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Verschiedene Lautsprecher von Manger, Quad, Klangwerk und PSI-Audio dienen als Komponenten für optimierte Beschallungssysteme.Verschiedene Lautsprecher von Manger, Quad, Klangwerk und PSI-Audio dienen als Komponenten für optimierte Beschallungssysteme.

High End-HiFi wurde und wird seit mehreren Jahrzehnte von vielen Musikhörern primär als Hobby interpretiert, was vielerorts zu Baukasten-Lösungen mit "ewigem" Projektcharakter führt. - Ein Weg, der niemals richtig enden will, weil er sehr oft einen Kreis beschreibt.

Klangwerk in Zürich ginge auf den ersten Blick als Architekturbüro durch und weckt damit vielleicht falsche Erwartungen. Das Verständnis des akustischen Lebensraums ist aber von zentraler Bedeutung, wenn Menschen mit Musik leben wollen.

Ein ganzheitliches Verständnis von Räumen und Musikwiedergabe führen bei Klangwerk zu intelligenten, querdenkerischen Lösungen, die zum Umdenken einladen. Unvoreingenommenheit vorausgesetzt, ist das gar nicht schwer.

Man kann Lautsprecher an die Seitenwände stellen. Man kann eine räumliche Illusion mittels Elektronik verbessern und vieles mehr. Der Name Klangwerk impliziert sinngemäss die Arbeit mit dem Klang, die Klang-Arbeit.

Den Wohnraum beschallen

Mit Markus Thomann von Klangwerk sprach Christian Wenger von avguide.chMit Markus Thomann von Klangwerk sprach Christian Wenger von avguide.ch

avguide.ch: Wie lange gibt es Klangwerk schon?

Markus Thomann: Die Klangwerk GmbH wurde 1997 in Biel gegründet. In den ersten Jahren arbeitete ich parallel noch als Architekt, bis mich ein Projekt so in Anspruch nahm, dass ich mich voll darauf konzentrieren wollte. Es gab verschiedene Konstellationen, die das begünstigten.

avguide.ch: Welches war der erste Lautsprecher?

Markus Thomann: Das war der Lautsprecher, den du im Büro gesehen hast und ein ästhetisch verwandter Wandlautsprecher. Das war ein Schuss ins Blaue und liess sich nicht kommerzialisieren. Ich warf es über Bord und begann neu mit dem Modell Onda mit Manger-Schallwandler. Verschiedene konstruktive Aspekte kamen zusammen: Die zweischalige Konstruktion mit einer äusseren Schale und einem inneren Kern und die Idee, den Lautsprecher an die Wand stellen zu können. Das war mir immer wichtig. Dann das Vollaktiv-Konzept und die Idee, zwei Lautsprecher an zwei parallelen gegenüberliegenden Seitenwänden platzieren zu können. Es ging mir mehr darum, Beschallungssysteme zu entwickeln, als Lautsprecher zu bauen. Die ursprüngliche Idee war es, Lösungen zu finden, um einen Wohnraum richtig zu beschallen. Dazu gehört es, dass man die Lautsprecher an die Wände stellen kann.

Klangwerk-Urmodell zur Überholung im GeschäftKlangwerk-Urmodell zur Überholung im Geschäft

avguide.ch: Warum?

Markus Thomann: Die Raumgeometrie begünstigt die Aufstellung an Wänden, und das sieht dann auch meistens so aus, weil die Leute die Lautsprecher so aufstellen. Sie stellen sie vor eine Begrenzungsfläche.

avguide.ch: Das mit den Seitenwänden verstehe ich. Dann sind die Lautsprecher ja weit von einer Rückwand entfernt. Wie sieht das aber mit einer Aufstellung an der Rückwand aus, oder klingt es nicht besser, wenn man sie in den Raum stellt?

