TESTBERICHT
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Höreindrücke

Röhrengeräte haben ja schon bei der Inbetriebnahme mit dem korrekten Einstecken der Glaskolben einen speziellen Charme. Mir gefällt dieses Ritual. Wenn nach der Verkabelung mit dem Streamer und den Lautsprechern dann die Röhren glühen, kann der Musikspass schon losgehen. Beim Einstecken der Röhren kann man eigentlich nicht viel falsch machen, sie können ja nicht wirklich komplett falsch eingesteckt werden. Trotzdem ist etwas Fingerspitzengefühl gefragt und man sollte die Röhren nur mit einem feinen Tüchlein oder mit feinen Stoff-Handschuhen anfassen.

Das Gerät war frisch ab Fabrik. Es musste, oder besser gesagt: durfte sich bei mir noch einspielen, was ein Vergnügen war, denn der Cobra klang schon out-of-the-box sehr leichtfüssig! Nach einigen Tagen einspielen und akklimatisieren wollte ich es wissen: Mein Streamer bediente den eingebauten Digital/Analog-Wandler, ein frischer Espresso war vor mir und meine Qobuz-Playlist war aufgelegt.

Session 1
Beim ersten Hörtest versuchte ich mich auf den «Röhrensound» zu konzentrieren. Ich begann es ruhig anzugehen, Till Brönner schmeichelte mit «Oceana» zwar meinen Hörgängen, aber es war ziemlich schnell klar: Der Cobra ist kein Schmeichler! Die Trompete von Brönner hatte den typisch metallischen Klang und die Anblase-Geräusche kamen extrem realistisch rüber. Dann wechselte ich in die Populärklassik-Abteilung zum berühmten Triumpfmarsch aus «Aida» von G. Verdi. Auch da schmetterten die Bläser das Intro in meine Wohnung – Gänsehaut pur. Bitte nochmals – dieses Mal noch lauter. Dank der Fernbedienung konnte ich sitzen bleiben. Oh mein Gott, hoffentlich reklamieren meine Nachbarn jetzt nicht!

Wieder zurück zum Jazz und zu Marcus Miller. Sein cooler Jazz Style mit dem charakteristischen Elektrobass ist ja schon legendär. Die kurze «Intro Duction» auf dem Album «Silver Rain» gab einen Vorgeschmack. Auch hier kam der Bass mit richtigem Groove, Tempo und Slam. Der Bass war sehnig, austrainiert, kein Gramm Fett, also schnell und präzise, mit einem Hauch Röhre. Der letzte Druck eines Transistorverstärkers war natürlich nicht da. Aber Peter Qvortrup bedient diese Fraktion von High-End-Fans eh nicht. Sie wissen ja inzwischen: von wegen organischem, natürlichem AN-Sound und so!

Der Audio Note Cobra mag mit guten Netzkabel gefüttert werden. Ein gerade bei mir befindliches Über-Stromkabel hat den Cobra regelrecht beflügelt. Beim Netzkabel zu sparen, ist also definitiv die falsche Strategie und auch hier bietet Audio Note für jeden Geldbeutel das entsprechende Stromkabel an: Kupfer bei den Einsteigermodellen, Silber bei den Topmodellen. Echte Audio-Note-Jünger verzichten auf Stromfilter, also auch da folgt AN nicht dem Mainstream.

Im original mattschwarzen Stealth Design - cool!Im original mattschwarzen Stealth Design - cool!

Session 2
Jetzt wollte ich hören, was der Cobra an einem Lautsprecher mit weniger Wirkungsgrad macht. 88 dB, um präzise zu sein. Nach dem Kabelumstecken musste es der Electro Sound des Produzenten William Orbit sein. Sein unglaublich spannender, vielseitiger Electro Sound stellt hohe Anforderungen an jeden Verstärker, aber auch die Räumlichkeit kommt nicht zu kurz, wenn das Equipment stimmt. Was die Wenigsten wissen: William Orbit hat drei Madonna-Alben produziert und kam so in den 90er-Jahren ins Rampenlicht des Massenpublikums.

