Rotel Michi.Wirklich klein geraten ist das neue Mitglied der Michi-Familie nicht: Der X3 sitzt im gleichen quadratischen Gehäuse wie der P5 (Test nachzulesen: hier). Mit 48,5 cm Gehäusebreite und gut 45 cm Tiefe beansprucht er reichlich Stellfläche. Wie schon der Vorverstärker wirkt auch der X3 dennoch nicht bullig. Dank dem edlen Finish mit verspiegelter Front und seitlich gerundeten Gehäusekanten hinterlässt er ebenfalls einen rundum ansehnlichen Eindruck. Das aufgeräumte Layout mit nur zwei Drehstellern sowie Ein/Ausschalt-Taste gefällt auf Anhieb und lässt Handling-Probleme aussen vor.
Setup und Bedienung sind auch beim Michi-Vollverstärker vorbildlich einfach. In der Hochglanzfront ist nämlich ein Multifunktions-Display eingebaut, welches die Installation und den alltäglichen Umgang mit dem Gerät enorm erleichtert. Hier kann man Eingänge umbenennen, die Grundlautstärke definieren oder auf Wunsch Bässe und Höhen wie auch die Balance regulieren. Dies alles geschieht bequem über die ausnehmend übersichtliche und gut in der Hand liegende Vollmetall-Fernbedienung.
Die schmucke Vollmetallfernbedienung liegt gut in der Hand und gibt keine Rätsel auf.Auch die Anschlussperipherie lässt kaum Wünsche offen. Vier analoge Eingänge (einer davon XLR-symmetrisch) sowie nicht weniger als sechs Digitaleingänge lassen keine Engpässe befürchten. Vinyl-Liebhaber finden einen Phono-Eingang für MM-Tonzellen. Leise Moving-Coil-Abtaster können jedoch nicht direkt angeschlossen werden. Dafür ist die Eingangsempfindlichkeit von 5,1 mV deutlich zu niedrig. Der X3 bevorzugt laute MM-Tonzellen. Der auf einem Thorens TD 309 montierte Basis-Tonabnehmer AT 95 E sorgte mit seinen 3,5 mV für eine Wiedergabe ohne hörbare Störgeräusche – dies auf einem (angesichts der Einsteigerzelle) überraschend hohen Klangniveau.
Auf dem Display werden die Quelle und die eingestellte Lautstärke angezeigt.Die Digitalsektion arbeitet mit einem HiRes-DAC der neusten Generation und dekodiert mit dem passenden USB-Treiber theoretisch Abtastraten bis 384 kHz und 32 Bit. DSD- und DoP-Files werden (beispielsweise im Zusammenspiel mit dem Softwareplayer Foobar) ebenfalls unterstützt.
Über den eingebauten Bluetooth-Empfänger eröffnet der X3 auch die Wireless-Musikwiedergabe ab Handy oder Tablet. Dies – dank AptX-Kompatibilität – in ganz manierlicher Klangqualität. Wer ob der rückwärtigen Ethernet-Buchse zusätzlich einen integrierten Streamer vermutet, liegt hingegen falsch: Der LAN-Anschluss dient lediglich zu einem etwaigen Software-Update und (zusätzlich zur ebenfalls vorhandenen RS232-Schnittstelle) zur Integration des Verstärkers in ein Heimautomationssystem.
Volle Packung: Die Anschlussperipherie lässt keine Wünsche offen.Die Kopfhörerbuchse auf der Front ist für 3,5-mm-Miniklinkenstecker ausgelegt. Beim Anschliessen eines Kopfhörers wird das Signal an Preamp- und Lautsprecherausgängen unterbrochen. Die acht massiven, Rhodium-beschichteten Boxenterminals lassen sich für Bi-Wiring nutzen. Eine A/B-Lautsprecherwahl ist aus puristischen Gründen nicht vorgesehen. Ebenso wenig kann man die Endstufensektion ausschalten und den X3 nur als Vorverstärker nutzen. Hier hat der RA-1592 vom gleichen Hersteller (Test nachzulesen: hier) systemische Vorteile.
Wie im Lehrbuch: Der Innenaufbau des Michi X3 zeugt von durchdachtem Aufbau und hohem Materialaufwand.Das Innenleben des Michi X3 kann sich wahrlich sehen lassen. In Rotel-typischer Manier kommt ein satt dimensionierter, gekapselter Ringkerntrafo aus hauseigener Fertigung zum Einsatz. Zusammen mit der ebenso üppig ausgelegten Elko-Siebkapazität stellt das Netzteil genügend Strom für die hohe Ausgangsleistung von bis zu 2 x 350 Watt zur Verfügung. Die beiden Endstufenplatinen weisen eine überraschende Ähnlichkeit mit denjenigen aus dem RA-1592 auf. Auch die identische Leistungsangabe (2 x 200 Watt RMS an 8 Ohm) legt die Vermutung einer technologischen Verwandtschaft in diesem Bereich nahe. Völlig neu im Michi X3 sind hingegen die Vorverstärker-, Steuer- und Digitalplatine, die im dreifachen Huckepack übereinander montiert sind.
