Schaltungstechnik und Klangqualität
In einem Video erklären die Cyrus-Ingenieure detailliert die technischen Feinheiten, die beim Classic Amp zur Anwendung kamen. Erklärtes Ziel bei der Entwicklung war es, das hohe Qualitätsniveau der teureren XR-Serie auf einen kostengünstigeren Rahmen herunterzutransferieren – ohne dass die Klangqualität auf der Strecke bleibt. Schaltungstechnisch wurde der Classic Amp besonders auf Rauscharmut und hohe Signaltreue hin optimiert. So verfügt er wie seine teureren Brüder aus der XR-Reihe über eine besonders hochwertige, da gegenüber FET-basierten Schaltern verlustärmere Eingangswahl per Relais.
Das gesamte Schaltungslayout soll beim Classic auf niedrige Impedanz und geringere thermische Verluste hin ausgelegt sein. So kommen grosszügig dimensionierte Koppelkondensatoren und besonders hochwertige Puffer-Operationsverstärker zum Einsatz. Auch beim Netzteil wurde Hand angelegt: Es soll (unter anderem dank dem Einsatz von Shottky-Dioden in der Stromgleichrichtung) besonders stabil sein und selbst hohe Stromimpulsspitzen zuverlässig und schnell anliefern. Der leistungstarke Ringkerntrafo offeriert eine separate Wicklung für die Vorstufe, währenddem die DAC-Karte gar über ein eigenens Schaltnetzteil verfügt. Darüber hinaus ist der Classic Amp für das Upgrade mittels optionalem Netzteil PSX-R2 (Preis: CHF 1190) gerüstet. Dieses stellt voll stabilisierte 300 Watt zur Verfügung und optimiert insbesondere die Stromversorgung der Vorstufe. Laut Cyrus soll der Classic Amp bezüglich räumlicher Abbildung, Detailtreue, Dynamik und Timing der Wiedergabe vom Anschluss eines PSX-R2 enorm profitieren.
Dank der insgesamt eng tolerierten Schaltung konnte beim Classic auf eine Gleichstrom-Servo-Regelung im Ausgang verzichtet werden, was der Schnelligkeit der Signalverarbeitung zugute kommt. Davon profitieren auch die neuen, schnelleren Endtransistoren, die dem Classic zu einer besonders akkuraten Musikwiedergabe verhelfen sollen. Gegenüber der XR-Verstärkerserie von Cyrus wurde die Übertragungsbandbreite der Classic-Modelle leicht eingeschränkt. Laut Cyrus soll dies das Zusammenspiel mit preisgünstigen Lautsprechern (die eher Probleme im Ultraschallbereich aufweisen sollen) erleichtern. Mit 50 kHz oberer Reichweite (-3 dB) überträgt der Classic Standard-HiRes-Files (mit 96 kHz) jedoch noch ohne Einschränkungen.
Selbst für teure Lautsprecher geeignet
Im Unterschied zur Empfehlung von Cyrus, den Classic Amp bevorzugt mit preisgünstigeren Lautsprechern zu kombinieren, hörten wir ihn über ein Paar Bowers & Wilkins 805 D4 (Paarpreis CHF 8800). Denn um die absolute Klangqualität zu beurteilen, sollten die angeschlossenen Lautsprecher keinen limitierenden Faktor darstellen.
Schon frisch ausgepackt und noch nicht eingespielt, klang der kompakte Brite frisch und vital. Mit zunehmender Einspieldauer (wir hörten den Cyrus über rund zwei Wochen) entfaltete sich ein sehr hohes Mass an Klangkultur, die den Classic eindeutig zur Einordnung in die Oberklasse «audiophiler» Vollverstärker berechtigt. Dabei gewannen wir keineswegs den Eindruck, dass dieser bezahlbare Vollverstärker die teuren Edellautsprecher nicht auf Trab bringen könnte. Auffallend war die ausgeprägte räumliche Transparenz. So weiträumig und stereofon perfekt aufgefächert bilden nur wenige Verstärker in dieser Preisklasse ab.
Auch die klangliche «Ansprache» kann sich hören lassen. So viel Anmut und Finesse in der Musikwiedergabe sind ebenfalls aussergewöhnlich. Im Hochtonbereich agiert der Classic mit einer schönen, aber nicht übertriebenen Brillanz. Gerade hier reagieren die 805 D4 von Bowers & Wilkins durchaus allergisch auf eine analytische Abstimmung des Verstärkers. Wunderbar kamen die tonal wichtigen Mitten. Das hat schon Klasse, mit welchem Timbre sowohl Streicher wie Piano im Hörraum erklangen.
Das Versprechen von Cyrus, den Classic Amp besonders rauscharm auszulegen, zahlt sich ebenfalls aus. So etwa bei der vorzüglichen Aufnahme von Bobo Stensons «Canción Contra La Indecisión», die über den Classic Amp gehört eine bemerkenswerte innere Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte. Eine Tugend, die bei bezahlbaren Verstärkern keineswegs selbstverständlich ist.
Die Qualität der Tieftonwiedergabe lässt ebenfalls wenig zu wünschen übrig. Gute Konturen und reichlich Tiefgang verleihen dieser Aufnahme die notwendige «Schwärze». Nur wer den ultimativen Druck im Tiefbassbereich sucht, stösst naturgemäss an die physikalischen Grenzen dieses kompakten Vollverstärkers.
Zu guter Letzt wollten wir noch wissen, wie sich der neue Classic Amp gegenüber dem älteren Cyrus 8.2 DAC QXR, der ja seinerzeit mit CHF 2590 preislich höher angesiedelt war (und zudem nicht mit einem Phono-Eingang aufwarten konnte), würde behaupten können. Für sich gehört, klang der 8.2 durchaus ansprechend und harmonisch. Dennoch konnte man sich bei längerem Hinhören des Eindrucks nicht erwehren, dass die besonderen Tugenden der Bowers & Wilkins 805 D4 (so etwa die enorme Spielfreude und die ausgeprägte räumliche Transparenz) nicht voll ausgereizt wurden. Der diesbezügliche Zugewinn beim Wechsel auf den Classic Amp war dann doch enorm und nicht zu überhören. Die musikalische Ansprache gewann insgesamt an Kontur und Authentizität: Der Neue klingt freier, unbeschwerter und gleichzeitig nachdrücklicher.
Fazit
Klare Sache: Unbeeindruckt davon, dass Cyrus den Classic Amp nach eigenen Angaben speziell für das Zusammenspiel mit eher preisgünstigen Lautsprechern optimiert hat, empfiehlt er sich in Tat und Wahrheit auch für teure Schallwandler. Er hat eindeutig das Attribut «High-End-tauglich» verdient und hat ganz klar das Zeug zum langlebigen Klassiker. Aufgrund des vergleichsweise günstigen Preises darf man diesem britischen Vollverstärker durchaus das Label «Best Buy» anhängen.