«Strange Cargo» ist aus meiner Sicht sein Meisterwerk und ist zudem auch hervorragend aufgenommen. Auf «Strange Cargo III» wollte ich mit dem treibenden Stück «Into the Paradise» den Cobra aus seinen Reserven locken. Und tatsächlich, ich konnte ihn fordern. Die gelieferten 28 Röhrenwatt kamen an ihr Leistungslimit. Röhrenverstärker benehmen sich ja Gott sei Dank an ihrer Leistungsgrenze gnädig und produzieren harmonische Verzerrungen – ganz im Gegensatz zu ihren Transistorkollegen.

Lautsprecher mit 90 dB oder mehr Wirkungsgrad sind für einen 28-Watt-Röhrenverstärker ganz einfach die bessere Wahl. Bei den hauseigenen AN-Lautsprechern gibt’s ja immer mindestens 90 dB Wirkungsgrad und so ist man innerhalb des «Audio-Note-Ökosystems» frei in der Wahl. Nur die eigenen finanziellen Möglichkeiten limitieren leider den Musikliebhaber in seiner Auswahl.

Und zum Schluss nochmals mit offenem Verdeck!Und zum Schluss nochmals mit offenem Verdeck!

Fazit

Röhrengeräte haben ja den Ruf, eher Klangschmeichler oder Weichzeichner zu sein. Tja, gerade im Fall des Cobra stimmt genau dieses Vorurteil gar nicht. Im Blindtest hätte ich genau hinhören müssen, um herauszufinden, zu welcher Sorte Verstärker er gehört. Ich konnte ihn mit verschiedenen Quellen hören, mit dem internen Wandler oder über einen externen Digital/Analog-Wandler. Der eingebaute DAC spielt in etwa in der CHF-2000-Liga, und wer noch mehr will, muss tiefer in die Tasche greifen und auch noch ein sehr gutes Cinch-Kabel dazulegen. Insofern ist der AN Cobra mit einem Verkaufspreis von CHF 5000 preiswert und der Preis-Leistungs-Sieger im AN-Sortiment!

Der AN Cobra ist somit der ideale Verstärker für Audiophile, die bisher mit Transistor- oder Digitalverstärken gehört haben und mal einen Röhrenverstärker ausprobieren wollen – mit dem Risiko, in das Röhren-Lager wechseln zu müssen. Diese Einschätzung hat übrigens auch Charly Baggenstos geteilt, als ich das Testgerät wieder nach Ibach zurückbrachte. Ein Hardcore-Röhrenfan wird wohl eher bei den grösseren und notabene auch teureren Brüdern des Cobra, namentlich dem Soro, Meishu Tonmeister und Jinro oder wie sie alle heissen, glücklich werden. Aber Achtung: Röhrensucht-Gefahr besteht bei AN-Geräten so oder so!

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STECKBRIEF
Modell:
Cobra
Profil:
Integrierter Röhrenvollverstärker mit eingebautem Digital/Analog-Wandler und Fernbedienung
Pro:
- Komplettes Verstärkerpaket inkl. Fernbedienung
- neutraler, dynamischer Klang
- Class-A-Klang-Charakter mit relativ grossen Reserven
- Optisch interessant und exklusiv in verschiedenen Gehäusefarben bestellbar
- Röhrentypen sind geläufig und in grosser Auswahl erhältlich
Contra:
- hoher Stromverbrauch und starke Hitze-Entwicklung
Preis:
5,000.00 CHF
Hersteller:
Jahrgang:
2020
Vertrieb:
Masse:
340 mm x 450 mm x 180 mm mm
Gewicht:
13,6 kg
Farbe:
schwarz
Symmetrischer Eingang:
Nein
Analog Input:
3 RCA
DA-Wandler:
JA
Digital Input:
S/PDIF Koaxial, TOSLINK Optisch und USB-B
Leistungsaufnahme:
175 W
Leistungsaufnahme Standby:
175 W
Röhrentyp:
4 x EL34, 2 x 5670, 2 x 6AU6
Verstärkerleistung 4 Ohm:
28 Watt
Verstärkerleistung 8 Ohm:
28 Watt