Markus Thomann: Mit der Onda fand ich eine Form, die beide Aufstellungen ermöglicht. Frei aufgestellt ist es eine relativ grosse Schallwand mit einem asymmetrisch eingesetzten Treiber und in die Wand eingesetzt wurde das zu einem Kontinuum. Die Wellenform der Onda bewegt sich aus der Wand und geht wieder dahin zurück. Die Kunden waren teils begeistert, teils skeptisch, weil sie es als exotisch empfanden, und dazu war ich mit meinen Ideen völlig neu auf dem Markt. Ich habe ein letztes Paar Onda behalten; sie stehen bei mir zuhause an den Seitenwänden.

Die Furcht vor den Wänden

ELLA Aktivlautsprecher fügen sich auch angewinkelt harmonisch ins Bild.ELLA Aktivlautsprecher fügen sich auch angewinkelt harmonisch ins Bild.

avguide.ch: Woher kam diese Idee?

Markus Thomann: Von Jürg Jecklin (Beschallungsidee ausserhalb des 60°-Dreiecks) und vor allem von Harold Beveridge in den 1970er Jahren (Elektrostat mit Akustiklinse). Beide propagierten eine Aufstellungsgeometrie, welche die Platzierung an den Seitenwänden begünstigt. Das leuchtete mir ein, und ich experimentierte mit Lautsprechern, indem ich sie gegeneinander richtete, und nicht auf mich und zudem in einer gewissen Distanz zur Wand vor mir. Wenn ich den Kopf seitlich bewegte, kam ich vom Schallfeld des einen Lautsprechers in das des anderen. Die Reflexionen von der Wand vor mir kompensierten das zu einem gewissen Grad. Ich hörte mehr reflektierten Schall aus der Richtung aus der ich den Schall erwartete. So merkte ich, dass ich damit etwas Neues machen kann, Lautsprecher, die man an der Seitenwand platzieren muss.

avguide.ch: Kam das bei Kunden an?

Nur, wenn sie die Räumlichkeiten dazu hatten und nicht auf übliche Aufstellungen fixiert waren. Deshalb begann ich Formen zu bauen, mit denen auch übliche Aufstellungsmöglichkeiten funktionieren. Deshalb sind die aktuellen Modelle wie die Ella, im Gegensatz zur Onda, nicht mehr so explizit hinsichtlich Seitenwand-Platzierung geformt.

avguide.ch: Fürchten sich Musikhörer zu stark vor den Seitenwänden? – Obwohl deren Reflexionen ja kanalrichtig stattfinden und bei wandnaher Aufstellung praktisch zeitgleich?

Markus Thomann: Ja. Man sucht eigentlich die akustische Weite, die durch Wände akustisch, aber auch optisch blockiert wird. Ich suche immer nach Lösungen, die dahin tendieren, dass man in einem Raum nahe der Rückwand sitzt und vor sich viel akustischen und visuellen Raum hat. Dann kommen die Reflexionen stark zeitverzögert alle etwa aus derselben Richtung, aus der man den Schall erwartet. Das hat in vielen Fällen hervorragende Resultate gebracht. Auch Dipol-Lautsprecher, z.B. Elektrostate,n lassen sich gut an die Seitenwände platzieren. Der Schall-Schatten quer zum Dipol (der Schall hebt sich dort auf) ermöglicht es, sie stirnseitig praktisch an die Wand zu stellen.

MURO ist ein passiver Lautsprecher, optimiert für Onwall und Inwall Montage.MURO ist ein passiver Lautsprecher, optimiert für Onwall und Inwall Montage.

Phase und Aufstellung

Täuschend real: Modell einer AnwendungTäuschend real: Modell einer Anwendung

avguide.ch: Welche Kriterien müssen ein Lautsprecher und seine Aufstellung erfüllen, um eine perfekte Raumbeschallung zu ermöglichen?

