MUSIKREZENSION
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Maria Clementi

In Mailand geboren, gewann die italienische Pianistin bereits als Teenager zahlreiche Klavierwettbewerbe. So etwa den ersten Preis beim internationalen Wettbewerb für Klavier und Orchester von Cantù in Italien, und bereits im Alter von 16 Jahren einen dritten Platz beim internationalen Musikwettbewerb «G. B. Viotti» in Vercelli.

Neben ihrer Konzerttätigkeit in Europa und Japan führt sie regelmässig Meisterkurse in Italien durch und ist seit 2014 Klavierprofessorin am Konservatorium G. Puccini in Gallarate. Maria Clementi ist sowohl in Italien als auch in Europa stark an Kammermusikaktivitäten beteiligt. Ihre Auftritte wurden live im Radio und Fernsehen übertragen.

Maria Clementi.Maria Clementi.

Wie interpretiert man eine Scarlatti-Sonate?

Zur Zeit Scarlattis war es nicht üblich – so wie später in der Klassik und ausgeprägt der Romantik –, ein Musikstück mit Interpretationsanweisungen in den Noten zu versehen. Tonart und Satzbezeichnung waren notwendig. So hatte man zumindest eine ungefähre Vorgabe über Tempo und Stimmung des Stückes. Die innere Ausgestaltung eines Werkes oblag dem Musiker. So verwundert es denn nicht, dass sich eine Scarlatti-Sonate je nach Interpreten markant anders anhören kann.

Maria Clementi bringt mit ihrer Interpretation eine neue Sichtweise. Prägnant ist die rhythmische Ausgestaltung der Sonaten und das präzise Spiel: virtuos, aber ohne Selbstzweck. Faszinierend ist ihr schneller Wechsel zwischen stark akzentuierten und kurz gespielten Passagen und unmittelbar folgende lyrische Momente. Die Übergänge sind klug gestaltet und zeigen deutlich die inneren Kontraste von Scarlattis Sonaten (K135).

Ein exemplarisches Beispiel ist die eher selten gespielte Sonate K101. Dem eher barockartigen Hauptthema mit vielen 16tel- und 32tel-Läufen, die Clementi akzentuiert spielt, folgt ab Takt 42 ein traumhaft schönes, lyrisches Seitenthema. In diesem Mikrokosmos liegt nun einerseits die kompositorische Meisterleistung Scarlattis und Maria Clementis Gespür, diese Kontraste überzeugend herauszuschälen. Das lyrische Thema wird weich, aber nicht verschliffen gespielt. Eine Legato-Bindung von Takt 42 zu Takt 43 impliziert eine synkopische Spielweise.

Kaum ein Interpret, den ich bisher diese Sonate habe spielen hören, kümmert sich um dieses Detail. Man spielt die zwei Noten Legato, lässt aber die Taktgrenze ausser Acht. Welche enorme Wirkung die synkopische Spielweise hier hat, zeigt Clementi in ihrer Einspielung. Das lyrische Momentum erhält nun eine innere Spannung und Stimmungsakzent.

YouTube: Maria Clementi, Domenico Scarlatti, Klaviersonate K96.

Scarlatti, Clementi und der moderne Konzertflügel

Eine Cembalosaite wird durch einen Keil angerissen. Ein heller, in der Lautstärke nicht beeinflussbarer Klang entsteht. Das Instrument ist obertonreich, das Bassregister nicht sehr druckvoll, eher verhalten. Maria Clementi spielt die Sonaten auf einem mächtigen Steinway-D-Flügel. Ein bassgewaltiges Instrument. Ein grösserer Kontrast ist kaum vorstellbar.

Das Bassfundament in der Sonate K380 auf dem Steinway gespielt, steht dann in einem neuen Spannungsverhältnis zur hellklingenden Melodiestimme der rechten Hand. Maria Clementi versteht es, diesen Kontrast aufzunehmen, ohne aber in Übertreibung auszuarten. Generell ist ihr Spiel geprägt durch eher kurze Anschläge, die sich dem Cembaloklang annähern.

Die Aufnahme von DaVinci Classics

Das Klavier ist nah aufgenommen. Die Hörposition – wäre man vor Ort – beim Flügel, an dessen Ende, mit Blick auf die Pianistin von vorne. So sind dann die unteren Oktaven im linken und die oberen im rechten Kanalbereich hörbar. Somit sind die tonalen Mittellagen mittig zwischen den Lautsprechern wahrnehmbar. Wer an einen distanzierten Klang wie im Konzertsaal gewohnt ist, mag dies etwas irritieren.

Eher eine Minderheit der Klavier-Solo-Aufnahmen wählt die Nahposition bei Einspielungen. Durch diese Direktheit nimmt man die Notenbewegungen, das Spiel der linken und der rechten Hand der Pianistin oder des Pianisten sehr gut wahr. Läufe über mehrere Oktaven wandern auf der Achse zwischen den Lautsprechern.
Die Aufnahme wurde offensichtlich im DSD-64-Format gemacht. Dies ist am kontinuierlich nach 15 kHz ansteigenden Rauschen zu erkennen. Dieses Digitalformat ist heute überholt. Wenn DSD, dann DSD 128 oder DSD 256 – oder besser gleich als PCM 24Bit/96kHz. Trotzdem ist die Aufnahme auf einem hohen klanglichen Niveau.

Spektralanalyse der Aufnahme. Skala rechts: Frequenzbereich von 20 Hz (unten) bis 22 kHz (oben). Das ansteigende Rauschen ist als violettes Band erkennbar.Spektralanalyse der Aufnahme. Skala rechts: Frequenzbereich von 20 Hz (unten) bis 22 kHz (oben). Das ansteigende Rauschen ist als violettes Band erkennbar.

Fazit

Maria Clementis Einspielung von 15 Scarlatti-Sonaten ist eine echte Bereicherung. Sie wirft mit ihrer Interpretation und der gekonnten Spielweise ein neues Licht auf diese Kleinode der Klavierliteratur. Die Symbiose von barocken und klassischen Stilelementen, inhärent in Scarlattis Kompositionen, macht Clementi deutlich erlebbar. Das Album ist auch eine Antwort auf die Frage, ob man die Sonaten epochengerecht auf einem Cembalo oder maximal auf einem Hammerflügel spielen muss – oder ob ein moderner Flügel erlaubt sein darf. Clementi zeigt, wie es geht.

Fritz Fabig Gastautor

Fritz Fabig ist passionierter Musikliebhaber mit Schwerpunkt in der Klassik-Epoche. Nach einer elektrotechnischen Ausbildung und Management/Marketing Weiterbildung erfolgte ein Wechsel in die Audio Branche. Beinahe zwei Dekaden war Fritz Fabig Geschäftsführer der B&W Group Schweiz. Seit Ende 2021 ist er als freischaffender Berater tätig.
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STECKBRIEF
Interpret:
Maria Clementi
Albumtitel:
Domenico Scarlatti - Keyboard Sonatas
Komponist:
Domenico Scarlatti (1685-1757)
Herkunft:
IT
Label:
DaVinci Classics
Erscheinungsdatum:
26.8.2022
Spieldauer:
78.44 m:s
Tonformat:
FLAC 16 Bit/44.1 kHz – Stereo
Aufnahmedetails:
Aufnahmeort: Steinway Piano Galerie Passadori, Brescia (Italien)
Dezember 2021
Tonmeister: Simone Sproccati, Andrea Castelli
Mixing & Mastering: Stefano Barzan
Medium:
Download/Streaming/CD
Musikwertung:
10
Klangwertung:
8
Bezugsquellen