TESTBERICHT
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Publikationsdatum
9. Mai 2005
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Chassis aus eigener Entwicklung

Als einiger der wenigen Lautsprecherhersteller entwickelt und baut das Kieler Unternehmen Elac seit 20 Jahren seine Wandlersysteme selbst.

Und dies mit Erfolg: Denn Elac-Chassis werden auch von anderen Herstellern wie dem renommierten deutschen High-Ender »Burmester« und dem dänischen Lautsprecherhersteller »Audio Vector« eingesetzt.

Nach der Standbox FS 608-4Pi mit ihrem rundum strahlenden Bändchenhochtöner überrascht nun Elac bei der FS 607 mit einer weiteren Innovation und bringt ein 115 mm X-JET genanntes Koaxialsystem.

Während sich gemeine Lautsprecherhersteller bei Spezialisten mit Chassis eindecken, geht man in Kiel den aufwendigeren Weg und entwickelt und produziert sämtliche Schalltreiber in den eigenen Werkhallen. Dabei kommt Elac immer wieder zu durchaus extravaganten und sehr hochwertigen Ergebnissen wie der ‚Bändchen-Pilzkopf 4Pi’ beweist, welcher im avguide.ch Test "Edler Feinklang" bereits Furore machte.

Innovative Neuentwicklungen

Als ob die Aufwendungen für den rundum erneuerten Bändchen-Hochtöner nicht schon genug wären, setzt nun Elac mit dem 115 mm X-JET System noch eins drauf. Die Idee und Motivation: Ein Treiber soll den ganzen tonalen Bereich zwischen 400 Hz bis 50’000 Hz ohne die Nachteile herkömmlicher Mehrweg-Systeme abstrahlen.

Dafür entwickelte man ein komplett neues Chassis, bei dem der Hochtöner im Zentrum eines ringförmigen Mitteltöners eingesetzt wird und beide den Schall von einem gemeinsamen akustischen Zentrum abstrahlen.

Das neue Kind aus dem deutschen Norden hört auf die Bezeichnung 155 mm X-JET. Die Massangabe bezieht sich auf den Chassis-Durchmesser, X steht für die konzentrische Anordnung des Mittel- und Hochtöners und JET für den bereits früher eingesetzten auf dem Heil-Prinzip basierenden Schallwandler.

Erster Koaxial-Lautsprecher mit JET-Hochtöner

Querschnitt des X-JET Koaxialchassis
Elac kombinierte als erster den hauseigenen bewährten Hochtöner JET mit einem ringförmigen Flachmembran Mitteltonkonus zu einem Koaxialchassis.

Koaxialsysteme werden seit geraumer Zeit mit grossem Erfolg von Kef, Tannoy und Piega eingesetzt.

Bei der Elac Koaxialtecholgie befinden sich die beiden Chassis nicht nur auf einer Achse, sondern vorteilhafter gleichzeitig auf einer Ebene, so dass man sich dem Ideal einer Punktschallquelle optimal nähert und eigentlich von einer konzentrischen Anordnung sprechen muss.

Das Elac 115 mm X-JET System besteht aus einem ultraleichten 50/105 mm Aluminiumwaben-, Flachmembran-Ringstrahler, der als Mitteltöner bis 2600 Hertz agiert.

Angetrieben wird das Mittelton-System von einer 78 mm Schwingspule, die auf einem Kaptonträger montiert wurde. Der Hochtöner ist eine modifizierte Version des JET III, der auch in anderen Elac Lautsprechern sowie den Burmester Lautsprechern eingesetzt wird.

