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Publikationsdatum
3. August 2000
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MP3 machte die zweite digitale Revolution in der Musikindustrie möglich. Komprimierte Audiodateien konnten plötzlich durchs Web gesendet werden, man konnte sie auf einen Server hochzuladen , bzw. sie wieder downzuloaden. Neugründungen von E-music Firmen gehört in den USA zur Tagesordnung. Neue Anbieter wie Emusic.com, besonic.com in Deutschland oder der grosse legale Musik Distributor musicmusicmuisc.com drangen ins Web vor und prägten die neuen Wege der Distribution, des Marketings und der Promotion.

MP3: Das kryptische Kürzel

Schon 1987 hatte die Zusammenarbeit des Fraunhofer Instituts für Integrierte Schaltungen und Dieter Seitzer, einem Informatiker, die Grundlage zu MPEG 1 Audio Layer 3, kurz MP3 gelegt. Konsequenzen blieben lange aus. Ernst wurde es für die Plattenfirmen und Künstler erst, als 56 K-Modems und 300 MHz-Pentia zum Standard wurden, denn das MP3-Format kennt keinen Kopierschutz.

Die amerikanische Computerbibel WIRE schrieb: "mp3 desribes a compression/decompression algorithm or codec, that could shrink sound without forfeiting quality." Leider werden hier falsche Informationen verbreitet. Man kann nicht elf Zwölftel der Daten rauschneiden und meinen, der Sound bleibe identisch. Der Autor der Geschichte outete sich anderorts als komplett inkompetent, als er schrieb, dass das DAT-Format beinahe so gut klinge wie die CD. DAT ist seit zehn Jahren das Mastering-Format mit 48 KHz Samplingfrequenz. Die CD arbeitet mit nur 44 KHz. Ähnlich inkompetent haben sich die meisten Journalisten in der Schweiz und Deutschland bei diesem Thema vertan, als sie alle ins gleiche Horn tröteten und das MP3-Format vollkommen kritiklos verherrlichten, ich nehme an, ohne es jemals gehört zu haben. Die Story war wohl wichtiger als die Information. Wie meinte einst ein weiser Mann? Die modernen Massenmedien wolllen nicht aufklären oder informieren, sondern erregen.

Für 30 Minuten Musik werden 3,5 Minuten zum Download benötigt. Im Computer kann man die MP3-Dateien leicht in Wavfiles umwandeln. So steht der Überspielung auf Tape, CD nichts mehr im Weg. 10 Stunden MP3-Files auf CD-Rom sind locker möglich, denn auf eine CD lassen sich ca 200 MP3-Tracks brennen. Es gibt auch diverse portable MP3-Player, auf denen man bis zu 80 Stunden Musik, bis 100 CDs speichern kann.

Kopiergeschützte Formate

1999 wurde von Sony auch der NW-MS 7 vorgestellt, der 80 Minuten Musik auf einem Memory Stick mit 64 MByte speichern kann. Diese direkte Konkurrenz zu MP3 ist seit Anfang 2000 erhältlich. Wichtig dabei ist, dass Sony das Internet als Distributionskanal akzeptiert hat. Das Dateiformat heisst Atrac-3.

Neue Konkurrenz für MP3 kommt auch von AAC. In Japan sollen neue portable Player auf den Markt kommen, die nicht nur Mp3 abspielen sollen können, sondern auch AAC unterstützen. Das neue Format soll weniger Speicherplatz brauchen und besser klingen und erlaubt einen Kopierschutz.

Fürs Internet gibt es ebenfalls ein neues zukunftsweisendes Format. Ogg Vorbis von Phophorus ist ein Produkt der quelloffenen Softwareszene, die mit Linux bekannt wurde. Jeder kann den Quellcode einsehen und verändern. Nutzer erstellen Ogg-Dateien, die keinerlei patent- und lizenzrechtliche Einschränkungen besitzen. Das Patent besitzt niemand. Die psychoakustischen Muster, nach denen ogg komprimiert, stammen aus einem renommierten japanischen Forschungsprojekt, das den Encoder Twin VQ entwickelte. Die Programmierer werden Ogg in allen Open Source Szenen einsetzen. Eine Gnutella Version, die Ogg- und MP3-Dateien versteht, soll bereits im Beta-Stadium laufen.

