufgrund der äusserst positiven Resonanz auf den Auftritt veranstaltete MTV fortan regelmässig Unplugged-Konzerte. Das erste absolvierte die Band Squeeze im November 1989.
Als erster Musiker veröffentlichte Paul McCartney 1991 seinen Auftritt bei MTV Unplugged als Album. Es folgten zahlreiche weitere Tonträger der Reihe. Zum grössten Verkaufsschlager wurde «Unplugged» von Eric Clapton aus dem Jahr 1992, das sich über 26 Millionen Mal verkaufte. Damit ist das Album der grösste kommerzielle Erfolg in Claptons Karriere. Für viel Aufsehen sorgte auch der Auftritt von Nirvana im Jahr 1993, der unter dem Titel «MTV Unplugged in New York» veröffentlicht wurde. Obwohl die Band entschied, auf Hits wie «Smells Like Teen Spirit» zu verzichten, stieg das Album in den USA und Grossbritannien auf den 1. Platz der Charts.
Schweizer Künstler hatten leider bislang noch nicht das Vergnügen, ein MTV-Unplugged-Konzert aufzunehmen. Einigen Musikern aus dem deutschsprachigen Raum wurde diese Ehre jedoch zuteil. So trat schon 1994 Herbert Grönemeyer im Rahmen der Reihe auf. Damit war er zudem der erste Künstler bei MTV Unplugged, der kein englischer Muttersprachler war. Es dauerte bis zum Jahr 2000, bis mit den Fantastischen Vier erneut ein deutscher Act unplugged spielte. Gefolgt wurden sie unter anderem von Die Ärzte (2002), Sido (2010), Udo Lindenberg (2011) und Max Raabe (2019).
Wenn die Corona-Krise überstanden ist, dürfen sich Musik-Fans wieder auf Live-Auftritte ihrer Stars freuen. Dann können sie auch wieder Schnappschüsse von den Musikern auf der Bühne oder Backstage machen. Die Bilder lassen sich auch perfekt als Grusskarten bestellen und an Freunde verschicken, die das Konzerterlebnis verpasst haben.