Wenn avguide.ch Geräte zum Test bittet, waltet normalerweise die Vernunft. Ein ordentlicher Gegenwert für die sauer verdienten Franken der Konsumenten legt die Messlatte, um zur Prüfung geladen zu werden. Die Redaktion musste denn auch zuerst einmal scharf nachdenken, als der Autor einen «reinen» Phono-Vorverstärker für 5990 CHF zum Test anbot. Der auf den Namen Aura getaufte Pre stammt zudem noch von Rega, jenem englischen Hersteller, der mit seinen Plattenspielern und Vollverstärkern üblicherweise geradezu idealtypisch die «value for money» vertritt – und in vielen Tests auch bei avguide.ch dafür reichlich Lorbeeren einheimste.
Aber in Southend-on-Sea in der Grafschaft Essex lässt man ab und an auch mal gerne die Bäume in den Himmel wachsen. Wenn auch fast schon konspirativ. Kaum einer hierzulande kennt zum Beispiel das völlig abgehobene Plattenspieler- Supermodell Naiad, das rund 30'000 Pfund kostet. Und so durften die Entwickler dort auch mal richtig in die Vollen gehen, als es darum ging, einen eigenen Referenz-Vorverstärker für die zarten Signale von MC-Tonabnehmern zu bauen. Vom jetzt auch für Konsumenten zugänglichen Ergebnis schwärmte der Autor dermassen beharrlich, dass avguide.ch-Chefredaktor Daniel Schmid schliesslich zustimmte, es in seiner Publikation vorzustellen.
Ausstattung
Nun, ein Ausstattungswunder verbirgt sich in der mit 43,5 mal 8,5 mal 50 Zentimeter grossen und mit 12,5 Kilogramm auch richtig gewichtigen grössten Phonostufe von Rega nicht. Ein asymmetrischer Cinch-Eingang ausschliesslich für Moving Coils, that’s it. Doch der Nutzer kann den bewegten Spulen immerhin fünf Abschluss-Impedanzen, zwei Verstärkungsfaktoren und – sehr ungewöhnlich für MCS – fünf Abschlusskapazitäten zwischen 1000 und 5700 Picofarad bieten. Wobei Rega die 1000 pF als die klanglich beste für die eigenen Pickups wie das Apheta 2 (1490 CHF) empfiehlt. Nun kann man diskutieren, ob das Sinn macht. Rega bietet es halt an.
Keiner Diskussion bedarf es, dass MCs nur an einer passenden Abschlussimpedanz Höchstleistungen zeigen. Nach einer alten Faustregel sollte diese um den Faktor 10 über dem Innenwiderstand des Generators liegen, der bei den meisten aktuellen Modellen zwischen 3 und 30, manchmal bei 100 Ohm liegt. Doch bei sehr strengem Lichte besehen, sind die wählbaren Abschlussimpedanzen zwischen 50 und 400 Ohm des Aura für heutige Ansprüche etwas karg. Denn die oft empfohlenen Werte von 200 oder 1000 Ohm fehlen in der Skala des Drehschalters, wobei diese Kritik angesichts der oft akademischen Relevanz aufs Ohm genauer Werte ein wenig schwächelt. Die Rega-MCs kommen damit jedenfalls klar.
Das gilt auch für die angebotenen Verstärkungsfaktoren. Ein MC-Vorverstärker zählt ja unter anderem zu den Königsdisziplinen des Verstärker-Baus, weil die winzigen Spannungen der bewegten Spulen um Faktoren wie 1000 (entspricht 60 Dezibel), 2000 (66 dB) oder gar 4000 (72 dB) gepäppelt werden müssen. Der Aura bietet laut Datenblatt 63,5 und 69,5 dB an, was für normal laute und normal leise Pickups völlig reichen dürfte, sie einigermassen auf Hochpegel-Niveau zu hieven
Technik
Regas Referenz-Pre leistet das auf technisch höchstem Niveau. Dreistufig und voll kanalgetrennt realisiert er den immensen Schub. Feldeffekt-Transistoren (FETs) nehmen sich in der Eingangsstufe im Komplementär-Gegentakt nach Darlington in purem Class-A-Modus der Signale, hier wird auch passiv der Höhenfrequenzgang nach RIAA entzerrt. Schallplatten werden aus guten Gründen mit stark angehobenen Höhen und stark abgesenkten Bässen geschnitten, das Mass gibt seit Ende der 1950er-Jahre standardmässig die RIAA-Kurve vor. Bei der Wiedergabe gilt es, diese lineare Verzerrung wieder spiegelbildlich rückgängig zu machen, deshalb heissen Phonostufen auch Entzerrer-Vorverstärker.
