Ein erster Eindruck
Im Hamburg hatte avguide.ch Gelegenheit, die neue Olympus OM-D E-M1X einem kurzen «Hands-on» zu unterziehen und einen ersten Eindruck zu gewinnen. Da gleichzeitig auch das bisherige OM-D-Flaggschiff E-M1 Mark II zur Verfügung stand, drängte sich natürlich ein Vergleich auf.
Die neue E-M1X ist durch den integrierten Hochformatgriff deutlich voluminöser und mit einem knappen Kilogramm, inklusive Akkus und Speicherkarten, rund 420 Gramm schwerer als die E-M1 Mark II. Dies relativiert sich wieder, wenn man den optionalen Vertikalgriff anschraubt. Dann kommt die E-M1 Mark II auf etwas knapp über 900 Gramm.
Ohne Vertikalgriff ist die Kamera 56 mm niedriger als die E-M1X, mit Griff ist die E-M1X sowohl in der Höhe wie in Breite und Tiefe nur jeweils 10 mm grösser, wirkt fürs Auge jedoch wuchtiger.
Der Hochformatgriff nimmt zwei Akkus vom Typ BLH-1 auf. Im Lieferumfang der E-M1X sind neben zwei Akkus auch zwei Ladegeräte enthalten. Die Akkus können auch per USB, zum Beispiel über ein Powerpack, parallel aufgeladen werden. Die Akku-Schublade mit beiden Akkus lässt sich auf der Seite bequem und ganz aus dem Griff herausziehen, auch wenn die Kamera auf einem Stativ steht. Bei der E-M1 Mark II musste fürs Laden des internen Akkus erst der Vertikalgriff abgeschraubt werden. Dies entfällt natürlich beim neuen Modell.
Wer die Kamera in die Hand nimmt, wird erfreut den neuen Joystick bemerken, mit dem sich die Autofokus-Felder rasch und präzise verschieben lassen. Drückt man ihn in der Mitte und dreht am vorderen Rad, verändert man die Grösse der AF-Felder. Der Joystick wie die übrigen äusseren Bedienungselemente am Griff sind doppelt vorhanden und befinden sich dadurch sowohl bei horizontaler wie vertikaler Haltung der Kamera an gleicher Stelle. Die vertikalen Tasten lassen sich gesamthaft oder einzeln sperren.
Die Tasten und Hebel der E-M1X wurden neu designt und unterschiedlich geformt, damit sie auch während des Fotografierens durch den Sucher «blind» ertastet werden können. Das vordere Drehrad ist nicht mehr um den Auslöser herum angelegt, sondern befindet sich etwas darunter. Zudem sind jetzt eigene Tasten für den ISO-Wert und die Belichtungskorrektur vorhanden.
Das Programmwahlrad lässt sich verriegeln. Die Positionen «AUTO» und «ART» der E-M1 Mark II mussten der «B» (Bulb)- und einer zusätzlichen Custom-Einstellung weichen. Die E-M1X besitzt damit vier Custom-Positionen, die sich mit eigenen Kamera-Einstellungen belegen lassen. Der ON/OFF-Hebel wurde nicht mehr so prominent wie bei der E-M1 Mark II positioniert und der Bracketing-Funktion eine eigene Taste gegönnt.
Der LED-Sucher vergrössert zwar etwas mehr als bei der E-M1 Mark II, doch die Auflösung hinkt mit den gleich gebliebenen 2,36 Millionen Bildpunkten den Mitbewerbern hinter her. Standard sind hier 3,86 Millionen und OLED-Farbdisplays. Ähnliches gilt auch für die Auflösung des dreh- und schwenkbaren Monitors, die mit 1,037 Millionen Punkten ebenfalls nicht mehr Stand der Technik ist. Natürlich lässt sich mit der E-M1X auch so gut fotografieren, und ohne direkten Vergleich fallen die Unterschiede kaum auf.
Die automatische Umschaltung zwischen Sucher und Monitor erfolgt nun auch, wenn sich der ausgeklappte Monitor in irgendeiner Position befindet. Bei der E-M1 Mark II ging dies nur, wenn er mit dem Display nach aussen wieder ganz eingeklappt wurde.
