Die von Sony und Philips lancierte Super Audio Disc (SACD) ist vielleicht die faszinierenste Innovation für den Musikliebhaber seit Einführung der binären Datenspeicherung. Nach zwanzig Jahren Digital Audio bringen die beiden Branchenleader mit der SACD eine Innovation, die dem Enduser mal keine Datenreduzierung, sondern einen echten Gewinn an Klangqualität anbietet. Verantwortlich dafür ist das Direct Stream Digital Aufzeichnungsformat, das Herzstück der SACD. Das DSD-Format ist wie kein zweites dazu geeignet, analoge Tonaufzeichnungen in digitaler Form zu speichern.
Weniger ist mehr
Das Bestechende an der DSD-Technik ist die geniale Einfachheit und Kürze des digitalen Signalwegs. Die alte audiophile Weisheit „weniger Komponenten in Signalweg klingen besser“ gilt im übertragenen Sinne durchaus auch auf die Anzahl Verarbeitungsstufen im digitalen Signalprozessing zu. Da digitale Signalverarbeitung nie ganz ohne Unzulänglichkeiten erfolgen kann, ist dies also nur zu begrüssen.
Erstaunlich ist allerdings die Konsequenz, mit dem beim DSD-Verfahren mit den Altlasten der etwas ergrauten PCM-Technik aufgeräumt wird. Der Aufnahmezweig besteht aus einem Delta-Sigma-Modulator mit 64-fachem Oversampling, der einen Datenstrom mit der beindruckenden Bitrate von 2,8224Mbits/s ausgibt. Die nach der 1-Bit Wandlung bestehenden Rauschanteile werden durch Noiseshaping in Bereiche ausserhalb des Audiobands verschoben.
Der hochfrequente Noiseanteil vom DSD-Prozess um 100kHz könnte theoretisch breitbandige Verstärker und Lautsprecher beschädigen. Dank einem 256- bis 1024-fachen Oversampling (!) hat man das allerdings inzwischen gut im Griff.
Der hochgetaktete 1-Bit Datenstrom wird bei DSD direkt auf ein Speichermedium platziert (SACD). Für die Wiedergabe reicht im Prinzip sogar ein einfaches analoges Tiefpassfilter. Einfacher geht es nicht. Sämtliche digitalen Filterstufen der Pulscodemodulation (PCM) und der damit verbundenen Unzulänglichkeiten durch Rundungsfehler entfallen vollständig. Die digitalisierten Audiodaten durchlaufen dadurch deutlich weniger Prozessing-Stufen. Die Nutzbandbreite von 100 kHz gefällt neben dem Techniker sicherlich auch der SACD-Marketingabteilung. Der Dynamikwert von 120 dB im Audioband ist über jeden Zweifel erhaben.
No Filters
Am Anfang einer digitalen Signalkette steht der AD-Wandler. Seit Mitte der neunziger Jahre benutzt man dazu ausschliesslich sogenannte Sigma-Delta-Modulatoren. Ein Sigma-Delta-Modulator ist eine Konverterschaltung, die ein beliebiges, bandbegrenztes analoges Eingangssignal in ein digitales 1-bit Ausgangssignal wandelt. Das Ausgangssignal wird dabei durch das Eingangssignal in der Pulsdichte moduliert.
Die Pulsdichte des 1-Bit-Ausgangsignals steht dabei in direkter Relation zur Amplitudenänderung des Audiosignals; je grösser das Delta (Amplitudenänderung), umso höher ist die Auflösung. In der PCM-Technik wird nun der hochgetaktete 1-Bit Datenstrom des Wandlers im Decimationfilter auf die Samplingfrequenz und Auflösung von CD oder DVD umgerechnet. Integriert ist gleichzeitig das in der PCM-Technik benötigte Anti-Alias-Filter bei der halben Samplingfrequenz. Auch auf der Abspielseite sieht es ähnlich aus. Das Multibit-PCM Signal vom Datenträger wird über ein Interpolationsfilter "upgesampelt" (was für ein toller Begriff, der immer mehr in Mode kommt...). Dies aus dem einfachen Grund, um am Ausgang wieder einen Delta-Sigma-Wandler einsetzen zu können, was steilflankige analoge Ausgangsfilter vermeidet, die sich nachweislich sehr negativ auf das Impulsverhalten auswirken.
Ideales Archivmedium
Das Elegante an DSD ist nun, dass man nicht nur den digitalen Signalpfad von Fehlerquellen bereinigt, sondern aufgrund der Beschaffenheit der Wandlertechnik, die Tonaufzeichnung in einem schonenden und nahezu idealen Format archiviert. Die Sigma-Delta-Modulation repräsentiert das analoge Ursprungssignal – nach heutigen Massstäben – ausgesprochen genau und gehört zu den „erhaltensten“ Konversionsmethoden. Gerade für die langsam verfallenden Bänder aus den Anfängen der Musikaufzeichnung könnte DSD gerade zur richtigen Zeit kommen. Ein Merkmal von DSD ist die Fähigkeit, aus entsprechenden Umrechnungen und Mappingfunktionen jede gewünschte Auflösung und Abtastfrequenz skalieren zu können. Man könnte auch sagen, der DSD Prozess parkiert die Daten in einer Art „idealen“ Rohform, aus dem dann die gewünschten Derivate, sei es nun für die CD oder DVD im PCM-Format oder datenreduzierte Internetstreams gezogen werden.
