TESTBERICHT
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ARTIKEL
Publikationsdatum
23. August 2019
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Es «gab» bei hochklassiger Musikwiedergabe klare Regeln und Grundsätze, oder wenigstens vertraute Abhängigkeiten: Zunächst wurden HiFi-Geräte in der Regel von jeweils einem Hersteller entwickelt und hergestellt. Die Qualität der Geräte war meistens sichtbar: Es gab einen Zusammenhang zwischen Klangqualität und Fertigungsqualität. Da hohe Fertigungsqualität teuer war, kosteten hochwertige Audio-Komponenten auch entsprechend mehr.

Es «gab» natürlich immer Ausnahmen – und nicht einmal wenige. Trotzdem waren die meisten HiFi-Freaks überzeugt, für mehr Geld etwas Besseres und Nachhaltigeres zu bekommen und ihren bevorzugten Herstellern und deren Kompetenz zu vertrauen. Die zunehmende Abkehr von physischen Tonträgern und Datenträgern hin zu Download, Computer-Audio, Streaming, sprich, die Digitalisierung der Musikwiedergabe, bringt viele Veränderungen. Wenn man sich eine moderne Musikwiedergabekette funktional betrachtet, dann beinhaltet diese die folgenden Funktionen:

- Streaming
- DSP: Digitales Signal-Processing
- Digital/Analog-Wandlung
- Verstärkung
- Schallwandlung

Funktionen und Kompetenzen

Wenn man die Funktion DSP getrost als fakultativ «wegdenkt» und das enorm wichtige «Clocking» der Digital/Analog-Wandlung zuweist, dann reduziert sich die Funktion des Streamings auf Entwicklungskompetenzen, die nicht mehr mit den klassischen Entwicklungskompetenzen von Audio-Entwicklern im Einklang sind. Die Streaming-Funktion muss sicherstellen, dass Musikdaten exakt von lokalen oder Internet-basierenden Speichermedien abgeholt werden können und mit einer grafischen Nutzeroberfläche (GUI) bequem zu bedienen sind.

Diese Kompetenzen findet man bei IT-Spezialisten, und die können auch im Verbund arbeiten, brauchen also nicht von einer Firma angestellt zu sein. Sie können als Community operieren, was von Vorteil ist, denn viele Spezialisten generieren viel mehr gute Ideen, die dann orchestriert und umgesetzt werden können. Volumio.org ist eine solche Community. Das (vorläufige) Ergebnis steht nun vor uns und nennt sich Volumio Primo («The Audiophile Music Player»).

Volumio.org

Volumio war zu Beginn also kein eigentlicher Hersteller, sondern der Verbund einer Handvoll IT-Audiofreaks, dem Vernehmen nach Italiener. Vorteil: Sie hören Musik auf HiFi-Anlagen, sie verstehen HiRes-Audio und sie kriegen nach sechs Stunden Programmieren die bessere Pizza geliefert als wir ...

Mittlerweile ist es eine Community von 200'000 Mitgliedern. Nur ein kleiner Teil von ihnen wirkt aktiv mit, aber ein kleiner Teil von 200'000 sind immer noch viel mehr Leute, als sich ein einzelner Hersteller auf die Lohnliste setzen kann.

Avguide.ch-Grüner Daniel Schmid ist ein Mitglied dieser Community und liefert zuweilen Vorschläge. Ein Vorschlag, die Auszeichnung von HiRes-Audio-Qualität auf der Nutzeroberfläche, wurde tatsächlich umgesetzt. An diesem Beispiel kann man die Funktionsweise solcher Communities gut veranschaulichen.

Aus unserer Sicht sind für die perfekte Streaming-Funktion zwei Dinge ausschlaggebend: Ein OS, welches bitperfekt arbeitet, und ein GUI (Graphic User Interface), mit dem man die Musikwahl bequem und übersichtlich vornehmen kann. Beides ist eine Software-Angelegenheit, die eine taugliche Hardware erfordert. Das Gerät als solches ist nichts anderes als ein Rechner.