Die Autofokus-Empfindlichkeit wurde erhöht und die AF-Felder lassen sich nun personalisieren, bzw. dem Sujet anpassen. Neu kann die Kamera beim kontinuierlichen Scharfstellen bestimmte Arten von Motiven erkennen und verfolgen. Dabei wird nicht nur der grobe Umriss, sondern ein Fahrer, ein Cockpit oder eine Zugführerkabine als Einzelmotiv erkannt. Bei mehreren erkannten Motiven, stellt die Kamera auf das Motiv im AF-Rahmen scharf. Zur Zeit ist dies nur bei Motorsport, Flugzeugen und Zügen möglich. Die Auswahl soll per Firmware-Update erweitert werden.
Dieses Motivtracking ist eine interessante Neuheit, die beispielhaft aufzeigt, wohin uns die «computational photography», also das Bildermachen unterstützt und ergänzt durch digitale Berechnung an Stelle von optischen Prozessen, führen kann. Ich frage mich jedoch, wieso Olympus nicht von Beginn an gleich Ballsportarten, Leichtathletik, Tiere und Vögel einprogrammiert hat, wird die E-M1X doch speziell für professionelle Natur- und Sportfotografen angepriesen.
Die ausgezeichnete Serienbild-Geschwindigkeit von bis zu 60 Bildern pro Sekunde bleibt gleich wie bei der E-M1 Mark II, dafür sind jetzt beide Kartenslots UHS-II kompatibel und es lassen sich mehr RAW-Bilder in Serie speichern.
Besonders gespannt war ich auf die High-Res-Aufnahmen aus der Hand. Mit der E-M1 Mark II konnte man bereits hochaufgelöste Fotos ab Stativ aufnehmen. Die E-M1X ermöglicht nun solche Aufnahmen auch ohne Stativ. Dabei nimmt die Kamera mehrere Fotos mit jeweils minimaler Sensorverschiebung auf und setzt sie in der Kamera zu einer JPEG-Datei mit 25 oder 50 Megapixeln zusammen.
In der Praxis hat es erstaunlich gut funktioniert. Wenn man die Kamera ruhig hält und die Szene keine sich bewegenden Objekte enthält. Ganz schwache Unterschiede zwischen den Einzelbildern kann der Aufnahme-Algorithmus noch ausgleichen, doch mit laufenden Personen, wehenden Fahnen oder Blättern im Wind hat er Mühe. Sind zu viele Bewegungen im Bild, wird nur ein normales Bild aufgenommen.
Wählt man für die High-Res-Aufnahmen das JPEG- und RAW-Format, wird zusätzlich ein unverarbeitetes RAW-Bild (.ORI) gespeichert. Bei Stativ-Aufnahmen mit einer Grösse von 10'400 x 7'792 Pixel, bei Freihand-Aufnahmen mit 8'200 x 6'132 Pixel. Dieses ORI-Bild lässt sich mit der Software «Olympus Workspace» weiter bearbeiten.
Eine weitere Neuheit der E-M1X sind ihre integrierten Graufilter. Mit dieser Live-ND-Funktion sind längere Verschlusszeiten möglich und das Live-Bild simuliert vor der Aufnahme den zu erwartenden Effekt im Foto. Ob diese Software-Filter die normalen, vor die Linse geschraubten Glasfilter ersetzen können, wird erst ein ausführlicher Vergleichstest zeigen.
Die Funktion eines Verlaufs-Graufilters, wie er oft bei Landschaftsaufnahmen zur Abschwächung des Himmels eingesetzt wird, lässt sich damit nicht simulieren, noch nicht.
Mit den doppelten TruePic-VIII-Bildprozessoren in der E-M1X hat Olympus viele neue Funktionen entwickeln können und bestehende erweitert und optimiert. Bis man alle Möglichkeiten der neuen Kamera ausprobiert hat und beherrscht, wird wohl einige Zeit vergehen. Auch für das Lesen des Handbuchs, das mit seinen über 680 (!) Seiten zur abendfüllenden Bettlektüre wird.
Kurzes Fazit:
Vor allem grössere Hände werden dank eingebautem Vertikalhandgriff die verbesserte Ergonomie der Olympus OM-D E-M1X zu schätzen wissen. Der neu hinzugekommene Joystick in doppelter Ausführung ist eine hilfreiche Erweiterung und erleichtert die Fokusplatzierung ungemein. Nach einiger Übung lässt sich die Kamera im Blindflug bedienen und der Fotograf kann sich ganz auf seine Bildkompositionen konzentrieren.
Der Preis mag für normale Anwender sehr hoch erscheinen, professionellen Fotografen bietet die E-M1X jedoch ein robustes und zuverlässiges Werkzeug mit interessanten Funktionen für den täglichen Einsatz in jeder Umgebung und bei jedem Wetter. Und dies relativiert dann den Preis wieder etwas.