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Publikationsdatum
4. August 2002
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Die Modebranche führt es vor: Der Retro-Look ist in, Frau und Mann dürfen auffallen durch Vergangenes, Extravagantes, Ausgefallenes. Mode, Statussymbol, sogar ganz gewöhnliche Alltagsgegenstände dürfen an die gute alte Zeit erinnern. Moderne Technik gepaart mit vergangenem Design weckt die Kauflust der KonsumentInnen, hat aber auch ihre Daseinsberechtigung. Schliesslich ist das Bessere der Feind des Guten. Seit einiger Zeit neu entdeckt profitieren auch Hornlautsprecher vom Fortschritt im Lautsprecherbau, und besser wird, was einst gut war.

Was davon ist Magie?

Mehr Kunstwerk als Lautsprecher: Die Acapella Triolon Excalibur aus Deutschland.
Mehr Kunstwerk als Lautsprecher: Die Acapella Triolon Excalibur aus Deutschland.
“Das Auge isst mit“ sagt das Sprichwort, und das Auge hört auch mit. Hornlautsprecher neueren Datums bedienen sich gerne einer auffallenden und extravaganten Optik, um sich nicht nur klanglich in Szene zu setzen. So sammeln sie Punkte, obwohl noch kein Ton erklang.

Viel wird erzählt über die Eigenschaften eines Horns. Immer wieder tauchen Begriffe auf wie Dynamik, Wirkungsgrad, Schnelligkeit, mühelose Leichtigkeit. Demgegenüber führen Kritiker horntypische Verfärbungen, Verzerrungen, Härte und wenig räumliche Wiedergabe ins Feld. Das Horn wird gar verglichen mit einer Glocke, welche, einmal angeregt, gerne mit ihrer Resonanzfrequenz weiterklingt.

Dennoch scheint irgendwas dran zu sein an den Argumenten der Enthusiasten. Schliesslich hat das Horn heute wieder deutlich mehr Anhänger als noch vor einigen Jahren.

Und was die Technik?

Studiotauglich: Durch die mühelose Wiedergabe und die Dynamik kann ein Horn einen normalen Lautsprecher klanglich ausstechen.
Studiotauglich: Durch die mühelose Wiedergabe und die Dynamik kann ein Horn einen normalen Lautsprecher klanglich ausstechen.
Im professionellen Bereich spielt die Optik eine untergeordnetere Rolle, wobei sie kein Hersteller respektive keine Marketingabteilung ganz vernachlässigen möchte. Trotzdem klingen diese Hörner immer besser, immer lauter, immer mehr vergleichbar mit guten Heimlautsprechern. Zwei Eigenschaften eines Hornlautsprechers werden bei Beschallungsaufgaben besonders geschätzt: seine Richtwirkung und seine Empfindlichkeit.

Mit Hilfe der Hornkonstruktion lässt sich ein kontrolliertes Abstrahlverhalten erreichen. Der Schall wird sowohl in der horizontalen wie in der vertikalen Ebene gebündelt. Diese Richtwirkung ist abhängig von der Hornfunktion, also wie schnell sich die Hornfläche vom Hals (Öffnung beim Lautsprecher) bis zum Mund (Öffnung vorne) vergrössert, sowie von der Mundfläche. Dabei gilt: Je grösser die Mundfläche, desto tiefer die Frequenz, bei der die Bündelung beginnt.

Auch die Empfindlichkeit eines Horns kann wesentlich höher sein als bei direktstrahlenden Lautsprechern. Das heisst, das Horn braucht weniger Verstärkerleistung, um in einem gewissen Abstand den gewünschten Schallpegel zu erzielen. Bei gleicher Belastbarkeit und gleicher Verstärkerleistung kann das Horn also wesentlich lauter spielen. Die Empfindlichkeit eines normalen Heimlautsprechers bewegt sich in der Region von 90 dB/Wm, also 90 dB Schalldruckpegel mit einem Watt Eingangsleitung in einem Meter Abstand gemessen. Hornlautsprecher können hier, je nach Konstruktion, die Marke von 110 dB/Wm erreichen. Für diesen Pegel benötigt der Heimlautsprecher bereits 100 Watt!

Etwas Geschichte

Mehr Möbelstück als Lautsprecher: Eine JBL Paragon gehört heute zu den Sammlerobjekten.
Mehr Möbelstück als Lautsprecher: Eine JBL Paragon gehört heute zu den Sammlerobjekten.
Gehen wir in der Zeit zurück bis vor die Erfindung des Transistors. Die Versorgung der Lautsprecher übernahmen damals Röhrenverstärker mit wenigen Watt Ausgangsleistung. Sollte diese Kombination laut werden, so mussten die Lautsprecher sehr empfindlich sein. Daher hat sich damals das Horn sehr weit verbreitet.

Damit ein Horn allerdings die Empfindlichkeit des Lautsprechers in allen Frequenzen gleichmässig steigert, muss es sehr genau berechnet und konstruiert werden. In die ganze Berechnung mit einbezogen werden die mechanischen und elektrischen Eigenschaften des Lautsprecherchassis, die Hornlänge, Mundfläche, Halsfläche, Öffnungsfunktion, Druckkammervolumen, rückwärtiges Volumen und sogar die Aufstellung des Horns. Ohne elektronische Hilfsmittel war an eine Vorhersage der Eigenschaften nicht zu denken. Die Entwicklung lief zu einem grossen Teil nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip, welches allerdings sehr aufwändig ist. Entsprechend viele Konstruktionen waren zu hören, welche zwar relativ laut, aber nicht besonders gut klangen. Im Mittel- und Hochtonbereich wurde mangels Alternativen vielfach Metall als Baumaterial für das Horn verwendet. Lag die Resonanz des „Glockenkörpers“ innerhalb des Übertragungsbereiches, so begann diese Glocke tatsächlich munter mitzuschwingen – mit allen denkbaren negativen Auswirkungen auf den Klang.

