Eigentlich ist es kaum zu glauben, aber Fernsehen und Video funktionieren heute noch immer nach denselben, archaischen Prinzipien wie vor 50 Jahren – und mit denselben, engen Qualitätsgrenzen von damals.
Aber nicht mehr lange, denn in diesem Jahr werden mehrere deutschsprachige Fernsehsender mit der regulären Ausstrahlung von Programmen in einem vollkommen neuartigen System beginnen, das mit dem bisherigen überhaupt nichts mehr gemeinsam hat.
Keine Verbesserung des Bisherigen also, sondern nach 50 Jahren ein radikaler Neubeginn, eine neue Stunde Null. „High Definition“ heisst das Losungswort dieser Revolution, kurz „HDTV“.
Vorsicht: Suchtgefahr!
Riesige, hoch auflösende LCD-Displays mit bis zu 65-Zoll-Bildschirmdiagonale sind bereits Ende Jahr zu erwarten und werden HDTV-Bilder atemberaubender Bildqualität wiedergeben.
Freilich leuchtet es ein, dass mehr Bildzeilen und mehr Bildpunkte höhere Auflösung bedeuten, also sowohl mehr Bildschärfe als auch mehr Detailreichtum. Und es ist auch klar, dass der Unterschied zum „gewöhnlichen“ Fernsehen mit steigender Bildgrösse immer deutlicher zu Tage tritt.
Aber das ist nur ein Aspekt. Ein anderer besteht darin, dass es HDTV erstmals erlaubt, Fernsehbilder „progressiv“ auszustrahlen.
Wer einen DVD-Player mit Komponentenausgang und „Progressive-Scan“ besitzt, weiss schon heute den Gewinn an Schärfeeindruck und Bildruhe zu schätzen, den diese Darstellungsart mit sich bringt.
HDTV profitiert von diesem Gewinn in noch höherem Masse, denn hier kann die progressive Bildübertragung lückenlos gewährleistet werden, von der Filmabtastung bis in den Bildschirm oder Projektor hinein, die ja bekanntlich im Falle von Plasma, LCD oder DLT ebenfalls nach dem „Progressiv“-Prinzip arbeiten.
Und weil die gesamte Übertragungsstrecke vom Studio bis zum heimischen Bildschirm rein digital arbeitet, darf man hoffen, dass man von Qualitätsverschlechterungen während der Übertragung, etwa durch minderwertige Kabelnetze, weitgehend oder vielleicht sogar völlig verschont bleiben wird.
Mit Sicherheit keine Beeinträchtigung gibt es beim HDTV-Empfang direkt ab Satellit – die Variante, die heute schon zur Verfügung steht.
Im Idealfall bekommt man das Bild zu Hause also tatsächlich genau so zu sehen, wie es im Fernsehstudio auf den Sender geschickt wurde – und das ist absolut spektakulär.
Speziell auf grösseren LCD- oder Plasmabildschirmen erlebt man einen ungeahnten Detailreichtum, eine wunderbare Klarheit auch in Farbflächen, sowie eine Tiefe des Raumes, die nahezu dreidimensional wirkt.
Und das ist noch nicht einmal alles. „HDTV“ bedeutet immer und ausnahmslos auch „Breitbild“ im augenfreundlichen 16:9 Format, und schliesslich sorgt digitaler Surroundsound für ein perfekt abgerundetes Erlebnis – tatsächlich, danach könnte man süchtig werden.
Die Zukunft hat schon begonnen
Euro 1080 bzw. HD1, der Pionier im europäischen HDTV, strahlt die Programme ab dem 1. Juni in MPEG-4 aus.
Die Sender üben nämlich bereits und senden schon jetzt ab und zu im hoch auflösenden Format, parallel zum Standard-TV. So war der Spielfilm-Mehrteiler „Die Nibelungen“ in HDTV zu sehen, und es gibt ab und zu auch schon Sportübertragungen, denn sämtliche 64 Spiele der Fussball-Weltmeisterschaft im nächsten Jahr sollen in High Definition ausgestrahlt werden.
Und immerhin bietet schon eine Station ein reguläres Vollprogramm in High Definition: HD1 sendet eine breite Programmpalette, vom Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker über Reisereportagen und Modeschauen bis hin zum „Superbowl“-Endspiel und Autorennen.