Als Symbol für das OGG Projekt wählten sie den Donnergott Thor, der mit seinem Hammer auf die Schlange Mjöllnir eindrischt, um Jörgumandur, den Ton des Lebns zu erzeugen. Der Amboss, auf dem die Sinusschlange liegt, ist der Phonobranche gewidmet. Die Reaktion der Musikindustrie ist absehbar. Sie wird jegliche OGG Dateienunter den Generalverdacht schwarzgebrannter Musik stellen, wie dies bereits bei MP3 der Fall is .

MP3.com: Verstoss gegen Urheberrechte von Plattenlabeln

Anfang Mai verurteilte ein amerikanischer Bundesrichter die Website MP3.com, weil der Musikspeicherdienst gegen die Urheberrechte der grossen Schallplattenlabel verstossen habe. Das sonicnet schrieb am 12. 5.: "Die RIAA Recording Industry Association of America (Verband der amerikanischen Schallplattenindustrie) hatte mit der Begründung Klage gegen MP3.com eingereicht, das Unternehmen aus San Diego habe kein Recht, eine Datenbank ohne Genehmigung der fünf grossen Schallplattenlabel aufzubauen. Aus dem MP3 Lager konnte man vernehmen, dass dieses Urteil MP3 nicht in die Knie zwingen werde. Erste Konsequenzen aus dem Urteil: MP3 gab bekannt, dass sämtliche Stücke der Majors nicht mehr über den Dienst my.mp3.com verfügbar seien.

Online CD-Handel

Lange wurde das WWW von der Musikindustrie als Instrument für das Marketing und die Werbung. Die Distribution klammerte man aus. Jetzt erst machen die Majors Pläne in diese Richtung. Dabei gibt es schon über 1 Million MP3 Files auf MP3.com zum legalen Gratis-Download. Die digitale Distribution erfordert internationale Reglementierungen und hat zudem noch kein verbindliches Konzept. Der Branchenverbund SDMI (Secure Digital Music Initiative) arbeitet an einem Wasserzeichen, enem Kopierschutz, das in die Musik programmiert wird.

Die Wachstumsraten des Online-CD-Handels liegen mit knapp 400% deutlich höher als diejenigen des übrigen Online-Handels, der mit 225% beziffert wird. Der weltweit netzbasierte Einzelhandel mit Tonträgern steigerte sich von 1997 bis 1998 auf ungefähr 200 Millionen Dollar. Für das Jahr 2002 wird ein weltweiter Umsatz zwischen 1.1 und 1.6 Milliarden Dollar erwartet. Das gesamte Online-CD-Marktvolumen der Schweiz betrug 98 zwischen 1 und 1.5 Millionen Franken.

Die Directmedia AG, der grösste CH-Multimediavertreter, setzte 98 fast die Hälfte des gesamten Marktvolumens um. Der Boom wird sich aber erst einstellen, wenn gewisse Hemmschwellen verschwinden und das Vertrauen in die elektronische Zahlungsabwicklung steigt. 60 % bezahlen per Rechnung und 40% per Kreditkarte. (Quelle: persönlich: "Tonträger im Internet", Zahlen: Studie Michael Imfeld, Tonträger im Internet, Universität Freiburg)

Die Kurve zeigt nach oben. Die Britische Firma Market Tracking prognostiziert übrigens, dass im Jahr 2010 20% aller Musikverkäufe über das Internet abgewickelt werden. (Internet Professional, 8 / 99, "Hits vom Server", Marco Zierl, S. 34, Ziff-Davis-Verlag, München). Es gibt zwei verschiedene Distributionsmethoden im Netz: den klassischen Mailorder und Music on demand.

Im ersten Fall wird der Tonträger per Post zugestellt. Das Errichten eines Online-Shops ist für Privatpersonen sehr kostspielig. Man braucht die ganze Infrastruktur und Logistik eines Mailorder-Bertriebs. Katastrophal sind die Konsequenzen für die Einnahmen der Industrie und der Künstler, die durch Wegfall lokaler Preisdifferenzierungsmöglichkeiten anfallen.

Viele US Firmen mit Tiefstpreisen beliefern schon Europa. Die Schweiz hat höhere Lohnkosten und Sozialabgaben als die USA. In den USA liefern die Firmen auch noch keine Mehrwertsteuer ab. Diese Importe sind eigentlich illegal, da keine Copyright-Abgaben abgeführt wurden. Bei music on demand werden einzelne Songs oder ganze Alben als kostenpflichtige Donwloads verkauft. Man bezahlt für jedes mal Hören oder kann eine Aspiellizenz erwerben, die aber erheblich teurer ist, als das einmalige Abspielen.

