MUSIKREZENSION
ARTIKEL
Publikationsdatum
18. Dezember 2017
Themen
Drucken
Teilen mit Twitter

Als junger Amateur-Vibraphonist war ich stets auf der Suche nach Neuem: Neben Lionel Hampton, Red Norvo und Milt Jackson tauchte da unter den LP-Neuheiten plötzlich ein Victor Feldman auf. «The Arrival of Victor Feldman» war meine erste musikalische Bekanntschaft mit diesem englischen Allrounder – und führte mir zugleich auch einen Bassisten vor, der Ungeahntes aus diesem Instrument zauberte.

Das 1958 aufgenommene Trio-Album mit dem gerade mal 20-jährigen Scott LaFaro und dem Routinier-Drummer Lou Levy war für mich eine Revelation: Einen so dominanten, musikalisch relevanten Bass hatte ich zuvor noch nie gehört.

Mein erster Kontakt mit dem fulminanten Bass von Scott LaFaro war auf «The Arrival of Victor Feldman» (links). Wird als eines der besten Live-Alben gehandelt: Bill Evans Trio – «Sunday at the Village Vanguard» (rechts).Mein erster Kontakt mit dem fulminanten Bass von Scott LaFaro war auf «The Arrival of Victor Feldman» (links). Wird als eines der besten Live-Alben gehandelt: Bill Evans Trio – «Sunday at the Village Vanguard» (rechts).

Heute, 60 Jahre später, sind wir etwas verwöhnter, Wir haben uns daran gewöhnt, dass Jazzbassisten eine wesentlich wichtigere Position einnehmen können, als nur das rhythmisch-harmonische Fundament zu bilden. Vor allem Basskünstler wie Niels-Henning Ørsted Pedersen haben die von Scott LaFaro initiierte «Bassbehandlung», die Spieltechnik und die Musikalität weitergeführt. Doch auch Altmeister wie Ray Brown haben sich von der Scott-LaFaro-Welle inspirieren lassen.

Was Scotty in seinem kurzen Leben alles erreichte und mit welchen stilistisch unterschiedlichsten Jazzgrössen er zusammengespielt hat, kann man in vielen Details im von seiner Schwester aufgezeichneten Buch «Jade Visions» nachlesen (mehr darüber finden Sie auch im Booklet zu «Pieces of Jade»). Zu seinen (von den meisten Jazzkritikern) musikalisch am höchsten eingeschätzten Arbeiten gehören die zwei Konzert-Alben, die er kurz vor seinem Unfall mit Bill Evans im Village Vanguard eingespielt hatte: «Sunday at the Village Vanguard» und «Waltz for Debby».

Das Bill Evans Trio: Scott LaFaro, Bill Evans und Paul Motian.Das Bill Evans Trio: Scott LaFaro, Bill Evans und Paul Motian.

Pieces of Jade

Es erstaunt mich, dass die Aufnahmen dieser Recording Sessions nun neu aufbereitet wurden. Einerseits, weil sie nur beschränkt aufzeigen, was Scott LaFaro zum Jazz beitrug und anderseits, weil sie sowohl tontechnisch als auch musikalisch nicht durchwegs überzeugen. Ursprünglich waren sie als Ergänzung zum oben erwähnten Buch gedacht (deshalb auch die Titelverwandtschaft).

Allerdings umfasste die 2009 gleichzeitig mit dem Buch erschienene CD noch eine 22-minütige Aufzeichnung einer Probe mit Bill Evans, bei der «My Foolish Heart» einstudiert und diskutiert wurde. Dass 2xHD diese Probenaufzeichnung wegliess, ist absolut nachvollziehbar, da sowohl die Klangqualität als auch der musikalische Wert begrenzt sind – es ist zwar ein Zeitdokument, wie man es selten zu hören bekommt, bietet jedoch keinen Mehrfachhörgenuss.

Die auf der HighRes-Version zu hörenden Titel wurden bestmöglich ins hochauflösende Lager hinübergerettet, doch war der Flügel im New Yorker Studio wohl nicht eben erste Sahne, und auch die Aufnahmebedingungen möglicherweise nicht optimal.

Trotzdem sind die fünf Stücke, die das Trio mit Don Friedman (Piano), Scott LaFaro (Bass) und Pete LaRocca (Drums) einspielten zwar interessant und überraschend, aber nicht ausgefeilt und somit von unterschiedlicher Qualität. Das Ganze fühlt sich eher an wie eine lockere «Let’s have fun»-Session, und man (oder zumindest ich) vermisst das gegenseitige Aufeinandereingehen, wie es beispielsweise bei den Aufnahmen vom Bill Evans Trio zu finden ist. «Sacre Bléu» ist in zwei Takes vorhanden. Als Bonus gibt es dann noch ein sechsminütiges Interview mit Bill Evans «Homage to Scott», das 1966 aufgezeichnet wurde.

Schlussgedanken

Wer am kurzen Leben und Wirken von Scott LaFaro und/oder der Geschichte des Jazz im Allgemeinen und der Entwicklung des Jazzbasses im Speziellen interessiert ist, wird dieses Album geniessen und sich an den Worten von Bill Evans erlaben.

Auch wenn die drei Musiker Aussergewöhnliches bieten – zu Begeisterungsausbrüchen haben mich diese Aufnahmen nie bewegt. Wahrscheinlich auch, weil ich Scott LaFaro in anderer Umgebung bestens kannte und bewundere.

Um sich mit Scottys Entwicklung und seinem bahnbrechenden Können auseinanderzusetzen, sind die eingangs erwähnten Alben meiner Ansicht nach erste Wahl, die zudem mit dem vorliegenden Download ergänzt werden können.

Als PS kann ich mir nicht verkneifen zu erwähnen, dass es mich stört, dass laut Booklet die Aufnahme im Jahre 1962 (also ein Jahr nach Scottys Tod) entstanden sein soll.

STECKBRIEF
Interpret:
Scott LaFaro
Besetzung:
Scott LaFaro, Bass
Don Friedman, Piano
Pete LaRoca, Drums
Albumtitel:
«Pieces of Jade»
Herkunft:
USA
Label:
2xHD
Erscheinungsdatum:
1961/2009/2017
Spieldauer:
37:06
Tonformat:
FLAC 192 /DSD 64
Medium:
Download
Musikwertung:
7
Klangwertung:
7
Download:
https://www.highresaudio.com/en/album/view/tfo6rx/scott-lafaro-pieces-of-jade-remastered
Bezugsquellen