Welche Bildschirme sind HDTV tauglich?
HDMI bietet die digitale Verbindung für Bild- und Tonsignale bei HDTV.
Doch ein solcher LCD- oder Plasmabildschirm muss auch über die geeigneten Eingänge verfügen. Am besten sind die (gleichwertigen) Digitaleingänge HDMI oder DVI, wobei im Fall von DVI vor dem Kauf geklärt werden muss, ob das Kopierschutzsystem HDCP unterstützt wird.
Für Analogsignale braucht man einen Komponenteneingang (YUV), der jedoch bei manchen Geräten nur Standard-Auflösung produziert.
RGB-Eingänge auf SCART-Buchsen sind grundsätzlich nicht HDTV-tauglich. Manchmal klappt's aber trotzdem auch mit RGB, denn manche Bildschirme akzeptieren hoch auflösende RGB-Signale aus Computern. Dazu haben sie 15-polige Sub-D-Buchsen, die auch die vertikale und horizontale Synchronisation empfangen.
Die Ausrüstung für den HDTV-Empfang
Nebst einer digitalen Satellitenanlage braucht es für den Empfang von hochauflösendem Fernsehen eine HDTV taugliche Settop-Box.
Zum Empfang braucht man neben einer normalen Satellitenanlage eine HDTV-tüchtige Settopbox.
Die Programme werden verschlüsselt gesendet, in der Schweiz wird die notwendige Irdeto-Decoderkarte aber beim Kauf einer Quali-TV QS 1080 Settopbox mitgeliefert, sodass keine Abo-Gebühren anfallen.
Allerdings ist zu beachten, dass diese Settop-Box nicht absolut zukunftssicher ist. Euro 1080 wird nämlich am 1. Juni damit beginnen, seine Programme im Format MPEG-4 auszustrahlen.
Damit bekommt Europa zwar das beste HDTV-System der Welt, aber die jetzigen Settop-Boxen lassen sich dafür nicht aufrüsten. Damit sie nicht sofort unbrauchbar werden, erfolgen die Ausstrahlungen bis mindestens zum 1. Januar 2008 parallel in MPEG-2 und MPEG-4.
Dies ist auch nötig, weil Settop-Boxen für MPEG-4 in ausreichender Stückzahl wohl kaum vor dem letzten Quartal 2005 zur Verfügung stehen werden.
Diese werden dann übrigens in der Lage sein, auch MPEG-2 zu decodieren, sie sind dann also universell verwendbar und zukunftssicher.
High-Definition auf Disc
Toshiba bringt die HD-DVD-Disc, die zwar weniger Kapazität als die Blu-ray-Disc aufweist, aber deutlich günstiger herzustellen ist.
Um die riesigen Datenmengen von hochauflösendem Video speichern zu können, werden ganz neue Discs entwickelt, die mit blauem Laser arbeiten und es damit auf 20 bis 50 GB Speicherkapazität bringen. Diese sollen gegen Ende dieses Jahres auf den Markt kommen und werden neue Abspielgeräte nötig machen.
Aber wie schon bei SACD und DVD-Audio stehen einander auch hier zwei konkurrierende Entwicklungen gegenüber, die zwar sehr viel gemeinsam haben, sich aber trotzdem nicht einigen wollen.
Die Blu-ray Disc punktet mit höherer Kapazität, während niedrigere Herstellungskosten für die HD-DVD sprechen. In Bild- und Tonqualität gibt es keine Unterschiede.
Wie die Schlacht um die „DVD für das HDTV-Zeitalter“ ausgehen wird, ist völlig offen; sicher ist nur, dass sie nicht in Tokyo zwischen den Geräteherstellern entschieden wird, sondern zwischen den Studiobossen in Hollywood. Denn nur das Format wird sich durchsetzen, für das es auch Filme gibt.
Doch auch die Hollywood-Studios sind gespalten. Warner, Universal und Paramount haben zwar für Ende dieses Jahres mehr als 80 Spielfilme im HD-DVD-Format versprochen, aber noch ist unklar, wie sich die anderen Majors wie Sony Pictures, MGM, Fox und Disney verhalten werden.
