Klangoptimierung von der Aufnahme bis zum Hörraum
avguide.ch: Sie entwickeln Ihre Lautsprecher, indem Sie eigene Konzertaufnahmen verwenden. Worin besteht der Vorteil dieses Vorgehens?
Boenicke: Ich kenne jede Aufnahme vom Bühnenrand. Ich kann mich erinnern, wie jede Aufnahme klang. So habe ich eine Referenz. Ich kann Lautsprecher damit so entwickeln, bis ich diesen Klang wieder erreicht habe. Ich bin mit eigenen Aufnahmen einfach näher dran, als mit Aufnahmen, bei denen ich selbst nicht dabei war.
avguide.ch: Gibt es andere, die so vorgehen?
Boenicke: Ich denke nicht, dass es viele sind. Von Wilson weiss ich, dass er zuerst Aufnahmen machte, bevor er Lautsprecher entwickelte. Einige holen ihre Erfahrungen aus dem Tonstudio.
avguide.ch: Das ist wohl nicht dasselbe?
Boenicke: Nein, im Studio ist man selten im direkten Schallfeld, sondern meistens im Kontrollraum. Dort hört man die Aufnahme bereits über Lautsprecher. Man hört sich bereits Lautsprecher an.
avguide.ch: Sie stellen in Ihren "Leitgedanken" dezidiert fest, dass die meisten Lautsprecher unpersönlich und austauschbar geworden sind. Sie stellen auch fest, dass die meisten Hersteller Lautsprecher nicht mehr selbst entwickeln. Sie beauftragen Dritte, womit die emotionale Bindung zum Produkt abhanden kommt. Warum ist die emotionale Bindung wichtig?
Boenicke: Ich habe das Gefühl, auch wenn es etwas esotherisch anmutet, dass es so etwas wie tote Materie nicht gibt. Derjenige, der Hand anlegt und ein Produkt baut, beeinflusst Materie unweigerlich. Es entsteht eine durchgängige, musikalische Handschrift. Das ist nicht möglich, wenn diese Entwicklungsarbeit auf mehrere Personen aufgeteilt ist und am Schluss setzt noch jemand anders den Rotstift an (lacht). Gesichert ist diese Erkenntnis bei Instrumentenbauern und Musikern, für die sie Instrumente bauen. Die geben sie oft nicht aus der Hand, lassen niemand anderen darauf spielen.
avguide.ch: Spielt die emotionale Bindung auch bei den Leuten in der Produktion eine Rolle?
Boenicke: Es lässt sich schwer beweisen. Ich vermute schon, dass jemand, der keine emotionale Bindung zu Endprodukt hat, die Materie nicht gleich gut zum Gelingen bringt. Wenn man Zeit und Freude hat, wird das Produkt besser sein.