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Publikationsdatum
1. Dezember 2008
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Als Amar Bose in den 50er Jahren am MIT (Massachusetts Institute of Technology) gerade promovierte, ging er als HiFi-Freund und begeisterter Violinspieler auf die Suche nach einem für ihn passenden Lautsprecher.

Doch gewann er nach dem Anhören zahlreicher Boxen den Eindruck: Da stimmt was nicht! Der Klang erschien ihm gegenüber dem Konzertsaal als flach, leblos - also total inakzeptabel. So machte er sich Gedanken über den Unterschied zwischen einer Darbietung im Konzertsaal und einer Beschallung durch Lautsprecher.

Professor Bose

Dr. Amar Bose, Professor am MIT (Massachusetts Institute of Technology)

Er erkannte, dass in einem Live-Konzert nur ein geringer Anteil der Schallenergie das Ohr des Zuhörers auf direktem Weg erreicht. Der bei weitem grössere Anteil aber wird über Wände, Decken und Fussböden reflektiert.

Bose konnte damals schon nachweisen, dass das Verhältnis von direktem und reflektiertem Schall für den grossartigen räumlichen Klangeindruck beispielsweise eines Sinfonieorchesters im Konzertsaal ausschlaggebend ist und das Musikerleben wesentlich mitbestimmt.

Davon ausgehend können seiner Meinung nach herkömmliche, direktstrahlende Lautsprecher ein solches Live-Erlebnis nicht wiedergeben. Grund: bei ihnen überwiegt der direkte Schallanteil in den eigenen vier Wänden.


Seine Forschungen hatten gezeigt, dass im Konzertsaal rund 89 % des Schalles auf indirektem Wege zum Zuhörer gelangen und nur 11% direkt.

Verwirklichte Ideen

Die Bose 901 kam vor 40 Jahren auf den Markt und ist heute als Mark VI-Version immer noch erhältlich.

So begann der inzwischen zum Professor am MIT aufgestiegene Dr. Amar Bose zu experimentieren, und es entstand ein äusserst ungewöhnliches Konstrukt: Der Eck-Lautsprecher sah zwar überaus exotisch aus, befriedigte Bose aber noch nicht restlos.

Erst im Jahre 1968, also vier Jahre nach der Gründung der Bose Corporation, brachte er den 901 mit seiner Direct/Reflecting- Technologie auf den Markt, der zu hitzigen Diskussionen führen sollte. Dieser Lautsprecher, wie auch Amar Bose, polarisierten die HiFi-Welt: Für die einen war er der Messias mit dem einzig richtigen Produkt, für die anderen war die 901 eine Fehlentwicklung.

Tatsache ist, dass die 901 heute noch im Prinzip genau gleich produziert wird und ihre Käufer findet.

Doch Bose stellte an seine Kreation noch eine andere Forderung, die für Bose Lautsprecher in Zukunft immens wichtig werden sollte: Seine neuen Lautsprecher sollten, ohne Kompromisse im Bass, sehr kompakt werden. Dies in einer Zeit, wo man der Ansicht war, dass ein guter Lautsprecher mindestens so gross wie ein Kühlschrank sein müsste.

Die Idee des kompakten Lautsprechers wurde denn auch mit den Acoustimass-Lautsprechern Ende der 80er Jahre auf die Spitze getrieben und wurde, wie auch Kritiker und Neider zugeben müssen, weltweit zum durchschlagenden Erfolg.

Einfach und genial...

Wie alle genialen Dinge, ist der 901 sehr einfach aufgebaut: 8 Breitbandsysteme strahlen in einem definierten Winkel nach hinten, eines nach vorne. Das ergibt das gewünschte Verhältnis von 89 % indirekt und 11% direkt abgestrahltem Schall.

Da das Gehäuse für das Erzielen eines seht tiefen Basses zu klein war, griff Bose zum Trick mit dem Equalizer. Dies tat er denn auch ganz gekonnt und legte die Eigenresonanz der Chassis relativ hoch auf rund 200 Hz. Dafür hatte er seinen Grund, denn unterhalb dieser Resonanzfrequenz ist der Frequenzgang sehr einfach zu entzerren. Unterhalb 200 Hz beginnt der Equalizer genau definiert die Bässe anzuheben.

Dies war in der ersten Version eine für den Verstärker recht anstrengende Aufgabe und wahre Kraftwerke von Verstärkern waren gefragt. Doch in späteren Versionen kam die Bassreflex-Technik zum Einsatz und der Wirkungsgrad wurde drastisch verbessert. So kann die 901 heute mit guten Verstärkern ab rund 50 Watt pro Kanal gut betrieben werden. Nach oben besteht kaum eine Grenze, denn die potenten 9 Breitbandsysteme sind kaum zu überlasten.

Entzerren und Anpassen

Der Equalizer ist ein unverzichtbarer Bestandteil des 901-Systems und gehört zum Lieferumfang.  Er hat zwei Aufgaben: Linearisierung des Bassbereichs und Anpassung an die Raumakustik.

Er wird entweder zwischen Vor- und Endstufe, oder in den Tape Monitor des Vollverstärkers geschaltet.

Mittels der beiden sehr geschickt ausgelegten Regler für Bass/Mitten und Mitten/Höhen  kann das Klangbild rein gehörmässig dem persönlichen Empfinden angepasst werden. Auch die Entzerrung des Basses kann, je nach Raum und persönlichem Geschmack, in zwei unterschiedlichen Positionen gewählt werden.

