High End Swiss
Glücklicherweise griff uns 2009 die Deutsche High End Society unter die Arme und lancierte die High End Swiss im praktischen, gut gelegenen, aber etwas spröden Hotel Mövenpick in Regensdorf. Video wurde aus dem Programm gekippt, der Fokus liegt nun auf dem guten Ton. Im Jahr 2009 zählte man gut 1700 Besucher, in der Folge konnte die Zahl auf die Hälfte derjenigen, die einmal nach Luzern pilgerten, gesteigert werden. Seit 10 Jahren stagnieren die Zahlen auf tieferem Niveau. High-End-Musikwiedergabe ist und bleibt ein Nischenthema.
High-End-Messen im Ausland
Die Deutsche High End Society hatte ein glückliches Händchen mit ihrer nationalen High-End-Messe. Im Jahr 2004 zog sie aus dem zu klein gewordenen und unpraktischen Hotel in Frankfurt nach München in ein optimal eingerichtetes Messezentrum um, wo auf ideale Weise abgeschlossene Vorführräume und grosse Flächen in einer stimmigen Ambiance verbunden werden können. Damit legte sie den Grundstein für den Aufstieg zur weltweit wichtigsten Messe in der Branche mit jährlich gut 22'000 Besuchern, davon ein Drittel Fachbesucher. Die Schweiz profitiert von der geografischen Nähe.
Der etwas dezentrale Standort in Deutschland motivierte andere Veranstalter sowie die High End Society, lokale Hotelmessen übers Land verteilt anzubieten. Mittlerweile sind es sechs Messen mit beträchtlichem Publikumsaufmarsch und mit bis zu drei Mal so vielen Besuchern wie an der High End Swiss. Die zweitgrösste Messe in Europa ist die Audio Video Show in Warschau, die 2019 über 14'000 Besucher zählte. Daneben gibt es in vielen Ländern lokale Messen.
Noch mehr Interesse an Messen findet man in Asien, wo High-End-Hifi auch breitere Kreise interessiert. Alleine in Hongkong finden jährlich vier grössere Messen statt. Mit bis zu 30'000 Besuchern ist die HKAVShow die grösste High-End-Messe in Asien. Die Messen sind Happenings, zu denen auch Familien und Touristen pilgern, das Rahmenprogramm ist sehr breit.
High-End-Charme im Klangschloss
High-End fasziniert nach wie vor als Nischenthema. Die (Hotel-)Messen spielen seit vielen Jahren eine bedeutende Rolle der Vermittlung des Themas nach aussen. Nirgendwo sonst kann man sich in so kurzer Zeit einen derart breiten (Hör-)Eindruck verschaffen, auch wenn es für die Aussteller immer eine Herausforderung ist, einen möglichst guten Klang zu realisieren.
Für das ultimative Klangerlebnis sind die räumlichen und akustischen Gegebenheiten nicht ideal, aber einen guten Eindruck erhalten die Besucher alleweil. Technik wird sinnlich erfahrbar, man kann die Macher persönlich treffen und später ein Fachgeschäft zur Vertiefung aussuchen.
Weil Musikwiedergabe ein sinnliches und emotionales Thema ist, bin ich überzeugt, dass der passende architektonische Rahmen eine Messe entscheidend beleben kann. Dies hat mich im Jahr 2006 motiviert, als die Schweizer High End noch im nüchternen Seedamm-Plaza stattfand, mit ein paar Gleichgesinnten das Klangschloss in Greifensee ins Leben zu rufen.
Die Reaktion der Besucher war auf Anhieb begeisternd, auch wenn zuerst nur knapp 300 Besucher ins romantische, kleine Landschloss pilgerten. Mit den Jahren zählten wir mehr als doppelt so viele. Der Mix aus Romantik und Rahmenprogramm vermag die bezüglich Veranstaltungen verwöhnten Schweizer nach Greifensee zu locken.
Mit der Erweiterung um das wunderschöne Landenberghaus und den Live Recording Sessions glaube ich, dass nach dem diesjährigen Covid-Ausfall das Klangschloss 2021 noch ein bisschen populärer wird.
Messen sind nur bedingt zeitgemäss
In unserer Zeit haben Messen einen schweren Stand. Das Veranstaltungsangebot ist riesig und die Informationsfülle im Internet schier unerschöpflich. Für Nischenthemen ist es erst recht schwierig, im Fokus der Öffentlichkeit zu bleiben. Umgekehrt haben solche Themen durch geschickte Online-Vermarktung grosse Chancen auf überregionale Beachtung. Manche Youtube-Videos über absolute Nischenprodukte und von bekannten Bloggern können über eine Million Aufrufe erzielen. Messen wirken dagegen wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit.