Die Bässe glättet in Stufe 2 des Aura ein symmetrischer Differenzverstärker wiederum in übernahmeverzerrungsfreier Class A. Stufe 3 stellt dann in Phase und in Phasenumkehr für den invertierten Part des symmetrischen Ausgangs Ausgangsspannung für den Hochpegel-Eingang der nachfolgenden Verstärker bereit. Der immense, mit feinsten Bauteilen und sehr viel Akribie im Platinenlayout realisierte technische Aufwand geriet nicht zum Selbstzweck, sondern dazu, das winzige Signal möglichst rein zu halten bei seinem Wachstum.
Die vom Aura gelieferte Ausgangsspannung ist jedenfalls vorbildlich clean. Brummen oder Rauschen lassen sich nur mit vehementem Rechtsdreh des Lautstärkestellers am folgenden Vor- oder Vollverstärker wahrnehmen. Bei zivilen Abhörlautstärken herrscht selige Ruhe. Was für die Musikwiedergabe nun überhaupt nicht gilt. Was auch immer in der Musik drinsteckt: Der Aura entlässt es geradezu entfesselt.
Hörtest
Wir haben zum Hörtests das exzellente neue Laufwerk Rega Planar 8 (2590 CHF ohne Zelle) mit dem genannten Apheta 2 bestückt. Im Falle der Verstärker gingen wir – um die Wirkungen des Aura auch unbestechlich analysieren zu können, nun unsererseits in die Vollen. Der Schweizer Rega-Vertrieb Audiosphere stellte die Vorstufe Moon 850 P (32'980 CHF) und die Endstufe Moon 670 A (21'980 CHF), alles mit teuren Cardas-Kabeln aus der Clear Line verbandelt, zur Verfügung. Auf Wunsch des Autors wurde es am Ende der Kette preislich wieder bodenständiger. Aber die im Paar 4400 CHF teure Trenner & Friedl Art hatte sich schon früher als kleiner Gigant herausgestellt – mit definitiv Studiomonitor-tauglicher Neutralität.
Nachdem wir uns zu Vergleichszwecken mit der gleichfalls von Rega stammenden Phono-Vorstufe Aria (1390 CHF) eingehört – und durchaus erfreut – hatten, liess nun der Aura genau dieselbe entstehen. Was immer Analog-Fans an «ihrem» Medium lieben: Dieser englische Pre spannt es für sie auf. Wir legten Georg Friedrich Händels «Wassermusik» in der sehr schönen Einspielung unter Nicholas McGegan auf: Die Streicher und Bläser des Philharmonia Baroque Orchestra spielten einfach strukturierter, lebendiger und lichter als zuvor. Der «TransEuropaExpress» der teutonischen Elektronik-Pioniere Kraftwerk legte scheinbar an Schwung zu, die harten Effekte etwa auf der Sprechgesangsstimme wirkten noch abgedrehter.
Ray Brown zupfte und strich seinen Kontrabass im Trio mit Pianist Gene Harris und Drummer Mickey Roher auf merklich satterem Fundament. Satt und prägnant schoben sich bei «Meditation» die Klavierakkorde über die feurigen Bossa-Rhythmen. Alles blieb perfekt in Timing, auch bei der sanften Beschleunigung im Mittelteil. Das immer heikle und für Analog-Fans fast heilige Thema Stimmwiedergabe hakte der grosse Rega überaus souverän ab mit Billy Joels «Vienna Waits For You» (auf der LP «The Stranger» bei CBS, heute Sony) und mit der aus dem gleichen Jahr 1977 stammenden Concord-Produktion von Rosemary Clooney, bei deren «More Than You Know» tatsächlich bisher unerhörte Details ans Licht kamen: So nuancenreich, so voluminös, so komplex können das nur Komponenten der absoluten Spitze wiedergeben.
Fazit
Rega mag mit seinem grossen Phono-Vorverstärker preislich die Grenzen für «vernünftige» Komponenten und «normale» Konsumenten durchbrochen haben. Doch das macht der eher karg ausgestattete Amp mehr als wett mit seiner überragenden Klangperformance. Diese sprengt gleichfalls Grenzen und stösst in die Regionen der besten Phono-Pres überhaupt vor.