Dreamteam mit Signature
Trumpfte im Zusammenspiel mit High-End-Verstärkern ganz gross auf: Die neue 702 Signature von Bowers & Wilkins.Passende Spielpartner für den Michi X3 waren schnell gefunden: Die 702 Signature von Bowers & Wilkins (Paarpreis: CHF 5390) hatten im Test auf avguide.ch ja bereits mächtig Eindruck hinterlassen. Dies allerdings im Zusammenspiel mit der ungleich teureren Vor- und Endverstärker-Kombination Classé Delta (Preis zusammen: CHF 26'400). Nun waren wir gespannt, ob die wunderschön verarbeiteten britischen Standboxen auch mit einem preislich passenden Vollverstärker klanglich auftrumpfen würden.
Die Antwort war schon nach wenigen Musikstücken klar: Den Hörtest-Klassiker «Tra le Fiamme» setzte die Rotel/Bowers&Wilkins-Kombi andächtig mit sehr viel Charme und Anmut in Szene. Stimmen kamen mit wunderbarer Ansprache und schönem Timbre. Fast schon «röhrenähnlich» war man da geneigt zu sagen, zumal die Wiedergabe insgesamt sehr viel Schmelz aufwies.
Dass der Michi X3 aber auch anders kann, zeigte er sodann bei einem anderen, immer wieder gern gehörten Titel: Mark Knopflers «Boom, like that» erklang filigran, anstrengungslos und doch vital und spannend. Auch hier erwies sich die unaufdringliche und feine Hochtonwiedergabe als unwiderstehliche Einladung, in die Aufnahme hineinzuhören – und dies gerne auch bei hoher Lautstärke. Der Bass wirkte bestens definiert und gefiel mit Druck und Tiefgang. Davon profitierte auch akustischer Jazz mit gezupftem Kontrabass: So das spielte Bobo Stenson Trio ebenso kraft- wie prachtvoll auf. Der Flügel überzeugt mit majestätischer Abbildung und superben Klangfarben. Die Perkussion mit feinen Glanzlichtern.
Spätbarocke Musik auf historischen Originalistrumenten: Wunderbares Klangvergnügen von Johan Joachim Agrell.Klassikliebhaber werden die Klangpracht dieser Verstärker/Lautsprechkombination lieben. So werden etwa die historischen Originalinstrumente des Helsinki Baroque Orchestra auf der Aufnahme «Johan Joachim Agrell: Orchestral Works» sehr charakteristisch wiedergegeben. Auch die oftmals kritischen Streicher klingen gleichermassen lieblich und doch präzis, aber ohne harschen Anstrich.
Beethovens Klavierkonzert No. 4 mit dem Freiburger Barockorchester und Kristian Bezuidenhout (inszeniert mit historischen Instrumenten, inkl. nachgebautem historischen Graf-Flügel) bestätigt die Synthese aus dramatischer Spielweise und musikalischer Anmut ohne nervösen Beigeschmack. So ist es ein Genuss, dieses Werk über die 702 Signature auch mal richtig laut zu hören. Fortissimo-Stellen kommen sauber und vital, ohne aggressives Beiwerk. Der Klang des Flügels beeindruckt mit wunderbar gehaltvollem Timbre und allerschönsten Klangfarben.
Alles auf Originalinstrumenten: Sogar der Flügel wurde für diese tolle Aufnahme historisch nachgebaut.Fazit
Alles in allem eine klare Sache: Der Rotel Michi X3 treibt die famose 702 Signature von Bowers & Wilkins auf charmante und relaxte Art zur Hochform; man kann hier wirklich von einem Dream-Team sprechen. Nun drängte sich natürlich die Frage auf, ob der X3 sogar ausgewachsene High-End-Boliden wie eine Bowers & Wilkins 802 D3 adäquat in Szene setzen würde. Mit dem Hintergedanken, dass man vielleicht mit dem halben Preis einer Vor-Endstufen-Kombination wie der Michi P5/S5 (Testbericht: hier) ein ähnlich hohes Klangniveau würde verwirklichen können.
Tatsächlich gefielen auch über den X3 die zarte Ansprache und das fast schon röhrenähnliche Timbre. Freilich konnte der Vollverstärker bei tieftonreicher Musik über die 802 D3 nicht das gleiche Ausmass an Druck, Tiefgang und Bassdefinition aufbauen wie der S5. Und auch bei der räumlichen Abbildung erwiesen sich Vor- und Endverstärker dank ausgeprägterer Durchhörbarkeit als klar überlegen. Das spricht aber nicht wirklich gegen den Michi X3 – mit einem passenden Lautsprecher (wie einer 702 Signature von Bowers & Wilkins) bleiben nämlich keine Wünsche offen.
Gruppenbild mit drei Schönlingen: Sowohl die Bowers & Wilkins 702 Signature wie auch der Rotel Michi X3 und der Thorens TD 309 gefallen mit ihrem besonders ästhetischen Erscheinungsbild.
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