HDTV via PC
HDTV auf DVD gibt es schon heute, abspielbar auf modernen Computern mit Windows XP. Sie tragen die Bezeichnung HD-DVD-ROM.
Dabei muss man zum Abspielen nicht einmal ein neues Gerät erwerben. Microsoft hat nämlich ein Verfahren namens WMV-HD entwickelt, das die Datenmenge von HDTV so weit „eindampft“, dass sie sogar auf einer ganz normalen, heutigen DVD Platz hat.
Eine DVD mit dieser – neuerdings auch VC9 genannten - Codierung ist ihrem Datenformat nach keine DVD-Video, denn diese verlangt ja MPEG2. Folglich kann sie auch nicht auf einem normalen DVD-Player abgespielt werden.
Sie ist technisch gesehen aber eine DVD-ROM, und weil in Windows XP der Decoder für WMV-HD schon enthalten ist, kann man diese Discs nun auf einem modernen, sprich leistungsstarken, mit Windows XP ausgestatteten Computer abspielen.
Und natürlich nicht nur über den Computermonitor, denn viele Plasmapanels, LCD-Bildschirme und Projektoren lassen sich bequem mit dem DVI-Ausgang des Computers verbinden, digital und mit Progressive-Scan.
Damit erlebt man schon heute ein gutes Dutzend Filme wie z.B. „Tomb Raider“, „Timeline“ oder „Total Recall“ in beeindruckender Zukunftsqualität, und wer auf deutschsprachige Synchronisation verzichten kann, findet im US-amerikanischen Angebot noch einiges mehr.
Normale DVD-Player, die auch WMV-HD-Discs abspielen können, hat bisher erst Kiss Technology angekündigt (Modell DP 600).
Es darf aber als sicher gelten, dass noch in diesem Herbst auch grössere Hersteller diese Möglichkeit anbieten werden – schliesslich ist der Weg vom bereits eingebauten WMA zum neuen WMV nicht weit.
Wiedergabe der hochauflösenden DVD
Das Angebot der hochauflösenden DVD-ROM umfasst ca 30 brandaktuelle Spielfilme.
Minimal-Konfiguration für 720p Video
Dieses Format wird für fast alle Spielfilme benützt
- Windows XP
- Windows Media Player 9 Series
- 2.4 GHz Prozessor oder gleichwertiger
- 384 MB RAM
- 64-MB-Video-Karte
- DVD-Laufwerk
- Bildschirm-Auflösung 1024 x 768
- 16-Bit-Soundkarte oder Multichannel-Soundkarte
- Verstärker und Lautsprecher
Optimale Konfiguration für 1080p Video mit 5.1 Surroundsound
- Windows XP
- Windows Media Player 9 Series
- DirectX 9.0
- 3.0 GHz Prozessor oder gleichwertiger
- 512 MB RAM
- 128 MB Videokarte
- DVD Laufwerk
- 1920 x 1440 Bildschirm-Auflösung
- 24-bit 96 kHz Multichannel Soundkarte
- Verstärker und Lautsprecher
Fazit und Ausblick
Der Autor und Digitalpionier Albrecht Gasteiner mit seiner Arriflex 35: High Definition von 1948.
Die neue Technik läutet aber nicht nur ein neues Qualitätszeitalter ein, sie bringt auch jede Menge neuer Probleme mit sich. Denn kaum jemand in der Schweiz verfügt schon über praktische Erfahrung mit HDTV, und die Frage nach unterschiedlichen Normen oder der HDTV-Tüchtigkeit bestimmter Geräte überfordert häufig selbst ausgewiesene Techniker.
Hier hilft eine spezialisierte Informationsstelle, das HDTV-Forum Schweiz ( www.hdtv-forum.ch ), wo unvoreingenommen und ohne firmenspezifische Scheuklappen jede Menge nützlicher Information publiziert wird.
Spätestens im Herbst, nämlich ab der Funkausstellung ifa in Berlin, werden auch die grossen Hersteller der Unterhaltungselektronik ihre Vision vom hoch auflösenden Fernsehen der breiten Öffentlichkeit präsentieren. Man darf jetzt schon gespannt sein.
Albrecht Gasteiner