Aufnahmen verzerren die Wirklichkeit
Musikaufnahmen sind jederzeit abspielbar und sie sind Zeitdokumente. Die Interpreten leben mit den Aufnahmen weiter. Dank Musikaufnahmen kann man viel häufiger und überall Musik hören. Musikaufnahmen haben den Musikgenuss demokratisiert, weil er allen für wenig Geld verfügbar gemacht wurde.
Mit der Zeit verbesserte sich die Aufnahmetechnik so, dass man der Wirklichkeit – oder zumindest unserer Vorstellung davon – immer näherkam. In den 1950er-Jahren entstand der Begriff Hi-Fi (High Fidelity = Hohe Treue). Seit dann sprechen die Industrie und die Anwender vom Konzertsaal im Wohnzimmer.
Das Wohnzimmer ist aber kein Konzertsaal, und deshalb werden die Aufnahmen so gemacht, dass im Wohnzimmer die Illusion der Wirklichkeit ermöglicht wird. Deshalb gibt es die "wirkliche Wirklichkeit", wenn überhaupt, nur im richtigen Konzertsaal.
Ausserhalb der Klassik, die in Konzertsälen gespielt wird, entstehen die meisten Musikaufnahmen in Tonstudios, wo in den meisten Fällen nicht wirklich live oder konzertant gespielt wird. Dort wird die Illusion einer Wirklichkeit geschaffen, die es nie gab.
Fazit
Der Konzertsaal im Wohnzimmer ist eine Illusion, die der Wirklichkeit so nahe wie möglich kommen soll. Zudem ist die Wirklichkeit selbst auch eine Illusion, die von sehr vielen Musikliebhabern gar nicht erlebt wird – schon gar nicht bei allen Aufnahmen.
Überspitzt ausgedrückt ist der Konzertsaal im Wohnzimmer die Illusion einer Illusion.
Wie wir uns die Wirklichkeit oder den Konzertsaal auch immer vorstellen oder vorstellen können: Entscheidend ist nur, dass uns Musik berührt, wo immer wir Musik hören.