Der JET-Hochtöner basiert auf dem Heil-Prinzip. Beim Heil-Wandler wird die Luft quasi aus der gefalteten Membran herausgepresst. Die Luft wird sehr effektiv bewegt, was ein hervorragendes Impulsverhalten ergibt. Mehr Infos zum Heil-Schallwandler

Harmonischer Klang dank zeitgleicher Abstrahlung

oben: Koaxialchassis konventionell, unten: Elac Flachmembran-Variante ohne vorgesetzte trichterförmige Schallführung
Dank dem gemeinsamen akustischen Zentrum von Hoch- und Mitteltöner werden sämtliche Schallanteile oberhalb 400 Hertz zeitgleich abgestrahlt. Technisch beschreibt man dieses Verhalten als ‚phasentreu’.

Eine nicht zu unterschätzende Qualität, haben doch Untersuchungen der Hörphysiologie bestätigt, dass Schallereignisse, die von zwei Quellen leicht zeitversetzt erzeugt werden, was bei allen Mehrwegsystemen ohne Zeitkorrektur und somit bei 95% aller Lautsprecher der Fall ist, beim Langzeithören als lästig und unnatürlich empfunden werden. Nicht umsonst gelten Vollbereichslautsprecher, die keine Aufteilung in Hoch-, Mitteltöner und Bass kennen als besonders harmonisch und natürlichen im Klangcharakter.

Wieso denn überhaupt Mehrweg-Lautsprecher mag man nun denken: Die Crux liegt in der zu bewegenden Masse der Chassis und den unterschiedlichen akustischen Anforderungen je nach Frequenzbereich.

Um hohe Lagen kohärent zu reproduzieren, sollte die Masse des Treibers möglichst gering sein, da er sonst infolge der Trägheit des Systems dem Signal nicht zu folgen vermag. In tiefen Lagen ist hingegen vornehmlich Membranfläche zur Luftverschiebung und Erzielung des Schalldrucks erforderlich. Grosse Membranflächen sind jedoch wieder schlecht für das Rundstrahlverhalten.

Der ideale Lautsprecher besitzt also eine Membran die möglichste klein ist, möglichst viel Luftmasse bewegen kann und keine Masse hat – die Quadratur des Kreises und in der Praxis bis anhin nicht realisiert. Elektrostaten und Mangetostaten können dank der extrem leichten Membran von 200 Hertz bis in den obersten Frequenzbereich breitbandig eingesetzt werden, bündeln den Schall jedoch sehr stark.

Bei dynamischen Lautsprechern sind Koaxial-Chassis wie der Elac 115 mm X-JET akustisch der beste Kompromiss.

Aluminum-Membran im Bassbereich

Unterhalb 500 Hertz benötigt die FS 607 X-JET konventionelle Tieftöner. Sie besitzen die verwindungssteifen Membranen in bewährter Aluminium Sandwich-Technik, welche Elac beinahe in der der gesamten Lautsprecherlinie einsetzt.

Die 37 mm Schwingspule ist mit hochtemperaturfestem Draht auf Kapton-Schwingspulenträger gewickelt. Ein homogenes Magnetfeld wird durch eng tolerierte Magnete aus Elac eigener Fertigung - mit zusätzlichem Ferritring - erzeugt.

Eingebaut werden die edlen Treiber in ein aufwendig gefertigtes Gehäuse aus Aluminium-Stangpressprofilen. Das komplexe Gehäuse ist intern mit horizontalen und vertikalen MDF-Versteifungen und Zugstreben verspannt, was die berüchtigten Resonanzen von Aluminium-Gehäusen minimieren soll.

Selektierte Folienkondensatoren in der Frequenzweiche, vergoldete WBT-Buchsen und eine Innenverkabelung mit Van-den-Hul-Kabeln vervollständigen die edle Verarbeitung der FS 607.

Vom Raumklang zum Präzisionsklang

Präszise Klangbild dank JET-Hochtöner
Da bereits die FS 608 4 PI im avguide.ch Test war, drängte sich natürlich der direkte Vergleich zur FS 607 auf.

Schnell war klar, dass hier zwei Lautsprecher aus dem gleichen Haus mit grundsätzlich verschiedenen Klangeigenschaften aufspielen.