Abstrahlung, Hörraum und Aufstellung

Oben: Schallabstrahlung bei einem konventionellen, direktstrahlenden Lautsprecher. Mitte: Abstrahlung bei einer Band. Unten: Bose Direct/Reflecting-Prinzip.

Genau wie ein und dasselbe Sinfonieorchster in verschiedenen Konzertsälen auch dementsprechend unterschiedlich klingt, ist die Bose 901 vom Abstrahlprinzip her relativ stark von der Akustik des Abhörraumes abhängig.

Am besten eignen sich Räume mit hart reflektierenden Rück- und Seitenwänden und am ungünstigsten wäre ein sogenannt "schalltoter" Raum.

Grund: Je mehr Schall die Wände absorbieren, desto mehr reflektierter Schall geht verloren.

Ein direkt abstrahlendes System benimmt sich in dieser Beziehung ganz klar weniger mimosenhaft. Auch können die 901 nicht einfach irgendwohin gestellt werden.

Man sollte sich an die im Manual vorgeschlagenen Aufstellungen, mit gewissen minimalen Abständen zu den Rück- und Seitenwänden, halten. Sind die Boxen mal optimal platziert, kommen die Hörer in den Genuss einer unglaublich breiten Stereo-Hörzone.

Ja verliebte Paare können sogar herumdancen und werden dabei an jeder Stelle des Raumes vom Raumklang umhüllt...

Der Konzertsaal in der Wohnstube

Der Klangeindruck, den die 901 vermittelt, hat mit konventionellem Stereo-Hören nicht mehr viel zu tun. Die 901 bringt auf eine ganz andere Art mühelos Live-Atmosphäre. Zu hören sind völlig von den Boxen gelöste Klangkörper, seien es Sinfonieorchester, Streichquartette, Jazz- oder gar Hard-Rock-Bands.

Wer allerdings das sehr leise Klappern der Mechanik beim 3. Fagottisten im Fortissimo der 9. Sinfonie vom Beethoven hören möchte, kommt bei der 901 nicht auf seine Rechnung. Hier ist ein Musik-Event und nicht eine Unzahl isolierter Klangdetails zu hören. So sind die 901 ganz gewiss nicht die richtigen Systeme für Klang-Fetischisten, die allerfeinste Details haargenau analysieren möchten und sich ab den geringsten Klangverfärbungen tödlich aufregen können.

Das heisst aber auch nicht, dass nun die 901 jede Aufnahme gross aufputschen und mit schmeichelndem Sound färben. Was sich jedoch aufgrund der mehrheitlich indirekten Abstrahlung klar bemerkbar macht ist, dass etwas nah und vordergründig aufgenommene Aufnahmen besser klingen als sehr diffuse mit viel Hall.

Der Abstrahlcharakteristik der 901 kommt entgegen, dass die heute meist angewandte Multimikrofonie mehrheitlich Aufnahmen liefert, die eher auf der analytischen Seite liegen. So bieten die 901 auch ohne 5.1-Kanäle bei grossorchestraler Musik einen fasziniernden Raumklang.

Wehe wenn sie losgelassen...

Immer noch im Besitze von H.J.Baum: Die Vorführ-LP aus dem Jahre 1970 mit exzellenten Aufnahmen aus dem Mercury-Repertoire zeigt auch das Immer noch im Besitze von H.J.Baum: Die Vorführ-LP aus dem Jahre 1970 mit exzellenten Aufnahmen aus dem Mercury-Repertoire zeigt auch das "Vogelhäuschen-Design" der ersten 901.

Bei jazzigen Klängen kommt verrauchte Jazz-Klub-Atmosphäre auf, ohne dass dabei die Gefahr des Passivrauchens auftritt. Und bei poppigen und hardrockigen Klängen geht die Post so richtig ab.

Bei brachialen Techno-Klangorgien geht den 901- Systemen mit ihren insgesamt 18 Breitbandchassis nie die Puste aus. Höchstens etwas unterdimensionierte Verstärker könnten ab und zu eine Verschnaufpause brauchen.

Unser sehr potenter US-Kraftbolide konnte auf jeden Fall voll ausgefahren werden, ohne dass sich bei den 901 auch nur die kleinsten Ermüdungserscheinungen bemerkbar gemacht hätten.

Und in Sachen Schallpegel gilt: Wehe, wenn sie losgelassen...

Fazit

Auch nach 40 Jahren hat die Bose 901 nichts von ihrer Faszination verloren. Sie bringt die Musik nach wie vor auf eine ganz andere Art als dies konventionelle, direktstrahlende Lautsprecher es tun. Bei der 901 stehen nicht Analytik, höchste Auflösung und Verfärbungsfreiheit im Vordergrund, sondern das prickelnde Live-Erlebnis, das man sonst nur im Konzert erfährt....

Daten

Preis (pro Paar plus Equalizer)  3780 Franken 
901 Bodenstativ    (pro Paar) 
  270 Franken 
Abmessungen Lautsprecher(B x H x T) 
 53,3 x 32,2 x 32,4 cm
Abmessungen Equalizer (B x H x T) 
 33 x 6,3 x 12,5 cm
Höhe 901 Bodenstatviv (ohne Lautsprecher) 
45 cm
System      
 Direct/Reflecting-System
Bestückung  
 9 Breitbandsysteme
Ausführungen 
schwarz
Bose Schweiz
http://www.bose.ch