Der Einfluss des Transistors

Der Dinosaurier unter den Hornlautsprechern: Das Klipschorn.
Der Dinosaurier unter den Hornlautsprechern: Das Klipschorn.
Als endlich Transistorverstärker mit genügend Leistung erhältlich waren, spielte die Empfindlichkeit der Lautsprecher keine so überragende Rolle mehr. Darüberhinaus wurden relativ einfache Formeln entwickelt, wie geschlossene oder Bassreflexboxen abgestimmt werden können. Mit deutlich weniger Aufwand war so schneller ein gutes Klangergebnis zu erzielen. Darum haben sich viele Entwickler und Anwender von den Hornkonzepten getrennt.
Eine erwähnenswerte Ausnahme bildet hier die Firma Klipsch des Amerikaners Paul Klipsch, welcher dem Hornkonzept seit jeher treu geblieben ist. Sein bekanntestes Kind ist sicher das Klipschorn, welches er in den 40er Jahren vorgestellt hat und das heute noch mit einigen Änderungen produziert und verkauft wird.

Der Einfluss der Computertechnik

Von Eminence speziell für die Wiedergabe in einem Horn entwickeltes Basschassis.
Von Eminence speziell für die Wiedergabe in einem Horn entwickeltes Basschassis.
Computersimulation, Laserholografie und die Fortschritte im Bereich der Membran- und Magnetwerkstoffe lassen Lautsprecherchassis, als Grundbaustein für jede Lautspecherbox, immer besser werden. Besser bedeutet, dass die Membran immer weniger anfällig wird auf Resonanzen, dabei möglichst steif ist und somit dem Antrieb genauer folgen kann, so dass ein Chassis mit weniger Korrekturen einen linearen Frequenzgang wiedergibt. Auch der Antrieb wird immer linearer, die Spulen und Aufhängung höher belastbar, so dass schliesslich auch die Verzerrungen sinken und der maximal erreichbare Pegel steigt - alles Eigenschaften, welche eigentlich ein Horn immer unnötiger erscheinen lassen.

Was aber passiert, wenn diese modernen Chassis in ein passendes Horn eingebaut werden? Diese Frage hat einige Entwickler soweit gebracht, dass heute Hornkonstruktionen am Computer ähnlich genau simulierbar sind wie Bassreflexboxen. Das umständliche Versuchsprinzip kann also an den Computer verlegt werden, was den Entwicklungsaufwand erheblich verringert und die Erfolgsaussichten stark verbessert.

Eine (kleine) Einschränkung

Der Hornsubwoofer (Kasten in der Mitte) der Acapella Sphaeron erreicht unanständige Dimensionen.
Der Hornsubwoofer (Kasten in der Mitte) der Acapella Sphaeron erreicht unanständige Dimensionen.
Der Arbeitsbereich eines Horns (nicht des Treibers/Chassis, sondern des Horns) ist abhängig von gewissen Parametern: Je tiefer ein Horn spielen soll, desto länger muss es sein und desto grösser muss die Mundfläche ausfallen.

Die Länge sollte ein Viertel der Wellenlänge der untersten Frequenz betragen. Bei 30 Hz sind dies beinahe 2.9 Meter.
Als Faustformel für die Mundfläche gilt, dass die Wellenlänge dem Umfang entsprechen sollte. Das Beispiel von 30 Hz zeigt, dass hier 11.5 Meter verlangt werden, welche eine Fläche von 10.5 Quadratmetern umspannen! Steht das Horn am Boden, so dürfen wir die Fläche halbieren. Weiter zeigt eine Reduktion um bis zu einem Viertel noch vertretbare Einschränkungen in der Wiedergabe.
Ein Horn, welches 30 Hz als untere Grenzfrequenz wiedergeben soll und auf dem Boden steht, muss also 2.9 Meter lang sein und die Mundöffnung sollte 2 auf 2 Meter nicht unterschreiten – viel Vergnügen!

Enorme Möglichkeiten

Deutschland scheint ein Hornland zu sein: Auch die Föön Neom1 werden dort in einem kleinen Betrieb hergestellt.
Deutschland scheint ein Hornland zu sein: Auch die Föön Neom1 werden dort in einem kleinen Betrieb hergestellt.
Wenn solche Dimensionen nicht abschrecken, sind die Möglichkeiten dieses Horns enorm. Im Grossbeschallungsbereich sind zwei auf zwei Meter Mundfläche kein Hindernis. Diese werden erreicht, indem zum Beispiel acht Hörner mit der richtigen Länge aber einer Mundfläche von 0,5 Quadratmetern zusammengestellt werden. Bezüglich der Bestückung jedes einzelnen Horns gehen die Ansätze auseinander: Einige Firmen verwenden ein Chassis mit 46 cm Durchmesser, andere setzen auf zwei mit 30 cm.

So hat der Chefentwickler von Servodrive, Tom Danley, in einem Forum für Beschallungstechnik mit den Forumsteilnehmern ein solches Horn entworfen. Die Pläne stehen zur freien Verfügung im Internet, die Chassis können auf dem Markt erworben werden (Link siehe unten). Der Hornmund jedes dieser Teilhörner hat die Dimensionen 60 x 120 cm. Unter Volllast bei 30 Hz verschiebt sich die Luft auf der ganzen Fläche des Hornmundes um mehr als drei Zentimetern in beide Richtungen! Vergleichen Sie die Membranfläche Ihres Lautsprechers und dessen maximale Luftverschiebung mit den genannten Werten....