Die Majors im Netz

Das Internet hat die ganze Musikbranche auf den Kopf gestellt. Die beiden grössten britischen und amerikanischen Majors TimeWarner und EMI wurden vom Internet-Giganten AOL geschluckt. Time Warner, denen sonst noch CNN, HBO, Warner Films, Time Life Magazine gehört, und EMI sind zusammen 12 Milliarden wert, was natürlich eine Schätzung ist. Warner trägt die Hosen und AOL die Stiefelmeldeten. Der 350 Millionen Deal mit AOL, der grösste Merger-Deal in der Geschichte des Business.

Steve Case in Virginia ansässige AOL bietet Vertriebswege, Promotionmöglichkeiten via email via direct download. Die Synergien liegen klar auf der Hand. Dieser Schritt wurde weithin als Ansporn für den digitalen Vertrieb von Musik angesehen. Jetzt gibt es nur noch vier Majors und viele kleine Indies, die sich im Marktplatz Internet tummeln.

Hanspeter Künzler schrieb zu dieser Fusion unlängst in der WOZ: " Gegen die Promotionsmaschinerie werden die kleinen Labels keine Chance haben. Der Graben zwischen der Champions League und den unteren Landesligen ist so gross wie der von Spice Girls und Derek Bailey. Es sind zwei parallele Welten entstanden, denen nur noch gemeinsam ist, dass der Output in Dezibel gemessen wird."

Die AOL-Warner und EMI Linkage stellt den Startschuss für die vier Majors und im Kampf um die Vormachtsstellung in music E-Commerce. Nach der MP3-Panik haben sich Universal, BMG, Sony und WarnerEMI mehr oder weniger kompatible Technologien entwickelt, um den digitalen Download ohne Probleme mit Piraten usw. zu etablieren. Alle haben auch ihre Back-Catalogues digitalisiert und sind bereit für die neue Ära.

Wir können uns in nächster Zukunft auf eine gespannte Zeit gefasst machen. Wer wird wohl den Kampf im E-music-biz gewinnen? Microsoft wirkt zu angeschlagen, um AOL zu schlagen, Yahoo sind stark, Disney, Viacom (u. a. MTV) werden in Zukunft einige Indies schlucken und vielleicht noch einen Major.

Pläne für das Online-Geschäft

BMG: Thomas Middlehoff, BMG chief executive, sagte Anfang des Jahres, dass er aus BMG die grösste Firma machen wollte. Es ist sicher mehr als nur Spekulation, dass BMG CBS von Sony kaufen wird. Dann wären es nur noch drei. BMGs Musik soll über ein weitläufiges System von Online-Händlern vertrieben werden, darunter auch GetMusic, BMGs gemeinsames Web-Unternehmen mit Universal. Die Preise für die Musik-Downloads von BMG seien noch nicht festgelegt worden. Das E-Commerce-Unternehmen Get Music.com soll auch externen Musikanbietern zur Verfügung gestellt werden soll. Darüber hinaus werden ausgewählten stationären Händlern eigene Kiosksysteme zur Verfügung gestellt, wo Verbraucher Musikdaten herunterladen können.

Das Produktangebot besteht aus Singles und Alben. Alben sollen in drei Preisklassen angeboten werden. Matsushita stellt die Kopierschutz- und Abspielgeräte zur Verfügung. Die EMD Technologie mit dem Namen Nigel ist mit der Secure Digital Music Inititative (SDMI) kompatibel. Es ist gut möglich, dass getmusic.com nicht funktkionieren wird. Die Partnerschaft mit Universal ist nicht sehr glücklich. Traut man sich da wirklich?

Sony:
Da Sony den Interessenkonflikt Hardware und Software nur zu genügend kennt, muss man eigene Wege gehen. Philips hat die Polygram verkauft, sicher auch um Geld machen zu können mit Kopierstationen. Sony wird ausgewählte Tracks im eigenen ATRAC3-Format anbieten. Es ist mit dem Windows-Media-Player, dem Music Clip und dem Memory-Stick-Walkman kompatibel. 50 Songs werden über Online-Händler für je 2,49 Dollar (ca. 2,60 EURO) verkauft, was in der Industrie Kopfschütteln auslöste: Sony macht Dumping. Laut Preisempfehlung sollen die Stücke je 3,49 Dollar (da. 3,65 EURO) kosten.


(Teil III folgt)