Foto-Shooting im Tramdepot
Am Nachmittag standen Porträt-Aufnahmen auf dem Programm. Ein stillgelegtes Strassenbahn-Depot diente als eine Art «lost place»-Location. Ein Arbeitsinspektor wäre beim Anblick der Sicherheitsvorkehrungen in der grossen Werkhalle vermutlich im Viereck gesprungen. Wir wurden jedenfalls vor dem Herumturnen in den ausrangierten Tramwagons und Service-Schächten zur Vorsicht gemahnt.
Auch in der Halle blieb uns die Kälte treu. Die beiden netten Fotomodelle waren in Pullover und Mäntel gehüllt. Nichtsdestotrotz gingen sie mit viel Spass und Professionalität an die Arbeit. Canon stellte einen ganzen Koffer voller Objektive, Blitzgeräte und Reflektoren zum Ausprobieren bereit.
Während einige Workshop-Teilnehmer die vielen alten Waggons inspizierten und fotografierten, liessen die anderen gleich mal ein Modell in einen Service-Schacht herabsteigen. Dazu «dampfte» ein Journalist aus seiner elektronischen Zigarette, was das Zeug hielt, und wir erfreuten uns an einem «eingenebelten» Modell, passend zur Location. Irritiert durch die feine Nebelwand fand sich der Autofokus meiner Kamera nicht mehr zurecht und das Gesicht des Modells blieb unscharf. Und ich habe wieder etwas gelernt – und bei der nächsten Nebelschwade die Schärfe manuell gesetzt.
Ohne störenden Dampf ging es der EOS RP viel besser, vor allem mit der automatischen Gesichts- und Augenerkennung, die bei dieser Gelegenheit natürlich ausgiebig getestet wurde. In den allermeisten Fällen wurde das Gesicht des Modells erkannt und bei aktivierter Augenerkennung auf die Augen scharfgestellt. Über die AF-Messfeldtaste liess sich dann noch das bevorzugte Auge auswählen. Man darf das gewünschte Gesicht auch per Tippen auf das Display bestimmen.
Da die Gesichtserkennung mit der Verfolgungsfunktion gekoppelt ist, wandert das AF-Feld entsprechend mit, wenn sich die Person, bzw. deren Gesicht, bewegt. Wendet sich die Person zu stark ab, verliert die Kamera auch das Gesichts-Tracking. Hier sind einige Mitbewerber besser unterwegs, dennoch sind auch bei der EOS RP die Ergebnisse absolut zufriedenstellend und die Schärfe der Augen auf den Fotos ist ausgezeichnet.
Es klickt nicht mehr
Wir liessen die Modelle einige unterschiedliche Gesichtshaltungen einnehmen. Die meisten bereiteten der automatischen Erkennung der Kamera keinerlei Probleme. Nur als sich ein Modell mit dem Kinn auf dem Daumen abstützte und den Zeigefinger über den Mund legte, konnte die EOS RP plötzlich kein Gesicht mehr erkennen, obwohl doch ein grosser Teil davon für uns noch sichtbar war.
Das lautlose Fotografieren beherrscht die neue Kamera natürlich auch. Diese Funktion versteckt sich in den Motiv-Programmen unter «Leiser Modus». Dann lassen sich leider nur noch Bildqualität, Autofokus-Methode und Selbstauslöser auswählen, den Rest stellt die Kamera automatisch ein. Dennoch gelangen damit einige coole Aufnahmen. Zur Bestätigung wird kurz ein weisser Rahmen beim Auslösen eingeblendet, denn jetzt hört man ja nichts mehr klicken.
Dies verwirrte unsere Modelle erstaunlicherweise so sehr, dass wir wieder mit normalem Klicken weiterfotografierten. Wir sie uns erklärten, sind sie seit Ewigkeiten auf das Klicken von Spiegelreflexkameras «geeicht». Es gibt ihnen die sofortige Rückmeldung, dass die Aufnahme erfolgt ist und sie entspannen oder eine andere Pose einnehmen können.
Leider herrscht nur beim Einzelbild absolute Stille. Dort, wo es besonders sinnvoll wäre – bei Serienbildern etwa – kann die Lautlos-Funktion nicht eingesetzt werden. Hier zeigen alle übrigen Mitbewerber, wie es funktioniert.
Bildqualität und Auflösung
Die Bildqualität der Canon EOS RP ist meiner Meinung nach sehr hoch, und die Farbdarstellung für mich sehr angenehm, natürlich und akkurat. Will heissen, es wird nichts beschönigt. Die Hauttöne der Modelle brachten auch farblich die frostige Atmosphäre in der Werkstatt zum Ausdruck. Man erkennt das Tageslicht von aussen, das eingesetzte Blitzlicht und die grünliche Färbung durch die Neonröhren an der Hallendecke.