Mittlerweile ist Volumio.org auch Hersteller und Marke. Der Volumio Primo wurde mit White-Label-Lösungen für Audio-Hersteller wie Pro-Ject finanziert. Das zeigt auch auf, dass Audio-Hersteller im Bereich der Streaming-Funktion (und auch bei anderen Funktionen) vermehrt Kompetenz einkaufen.

Diese exotische, bunt gemischte Anlage bestand aus Taiko-Digital-Elektronik (Niederlande), Jadis-Röhrenverstärker (Frankreich), dem neuen Top-Röhren-DAC "Horizon" von Lampizator (Polen) und Alsyvox-Flächenstrahlern (Spanien). Flächenstrahler sind nichts Neues auf dem Audio-Planeten, aber neu ist, dass die grossflächigen Alsyvox Flächenstrahler einen Wirkungsgrad von ca. 95 dB haben, was für diesen Typ Lautsprecher eine eigentliche Sensation darstellt.

Die Anlage wurde mit einem Jadis-Röhrenverstärker von 2 x 30 Watt betrieben und es war jederzeit mehr als genug Leistung vorhanden. Das präsentierte Alsyvox-Modell "Raffaello" kostet gegen CHF 300'000, das kleinste Modell "Tintorello" ist im Bereich von CHF 80'000 angesiedelt und hat auch wohnzimmerfreundlichere Abmessungen. Der Gesamtwert der ganzen Anlage belief sich auf ca. CHF 500'000.

Der Klang der Anlage war sehr homogen und bruchlos, dazu sehr hochauflösend und druckvoll. Die Basswiedergabe war schnell und präzise und man suchte irgendwie nach Subwoofern, die aber nirgends zu finden waren. Gerne werden wir Ihnen diese Ausnahme-Flächenstrahler zu einem späteren Zeitpunkt genauer vorstellen. Aktuell vertreibt die Firma PhP-Audio aus dem Elsass die Alsyvox-Lautsprecher auch für die Schweiz.

Die Vorstellung eines audiophilen Audioplayers, der von einer IT-Community stammt, mag für viele ein wenig nach Hornbach («es gibt immer etwas zu tun») und Baumärkten im Allgemeinen klingen: Es darf gebastelt werden und nichts ist jemals fertig. Und wer nicht selbst ein IT-Nerd ist, der wird in der Anwendung niemals durchblicken.

Objektiv gesehen ist das genau der Stresstest, dem wir den Volumio Primo hier unterziehen (und vermutlich auch der Grund, warum IT-Nerd Daniel Schmid MIR die Kiste aufs Pult gelegt hat ...).

Mein Besuch des Steinmusic-Raums fand zum Schluss meines zweiten Messetages statt. Eigentlich war ich schon ziemlich bedient mit guter Musik und tollen Anlagen, zudem bin ich bekennendermassen kein Fan von Horn-Systemen. Umso positiver war ich dann vom System von Holger Stein überrascht. Das grosse Hornsystem «Bob XL» ist nämlich ein Kugelwellen-Horn. Als Treiber wurden Kalotten (Hochton) und Konus-Chassis (Mittelton) verwendet, die Bässe waren als Openbaffle, also Rückwand-los konstruiert und BI-amplifiziert.

Übliche Hornsysteme verwenden ja Kompressionstreiber, die Holger Stein eben bewusst nicht verwendet. Das grosse Hornsystem kostet übrigens ca. CHF 400'000, die gesamte Anlage hat einen Wert von gegen CHF 700'000. Nach dem grössten System führte Holger Stein auch seine kleinsten Lautsprecher «Bobby S» vor. Auch diese spielten für ihre Kleinheit absolut überzeugend.

Das Steinmusic-System zeichnete sich durch Dynamik, Auflösung und Ruhe aus. Digitale oder analoge Wiedergabe waren klanglich nicht zu unterscheiden, lediglich das leise Knistern zwischen den Stücken verriet, dass gerade Vinyl gespielt wurde. Holger Stein und sein Team machen definitiv etwas richtig!

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