TESTBERICHT
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Das tangentiale Prinzip

Im Schallplatten-Schneidstudio treibt das Signal den Stichel schnurgerade vom Plattenrand Richtung Mittelpunkt vor, also auf einer Radial-Linie. Der Schneidkopf steht dabei immer im gleichen Winkel zur geschnittenen Rille, immer tangential, Abweichung null Grad.

Bei den heute üblichen, so genannten Radialtonarmen aber beschreibt die Abtastnadel ihrerseits eine Kreis(ausschnitts)bahn über der Scheibe. Dieser Kreisausschnitt schneidet die Radiallinie nur an zwei Punkten; und nur an diesen zwei Punkten steht die Nadel exakt so in der Rille, wie diese geschnitten wurde.

Bei allen anderen 664 Malen, die der Bogen bei einer 20-minütigen Schallplattenseite den gedachten Radius passiert, tut er dies mit einer gewissen Abweichung vom Ideal, man spricht vom tangentialen Spurfehlwinkel. Diesen verzerrungsträchtigen Fehler zu minimieren, ist eine Wissenschaft für sich. Ganze Glaubenskriege fanden statt und HiFi-Freundschaften zerbrachen an der Frage, nach welcher Schablone man für welche Schallplatten den Winkel optimiert.

Warum also ihn nicht ganz vermeiden, warum sind Arme ohne Fehl so selten? Weil der mechanische und fertigungstechnische Aufwand einen Tangentialtonarm eben teuer macht. Das grösste Problem ist die reibungslose Wanderschaft des Tonabnehmers von – meistens – aussen nach innen. Es gab verschiedene, unbefriedigende Lösungen. Zum Beispiel zwangen Servomotoren einst den auf gerader Linie über die Platte geführten Arm auf Kurs. Doch die zerrten mal über Gebühr an der empfindlichen Nadelmechanik, mal fielen sie aus.

Es gab luftkissengelagerte Arme, wo der Lärm des Blasebalgs oder seine Ausfälle jeden Musikgenuss ad absurdum führten. Und es gab und gibt eben Arme, wo die Lagerreibung des Schlittens so gering gehalten wird, dass ihn allein die Trackingkraft der Rille zieht. Die Clearaudio TTs verrichten so ihre Arbeit.

Der Job ist alles andere als trivial. Der Schlitten führt schliesslich den kurzen Tonarm samt Abtastsystem. Dieses braucht eine gewisse Auflagekraft und sollte dazu noch auch mit welligen oder eiernden Platten klarkommen. Sprich: Ein komplexes System von Massen und Beschleunigungen will mechanisch beherrscht sein.

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