Während die FS 608 mit einer weiträumigen und beinahe schon ätherischen Klangentfaltung zu gefallen weiss, besticht die FS607 durch eine ungemein dynamische und präzise Wiedergabe.

Beinahe wie ein professioneller Studio-Monitor fördert sich auch noch so kleine Nuancen zu Tage und positioniert sie punktgenau auf der akustischen Bühne. Wo die FS 608 bisweilen etwas verklärt wirkt, ist bei der FS607 schnörkelloser Realismus angesagt. Wer jetzt vermutet, eine spröde Technokratin vor sich zu haben, täuscht sich jedoch gewaltig.

Der FS 607 gelingt nämlich das Kunststück, ihre beinahe grenzenlosen analytischen Fähigkeiten mit einem seidenweichen und warmherzigen Klangtimbre zu verbinden.

Streicher wirken bis in die obersten Lagen unglaublich ziseliert und feinsinnig. Wer schon mal den singenden Charakter einer Klarinette im Konzartsaal mitverfolgen konnte, wird ihn bei der FS 607 wieder finden. Was für eine reiche Klangentfaltung… Vom berüchtigten Kalottensound ist hier wirklich nichts mehr zu spüren.

Durch den geringen Eigenklang des JET Systems wirkt die FS 607 auch in kritischen Passagen nie unangenehm, sondern bleibt auch im Forte natürlich und verfärbungsfrei. Orgelaufnahmen besitzen klar durchzeichnete Mixturen. Die Räumlichkeit ist exzellent. Der diskrete Bass geht tief und leuchtet auch die untersten Register aus.

Wenn man überhaupt eine Schwachstelle findet, dann vermag der Bassbereich in Klasse und Leichtigkeit nicht mit dem Koaxial-Chassis mithalten. Die beiden Treiber mit Aluminium-Membran agieren sehr dynamisch und impulsiv, erreichen aber nicht die fundamentale Kraft und den Druck wie ihn grossflächige Basstreiber hervorbringen.

Einen Slapbass setzt die 607 zwar knallhart und präzise, aber ohne Zwerchfellmassage um. Diese Klangeigenschaften hat sie mit den meisten modernen Standboxen gemein. Einen richtig grossvolumigen Lautsprecher, der auch im Frequenzkeller Druck erzeugen kann, will sich heute offenbar kaum noch jemand ins Wohnzimmer stellen – wofür man ja noch durchaus Verständnis aufbringen kann.

Bei der Stimmenwiedergabe war die FS607 wieder voll im Elemente. Ihre herausragende Durchzeichnung bei einem seidigen Klangtimbre kann nicht genug estimiert werden.

Fazit

Der 607 geling das Kunststück extrem analytisch, dynamisch und doch seidenweich zu spielen. Eine Kombination die von hoher Klasse zeugt. Die Verarbeitung ist dem Preisniveau angemessen sehr hochwertig. Das Design der schlanken Standbox wirkt denn auch im Wohnzimmer keineswegs aufdringlich. Ein Kränzchen widmen muss man Elac für den Effort, immer wieder hochwertige Lautsprecherchassis zu entwerfen. Mit dem 115 mm X-JET System ist ihnen ein weiterer Meilenstein gelungen.
STECKBRIEF
Modell:
FS 607 X-JET
Preis:
6,570.00 CHF
Hersteller:
Jahrgang:
2005
Vertrieb:
Masse:
1080 x 290 x 325 mm
Gewicht:
35 kg
Farbe:
Silver Shadow, Titan Shadow
Bass:
2 × 180 mm AS Konus
Bauprinzip:
3½-Wege Koaxial Bassreflex
Empfohlene Leistung:
100 - 400 Watt
Frequenzgang:
28 - 50'000 Hz ± 3dB
Hochton:
1 × JET III*
Impedanz:
4 Ohm
Maximale Leistung:
400 Watt
Mittelton:
1 × 50/105 mm Ringstrahler Alu-Waben-Flachmembran
Wirkungsgrad:
89 dB