Markus Thomann: Die Phasenrichtigkeit ist eminent für eine perfekte räumliche Darstellung, vor allem wenn man wirklich eine 60°-Aufstellung verwirklicht, das gleichseitige Dreieck also, was selten gemacht wird. Die meisten Musikhörer trauen dem Effekt der Phantomquelle nicht und stellen die Lautsprecher viel näher zusammen. Es ist ihnen nicht geheuer. Wenn Lautsprecher zeitrichtig arbeiten, kann man mit dieser Aufstellung eine perfekte Raumillusion erzeugen.

avguide.ch: Die Ella ist ja ein Aktivlautsprecher. Wie hast du die Phasenrichtigkeit bei der Ella verwirklicht?

Markus Thomann: Die Elektronik stammt von Relec und wurde bereits vor 20 Jahren für deren Studiomonitore (PSI-Audio) entwickelt und arbeitet rein analog. Sie wollten einen Lautsprecher entwickeln, der ein Rechtecksignal abbilden kann, was nur aktiv denkbar ist. Die Elektronik kontrolliert Ein- und Ausschwingvorgang über eine Linearisierung des Phasenverhaltens, sowie über eine Steuerung der Membranbewegung. Ich habe das Glück, dass sie mir diese Technologie angeboten und auf die Ella massgeschneidert haben.

avguide.ch: Wie funktioniert das bei deinen passiven Lautsprechern?

Markus Thomann: Da hat man weniger Möglichkeiten, die Phasenrichtigkeit umzusetzen. Man erreicht eine gute Annäherung in Teilbereichen mit einem möglichst schlichten Aufbau mit wenigen Komponenten. Dort hat ein Passivlautsprecher für mich seine Berechtigung: schlichte 2-Weg-Systeme mit einfachem Aufbau und wenigen Komponenten. Das mir wichtige Abstrahlverhalten kann man auch passiv sauber umsetzen. Es gibt Hersteller, die mit 3- oder 4-Weg-Systemen sehr gute Resultate erzielen. Wenn man aber sieht, welchen Aufwand bei diesen Frequenzweichen betrieben wird, dann muss man sich fragen, weshalb sie nicht eine Elektronik bauen und somit aktive Lautsprecher. Der Aufwand ist nicht gerechtfertigt, weil man passiv die grundsätzlichen Probleme nicht lösen kann, und das lässt sich hören. Man kann zwar immer verbessern, schleppt aber die Probleme mit.

Verblüffende Raumabbildung mit Onwall-Lautsprechern.Verblüffende Raumabbildung mit Onwall-Lautsprechern.

avguide.ch: Ist die Fixierung auf diese Fehler richtig? Viele Audiophile interessiert die Fehlerfreiheit nicht, sagen sie. Es muss einfach schön klingen. – Auch Messresultate interessieren sie nicht.

Markus Thomann: Für mich ist die Behebung solcher Fehler das Pflichtprogramm, und dann kommt die Kür. Bei Relec nennen sie das "le travail objectif et le travail subjectif". Deshalb ist es wichtig, das Messequipment zu Rate zu ziehen. Dass unser Gehör allein taugt, um das Pflichtprogramm zu bewältigen, das glaube ich nicht. Beim finalen Schliff ist der Spielraum dann immer noch gross genug und reicht für langwieriges Feintuning.

Designs für Manger und Quad entwickelt

Klangwerk-Design: Quad Elektrostaten mit integrierten SubsKlangwerk-Design: Quad Elektrostaten mit integrierten Subs

avguide.ch: Stehst du auf Klangfarben oder glaubst du an den richtigen Klang?

Markus Thomann: Richtig klingt es für mich, wenn es klingt wie ein richtiges Instrument. Meistens ist man weit weg davon. Dazu kommt das Verhalten im Raum, das mich besonders interessiert. – Das Abstrahlverhalten ausserhalb der Achse, das möglichst gutmütig sein sollte, idealerweise aber immer linear. Wichtig ist auch, dass der Lautsprecher richtig klingt, wenn man sich im Raum bewegt.

avguide.ch: Wie kombinierst du deine Eigenentwicklungen mit Manger und mit Quad? Ist Quad eine Liebhaberei und Manger einfach eine Vertretung, die du wahrnimmst? Gibt es seitens der Klangphilosophie einen Zusammenhang?