Die höchste Bildauflösung der EOS RP beträgt 6240 x 4160 Pixel, was rund 26 Megapixeln entspricht. Messtechnisch mögen die Werte unter denjenigen einer Canon EOS R mit ihren 30,1 Megapixeln liegen, doch in der Praxis fallen die 4 Megapixel weniger an Auflösung kaum ins Gewicht.
Das Bildrauschen wird bis ISO 3200 sehr gut unterdrückt und ist je nach Motiv angenehm unauffällig. Bei ISO 5000 sind dann Störpixel deutlich zu sehen und feine Strukturen werden weichgezeichnet und wirken matschig.
Die Aufnahme in der Fotostrecke mit dem dunkelhaarigen Modell und der Hallendecke im Hintergrund habe ich versuchsweise mit ISO 12'800 fotografiert. In kleiner Abmessung am Bildschirm betrachtet sieht es akzeptabel aus, in 100-prozentiger Ansicht sind die Artefakte jedoch nicht mehr zu übersehen und das ganz Bild sieht weichgespült aus. Dieser hohe ISO-Wert eignet sich noch knapp als Notlösung.
Videofilmen
Videoaufnahmen in Full-HD mit 1920 x 1080 Pixeln sind mit der EOS RP mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde möglich und werden entsprechend flüssig dargestellt. Hinzu kommt der schnelle und präzise Dual-Pixel-Autofokus. Hier gibt es nichts zu meckern.
Anders sieht es aus, wenn in 4K/UHD-Auflösung gefilmt werden möchte. Hier wurde die EOS RP gegenüber der EOS R vor allem bei der Datenrate stark gedrosselt. Die unkomprimierte All-Intra-Videoaufnahme (ALL-I) ist nicht mehr möglich und die HDMI-Ausgabe wurde eingeschränkt. Der Dual Pixel AF funktioniert nicht und der Crop-Faktor ist nicht zu unterschätzen. Hinzu kommt noch, dass nicht mehr alle Autofokus-Feldgrössen zur Verfügung stehen.
Das Canon-EOS-RP-Gehäuse inkl. Mount-Adapter EF-EOS R ist für 1549 Franken, das EOS-RP-Kit mit Objektiv RF 24–105 inkl. Mount-Adapter EF-EOS R für 2589 Franken, und der Erweiterungsgriff EG-E1 für 82 Franken im Handel erhältlich.
avguide.ch meint
Die neue Canon EOS RP ist die kleinste und leichteste digitale Vollformatkamera mit Wechselobjektiven von Canon. Dies bezieht sich auf das nur 485 Gramm schwere Kameragehäuse. Wird eines der neuen RF-Objektive, wie etwa das hier verwendete RF 24–105 mm f/4 L IS USM angebracht, wird das Ganze sofort voluminöser und schwerer. Diese Kit-Kombination bringt dann gut 1,2 Kilogramm auf die Waage. Dennoch ist mir die Kamera während des Workshops nie wirklich zur Last geworden. Trotz kompakten Abmessungen lag sie angenehm in der Hand und die Bedienung gelang mir über den genialen Fv-Modus sehr gut.
Die Kamera bietet für den Vollformat-Einsteiger wie auch für den Fotoamateur-Umsteiger auf «spiegellos» alles, was ein normaler Foto-Anwender braucht. Die Anforderungen von Reise-, Landschafts- und Porträtfotografen (Canons avisierte Zielgruppe für die EOS RP) kann die Kamera gut erfüllen. Das robuste Gehäuse und die Abdichtungen gegen Staub und Spritzwasser sind ein zusätzliches Plus.
Das sich seit Jahren bewährte EOS-Menüsystem und die gegenüber Mitbewerbern konsequent durchgezogene Touchscreen-Bedienung kommt der Smartphone-Generation entgegen und vereinfacht die Handhabung der Kamera sehr.
Die Abmagerungskur gegenüber der EOS R sind im Fotobereich bis auf die schwache Akku-Kapazität einigermassen zu verkraften. Ein, besser zwei Zusatzakkus sind bei intensiver Nutzung von Touchscreen und Automatiken sehr zu empfehlen.
Für Videofilmer sind die Anschlüsse für externes Mikrofon und Kopfhörer nach wie vor vorhanden, doch die Datenraten wurden gegenüber der EOS R deutlich gesenkt. Hinzu kommt bei 4K, wie schon bei der EOS R, ein deutlicher Crop-Faktor, sodass der Autofokus nicht mehr funktioniert mit der Dual-Pixel-Methode.
Für Action- und Sport-Fotografen sowie für Profi-Filmer kann die Canon EOS RP zu wenig. Dafür ist sie nicht nur für Einsteiger preislich sehr attraktiv.