DSD versus PCM
Eine wichtige Eigenschaft des DSD-Formats ist seine hohe Auflösung im Nulldurchgang des Analogsignals. Wie schon bei High End Verstärkern, wo sich Klass A Typen wegen ihrer geringen Verzerrungen im Nulldurchgangsbereich klanglich durchsetzten, liegt auch hier einer der grössten Vorteile des Konzepts. Das menschliche „Ohr“ ist sehr empfindlich für Häufungen an Crossoververzerrungen, die den Klang als hart erscheinen lassen. Das DSD-Format bietet nun gerade im Nulldurchgangsbereich die höchste Auflösung.
Dasselbe gilt für die Auflösung bei kleinen Lautstärken. Ausgerechnet, wo es darum geht, leise, klangliche Feinheiten darzustellen, versagt die PCM-Technik, da bei kleinen Pegeln nur wenige Bits zur Verfügung stehen und der Quantisierungsfehler gegenüber dem Nutzsignal am grössten ist. Während die PCM-Technik mit absoluten Werten arbeitet und daher der Quantisierungsfehler abhängig von der Wortlänge konstant bleibt, handelt es sich bei DSD um ein relatives System. Bei kleinen Lautstärken produziert DSD deutlich weniger Verzerrung und bietet eine grössere Auflösung. „Wo es leise ist, soll man hinhören...“ - DSD entspricht dadurch weit mehr dem menschlichen Hörverhalten als die PCM-Technik.
In Bezug zu Digitalenverstärkern offenbaren sich ideale Kombinationsmöglichkeiten. Mit DSD kann direkt die Schaltendstufe eines Digitalverstärkers angesteuert werden. PCM-Signale müssen hingegen auch hier erst in einer Prozessing-Einheit in einen Single-Bit Datenstrom konvertiert werden. Als Digital/Analog-Wandler einer SACD-Digitalverstärker-Kette fungiert dann lediglich das passive Ausgangsfilter des Verstärkers. Dies wäre dann sozusagen der Inbegriff einer minimalistischen digitalen Signalkette. Realisiert wurde dieser Ansatz inzwischen bereits von Sharp mit dem SACD-Player DX SX 1 und dem Digitalamp SM SX 1. Die Reserven des DSD-Formats sind so hoch, dass zukünftig allerdings auch mit einfachen Abspielgeräten punkto Dynamik und Frequenzumfang diskussionslose Werte erzielt werden können.
Neue Studiogeräte
Ein kritischer Punkt sind die anstehenden Kosten für Recordingstudios. Sony hat mit DSD quasi Digital Audio neu erfunden. Von Digitalmischpulten über den Recorder bis zum Schnitt- und Editierplatz muss die gesamte digitale Infrastruktur auf DSD umgestellt werden, was Kosten in noch unbekannter Höhe verursacht. Schliesslich macht es überhaupt keinen Sinn, PCM-Geräte für DSD-Produktionen zu verwenden. Bis anhin musste für SACD-Aufnahmen ein Prototyp-Recorder von Sony angemietet werden.
Inzwischen sind zwar Speicherlösungen, Editier- und Authoringsysteme vorhanden, auch einzelne DSD-Wandler sind bereits auf dem Markt. Tascam hat eine Version des DA-98HR Recorders mit DSD-Support angekündigt. Ein Schmunzeln erweckt die Aufforderung von Sony, bis zur Verfügbarkeit von DSD-Mischpulten und Zusatzgeräten doch bitte die alten Analogkonsolen und andere parkierte Gerätschaft aus der vordigitalen Zeit zu verwenden.
In der Bereitschaft der Musikindustrie für die Systemumstellung dürfte dann wohl auch der Pferdefuss begraben liegen. Bis in den Studios Vertrauen in die Verbreitung der SACD hergestellt ist, dürfte es noch eine Weile dauern. Nur so entsteht aber die Motivation, entsprechende Investitionen zu tätigen. Die hohen Kosten der Recordingstudios für die Umstellung auf DSD könnte zumindest in der unmittelbaren Zukunft zur Achillesferse des Formats werden.
Fazit
Doch DSD ist ein nahezu perfektes Speicherformat für die Digitalisierung von Tonaufzeichnungen. Ein geniales Format, das jeden technisch interessierten Musikliebhaber zum jubilieren bringt. Natürlich steckt viel Eigeninteresse der beiden Protagonisten dahinter: Sony und Philips profitierten jahrelang vom Geldesel CD mittels Lizenzgebühren und sehen nun natürlich mit der DVD-Audio, an deren Entwicklung beide notabene ebenfalls beteiligt waren, ihre Pfründe schwinden.
Der Raffinesse und den tontechnischen Vorteilen von DSD tut dies aber keinen Abbruch. Aus technisch-elektroakustischer Sicht ist DSD das momentan überzeugendste Format. Welches System sich auf dem hart umkämpften Markt in den kommenden Jahren schliesslich durchsetzten wird, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt geschrieben.
Vertiefte Information zu DSD vom Schweizer Audioexperten Andreas Koch