Es ist kein Zufall, dass im stagnierenden High-End-HiFi-Markt sich neben den etablierten Print-Magazinen auch immer mehr Online-Fachmagazine tummeln und um Werbekunden buhlen. Sie arbeiten mit geringen Kosten und grosser Reichweite.
Die Informationsflut wird online grösser und unübersichtlich, die Qualität der Information steigt damit aber nicht an, denn Qualität kostet. Wenn es den Herstellern aber gelingt, über diese Kanäle genügend Besucher in Fachgeschäfte zu lotsen oder sie sogar zum Online-Kauf zu animieren: Was bringt denn das Ausstellen auf einer HiFi-Messe, die nur ein kleines Publikum ansprechen kann?
Die HiFi-Messe hat einen grossen Vorteil: Sie kann das Live-Erlebnis bieten. Die Produkte sind echt erlebbar, man lernt die Menschen dahinter und ihre Ideen persönlich kennen und nimmt emotionale, berührende Erlebnisse mit. Man baut Vertrauen auf, digitale Informationen und analoges Erlebnis. Messen sind gut für Neugierige – und für die Fachbesucher ein effizienter Ort der Kontaktpflege.
Für die Aussteller sind sie nicht nur Verkaufsplattform. Sie dienen auch dem Prestige und der eigenen Inszenierung. Sie unterstützen aber auch die Berichterstattung, sorgen für Kundenfeedbacks und liefern Bildmaterial zur Eigenwerbung in allen Kanälen, speziell in den sozialen Medien. Deshalb ist der attraktive Rahmen einer Messe von Bedeutung, architektonisch und programmatisch.
Covid-19 wird unmittelbar für die nächsten Messen eine Herausforderung sein, wie für alle Live-Events. Es ist zu hoffen, dass der Drang, ausserhalb der eigenen vier Wände etwas in einer Gemeinschaft zu erleben, ungebrochen bleibt.
High-End-HiFi ist nostalgisch
Aufgenommene Musik wird heute im grossen Stil anders konsumiert als vor 60 Jahren, als High-Fidelity aufkam. Smartphones, Internet, Boomboxen und Streaming machen das Musikhören mobil, Bildschirme werden zum neuen Lebensmittelpunkt. Wer nicht unterwegs Musik hört, setzt sich zuhause gerne vor den TV und hört den Ton im besten Fall über eine Soundbar.
Wenn Musik gehört wird, dann oft im Hintergrund als Klangtapete. Im Gegenzug wird Live-Musik immer wichtiger und Konzerte und Festivals boomen, auch weil die Musiker wegen des ruinösen Streaming-Trends nur noch so Geld verdienen können.
Sich in einem Sessel vor zwei Lautsprechern entspannt eine LP durchzuhören, wirkt dagegen anachronistisch und spricht eine kleine, fast ausschliesslich männliche Minderheit an, verströmt aber einen anhaltenden Reiz.
Musikhören lässt einem zuhause in unterschiedliche akustische Welten und Zeiten abtauchen und sich an den Geräten freuen. Die Technik hat sich zwar seit den 1960er-Jahren entwickelt, die Wiedergabequalität wurde optimiert, aber Quantensprünge wie etwa in der Videotechnik hat es nicht gegeben.
Die grundlegenden Erfindungen stammen fast ausnahmslos aus dieser Zeit. Musik wird immer noch stereofon gehört. Mitunter die angesehendsten Aufnahmen stammen aus dieser Zeit. Die Vielzahl an Reissues und Remasters berühmter Aufnahmen unterstreicht den Retro-Charakter.
Die LP als anachronistisches Wiedergabemedium feiert ein Comeback. Manche Hersteller mit Tradition legen neue Editionen ihrer berühmten Klassiker auf. Vintage-Hifi boomt, Röhrenverstärker, oft gekoppelt mit wuchtigen Old-School-Lautsprechern, gelten manchen als Nonplusultra.
Die High-End-HiFi-Bewegung, die vom Massentrend längst abgehängt wurde und in einer anderen Zeit wurzelt, kann letztlich nur in der Nische weiterleben. Wenn es gelingt, den Wert der Nische auch jüngeren Musikliebhabern aufzuzeigen, dann lebt das Thema weiter, die Hersteller und die Musikproduzenten bleiben motiviert und sehen darin auch eine wirtschaftliche Zukunft.
Einfach ist dies nicht, aber High-End-HiFi-Messen können dazu einen Beitrag leisten. Doch sie müssen dem nostalgischen Charme des Themas gerecht werden und exklusive Erlebnisse bieten, die online nicht möglich sind. Und es muss darüber berichtet werden!