In my opinion Victor Feldman was one of the most underestimated musicians ever born (Lawrence Woolf).
Er galt als musikalisches Wunderkind: 1941 titelte der «Daily Herald»: «Our 7-year-old Krupa goes to town» in Anlehnung an den damals als sensationellsten Drummer geltenden Gene Krupa. Zusammen mit seinen Brüdern trat Victor zwischen 1941 und 1947 in verschiedenen Klubs auf und wurde bald zu einem der gesuchtesten Schlagzeuger Englands.
Doch Victor Feldman wurde nicht als Schlagzeuger weltberühmt, sondern als Vibraphonist und Pianist. Aber beginnen wir von vorn.
Victor Feldman wurde am 7. April 1934 in Edgware (London) in eine musikalische Familie geboren. Früh wurde sein rhythmisches Talent entdeckt und er erhielt professionellen Schlagzeugunterricht. Mit neun begann er Klavier zu spielen, und als ihn sein Perkussionslehrer ermunterte, zusätzlich Vibraphon zu erlernen, war Victor gerade mal 14 Jahre alt. Um seine Kenntnisse in Musiktheorie, Harmonielehre, Komposition sowie sein Klavierspiel zu vertiefen, besuchte er mit 15 das London College of Music.
Mit 16 begann seine eigentliche professionelle Musikerlaufbahn mit verschiedenen Bands, u. a. mit Ted Heath und Ronnie Scott, mit denen er in Grossbritannien auftrat, jedoch auch durch Europa und sogar bis Indien tourte.
1954 spielte er als Multiinstrumentalist mit Ronnie Scott in dessen Club in London im Vorprogramm der Woody Herman Band (Woody was impressed). Auf Ronnie Scotts Ermunterung trat er 1955 die Schiffsreise nach New York an, wo er Ende Oktober eintraf. Zufall oder Schicksal: Woody Hermans Band gastierte eben in New York … und Feldman wurde Vibraphonist der Band.
Touren war nicht sein Ding
Obschon Victor Feldman sich in Woody Hermans Herd bestens aufgehoben fühlte, wusste er von Anfang an, dass er weder physisch noch psychisch fit genug war für das ewige Herumreisen. Diese Abneigung gegen das Touren sollte seine Karriere prägen. Schon nach wenigen Monaten verliess er die Herman Band und zog (auf Anraten des Pianisten Vince Gueraldi) an die Westküste (Los Angeles), wo er auf Musiker wie Shelly Manne, Scott LaFaro, Frank Rosolino, Carl Perkins und Stan Levey traf. Hier spielte er vor allem in den bekannten Clubs wie «The Lighthouse», wo er in den verschiedensten Gruppen mitwirkte und ab und zu auch nur zu dritt mit Scott und Stan auftrat.
Im Januar 1958 bot sich die Gelegenheit, in diesem Trio eine LP für Contemporary Records aufzunehmen, die kurz darauf unter dem Titel «The Arrival of Victor Feldman» veröffentlicht wurde. Nun war er wirklich «angekommen», spielte u. a. mit George Shearing, Benny Goodman, Cannonball Adderley und Miles Davis.
1963 kam das erfolgreiche «Seven Steps to Heaven»-Album von Miles Davis auf den Markt, die Titelmelodie ist eine Komposition von Victor Feldman. Davis bot Feldman einen festen Platz in seiner Gruppe an, doch der verzichtete, da er Studioarbeit dem hektischen Herumreisen vorzog.
Er blieb in Los Angeles, wo er sich 1957 niedergelassen hatte, und wurde zum gesuchtesten Studiomusiker, nicht nur im Jazz, sondern auch in anderen Musikarten. Zum Beispiel ist er auf allen sieben LPs der Gruppe Steely Dan zu hören und arbeitete auch für Frank Zappa, Tom Waits, Joni Mitchell und viele andere. Zudem komponierte, dirigierte und spielte er Musik für Hollywood, zu hören etwa auf «The Music from Peter Gunn».
1987 verstarb Victor Feldman, nur gerade 53, an einem Herzinfarkt in seinem Haus in Los Angeles.
«The Arrival of Victor Feldman»
Schon die ersten paar Takte der Miles Davis Komposition «Serpent’s Tooth» faszinieren: Da ist ein Vibraphonist, der (aus meiner Sicht) neuartige Timbres und Akkorde aus diesem Instrument zaubert, zwar Be-Bop Phrasen spielt, doch diese mit einer gehörigen Prise coolem West Coast Sound garniert. Und der wird ergänzt («begleitet» wäre ein Understatement) mit dem bis anhin auf diese Weise nie gehörten Bass Scott LaFaros. Zusammengehalten wird das Ganze von Stan Leveys dezenten Drum-Akzenten.
Dann folgt «Waltz», eine Komposition von Frédéric Chopin, in der Feldmann abwechselnd Klavier und Vibraphon spielt (damals war 3/4-Takt im Jazz immer noch eher exotisch).
Und nun muss man sich vor Augen führen: Victor Feldman war 23, Scott LaFaro gar erst 20 Jahre jung, als diese Aufnahmen entstanden. Da wirkt Stan Levey mit seinen 30 Jahren direkt zumindest erfahren.
Die zehn Stücke, davon drei Eigenkompositionen von Feldman, sind alle aussergewöhnlich, bringen auch harmonisch zusätzliche Spannung in bekannte Kompositionen. Und bei Dizzy Gillespies «Bebop», das schon in Dizzys Originalaufnahme (zu hören auf «For Musicians Only!») in einem «Affentempo» gespielt wurde, kann ich nicht einmal mitklopfen. Es muss etwa 400 BPM schnell sein. Das ist zwar bewundernswert und technisch faszinierend, spricht mich jedoch am wenigsten an.
Dafür möchte ich noch «There Is No Greater Love» erwähnen: Ein Paradebeispiel, wie Feldman aus einer schönen, jedoch eher simplen Melodie durch rhythmische Verschiebungen etwas Neues schaffen kann.
Fazit
Eigentlich sollte das Album «The Arrival of Victor Feldman and Scott LaFaro» heissen, denn beide tragen mindestens ebenso viel zur Einzigartigkeit dieser Aufnahmen bei. Deshalb hatte ich dieses Album schon im Artikel Scott LaFaro - «Pieces of Jade» (Dez. 2017) erwähnt. Nie zuvor hatte ich einen so melodiösen Bassisten gehört.
Und erst nach mehrmaligem Geniessen dieses Albums und nachdem ich mich etwas tiefer mit dem Leben von Victor Feldman befasste, wurde mir bewusst, wie wahr die Aussage zu Beginn dieses Artikels ist.