Markus Thomann: Der Zusammenhang zwischen den Produkten ist die Zeitrichtigkeit. Das stimmt bei allen, ist aber unterschiedlich und originell umgesetzt. Daraus entsteht ein Klang aus einem Guss. Ich empfinde das als angenehm und realistisch beim Musikhören. Dazu habe ich auch einige Designs für Manger und Quad entwickelt. Es gibt auch eine kommerzielle Sichtweise: Manger und Quad sind sehr bekannte Marken. – Quad seit 60 Jahren und Manger seit 45. Klangwerk hingegen kennt man noch bei weitem nicht so gut. Mit PSI kann ich natürlich auch das Segment der professionellen Musikhörer ansprechen, die den Lautsprecher als Arbeitsinstrument einsetzen. PSI kann aber auch durchaus eine gute Alternative für audiophile Musikhörer sein. Alle sind sie kleine Unternehmen und die Zusammenarbeit macht Spass und eröffnet Synergien dank unterschiedlichen Blickwinkeln auf die Musikwiedergabe.

Klangwerk-Design: Lautsprecher von Manger in der EckeKlangwerk-Design: Lautsprecher von Manger in der Ecke

avguide.ch: Du machst auch viel „Elektronik-Geschichten“ wie Raumkorrektur, Mehrkanal-Wiedergabe usw. Was bringt das dem Musikerlebnis?

Es geht auch hier wieder um das Beschallungsthema: Stereophonie ist die einfachste Möglichkeit, eine Räumlichkeit zu erzielen, nicht aber die Beste. Sie ist ein de-facto-Standard in der Musikindustrie, aber sie ist limitiert. Die Filmindustrie hat es begriffen. Surround-Widergabe für Musik ist leider ein Randthema Mit Illusonic-Prozessoren kann man das verbessern, speziell wenn man zusätzliche Lautsprecher einsetzen kann.

avguide.ch: Man macht also aus Stereo etwas Besseres?

Markus Thomann: Ja. Man "doped" Stereo. Illusonic extrahiert einfach gesagt den Räumlichkeitsanteil aus dem Signal und gibt diesen über die verfügbaren Kanäle wieder. Man intensiviert die Raumabbildung der stereophonen Aufnahme. Das ist schwierig für Puristen, aber das Resultat ist sehr überzeugend.

Das Klangerlebnis

ELLAELLA

avguide.ch: Was ist in der Pipeline?

Markus Thomann: Der Subbass. Dabei geht es um ein sinnvolles Möbel, welches gleichzeitig als Sub dient oder umgekehrt. Mein Ziel ist es, den Sub am Klangschloss 2015 vorzustellen.

avguide.ch: Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Im Anschluss an unser Gespräch hörten wir verschiedene Beispiele. Die aktiven ELLA-Lautsprecher wurden klassisch im Stereo-Dreieck plaziert und eingewinkelt. Die Musik erklang völlig real und bewegend, auch räumlich extrem exakt und ohne euphonische Artefakte. Der Sweetspot ist für eine optimale Ortungsschärfe schmal, in Bezug auf die tonale Ausgewogenheit des Klangbilds aber sehr gross. - Ideal um nicht nur konzentriert zu hören, sondern Musik auch überall im Wohnraum zu "empfangen".

Die Onwall-installierten MURO verblüffen durch das akustische Verschwinden der Frontwand, wenn man kurz die Augen schliesst. An gegenüberliegenden Seitenwänden montiert, entsteht eine überzeugende akustische Weite nach vorne auch an unterschiedlichen Standorten.

Markus Thomann ist ein Raum-Denker mit akustischem Weitblick. Er arbeitet subtil mit dem Lebensraum des Musikliebhabers und realisiert Beschallungssysteme, die audiophilen Ansprüchen in jeder Beziehung gerecht werden.

Dazu kann man auch noch Wohnen und sich am heimischen Ambiente erfreuen.