
Waren Sie schon einmal in einem schalltoten Raum? Einem Raum ohne Schallreflexionen an Wänden, Boden und Decke? Dann kennen Sie das beklemmende Gefühl. Die eigene Stimme hört sich im Kopf lokalisiert an. Dasselbe mit der Stimme einer anderen Person im Raum. Als ob man Kopfhörer tragen würde.
Unsere Wohnräume sind nicht so gebaut. Wir wünschen, dass der Schall an Wänden, Boden, Decke reflektiert wird, um uns ein wohnliches Gefühl zu geben. In einem schalltoten Raum würden wir es nicht lange aushalten. Aber Reflexionen können sehr unterschiedlich ausfallen. Die Beschaffenheit der Flächen und die Art der Materialen spielen eine Rolle. Sowie die Grösse des Raumes. Ein Raum mag angenehm klingen, wenn man sich darin unterhält – die menschliche Stimme hat einen begrenzten Frequenzumfang. Aber sobald Musik wiedergegeben wird, können Probleme hörbar werden. Der Raum kann zu hallig sein, oder der Bass dröhnt oder die hohen Frequenzen werden zu stark reflektiert und dadurch verstärkt.
Einen Raum so zu gestalten, dass er für die Musikwiedergabe geeignet ist, ist leider nicht ganz einfach. Widersprüchliche Anforderungen bestehen zwischen Ästhetik, Wohnkomfort, Akustik. Eine gute Lösung vom akustischen Standpunkt her besteht oft aus Massnahmen bezüglich des Baus (Materialen), der Wohnungseinrichtung, der Raumgeometrie, der Lautsprecher-Platzierung, der Verwendung von Akustikelementen und der Frequenzgang-Entzerrung (Raum-Equalizer) der Lautsprecher.
In diesem ersten Teil der zweiteiligen Akustik-Serie sollen die potenziellen Akustik-Probleme erläutert werden. Und es soll aufgezeigt werden, wie man diese Probleme konkret feststellen und quantifizieren kann. Im zweiten Teil wird aufgezeigt wie Akustik – Probleme verringert werden können.
Lautsprecher und Raum als System
Die Raumakustik ist, neben den Lautsprechern, die wesentlichste Komponente, die zu einer guten Musikwiedergabe beiträgt. Man kann die ganze Elektronik austauschen – wenn die Raumakustik nicht stimmt, wird das keinen Einfluss auf die Qualität der Wiedergabe haben. Leider wird bei der Musikwiedergabe zuhause diese Tatsache oft verkannt.
Wahrscheinlich weil es unter Umständen aufwändig sein kann, die Raumakustik zu verbessern. Erst einmal muss man herausfinden, welche Massnahmen sinnvoll sind. Der beste Weg dazu führt über AkustikerInnen, die Messungen machen und Verbesserungen vorschlagen können. Die zwei Artikel sollen zum Verständnis der Problematik beitragen.
Man muss die Kombination aus Lautsprecher und Raum als System betrachten. Die Lautsprecher strahlen Schallwellen in einen Raum, der mit Einrichtungsgegenständen und akustischen Eigenschaften versehen ist. Dies ist ähnlich eines Musikinstruments, das in einem Konzertsaal gespielt wird.
Das heisst, es interessiert, wie der Lautsprecher mit der Umgebung interagiert. Da kommt es darauf an, wie der Lautsprecher die unterschiedlichen Frequenzen abstrahlt und wo der Lautsprecher im Raum steht. Unterschiedliche Lautsprechermodelle strahlen unterschiedliche Frequenzen in einer Vielfalt von Charakteristiken ab.
Die Gebräuchlichsten strahlen tiefe Frequenzen kugelförmig ab, und je höher die Frequenz steigt, desto gebündelter wird der Schall abgestrahlt. Andere Lautsprecher strahlen nach hinten wie nach vorne (Dipole) oder frequenzunabhängig kugelförmig (Omni). Wieder andere versuchen, die Abstrahlung der tiefen Frequenzen ebenfalls zu bündeln, sodass die Bässe nicht von der Wand hinter dem Lautsprecher reflektiert werden.
Zusammen mit der Platzierung der Lautsprecher im Raum ergibt dies eine Vielzahl von Abstrahlcharakteristiken.
Tiefe Frequenzen = grosse Probleme

Wir wollen uns in diesem Artikel auf die «tiefen» Frequenzen konzentrieren, da diese die meisten Probleme verursachen (je nach Beschaffenheit der Wände, Decke, Boden können allerdings auch höhere Frequenzen Probleme verursachen). Die Frage ist, bis zu welcher oberen Frequenz gehen diese «tiefen», Probleme verursachenden Frequenzen? Diese obere Frequenz, die sogenannte Schröderfrequenz, lässt sich mit der folgenden Formel berechnen:
F = 2000 x √(T / V)
T ist die Nachhallzeit des Raumes in Sekunden, V das Volumen des Raumes in Kubikmeter. Die Nachhallzeit hängt oft mit dem Volumen zusammen, sodass für nicht zu hallige Räume die Frequenz F um die 300 Hz zu liegen kommt.
Was passiert nun bei diesen tiefen Frequenzen? Bei gewissen Frequenzen entstehen sogenannte stehende Wellen oder Raum-Moden. Das heisst, die Schallwelle passt in ihrer Länge schön in die Länge oder Breite oder Höhe des Raumes. Die Länge der Schallwelle berechnet sich mit:
L = c / f
c ist die Schallgeschwindigkeit im m/s, ca. 343 m/s, f ist die Frequenz in Hz.
Beispiel: Eine Frequenz von 100 Hz hat eine Wellenlänge von 343 / 100 = 3.43 m oder 343 cm.
Natürlich passen auch Frequenzen mit Vielfachen der Grundwellenlänge zwischen die Wände; man spricht dann von Raum-Moden höherer Ordnung. Die Mode erster Ordnung entsteht bei der Frequenz, deren halbe Wellenlänge dem Abstand zwischen den Wänden entspricht. Das heisst:
f = c / 2d
d ist der Abstand zwischen den Wänden. Ein Beispiel: Ein Raum mit 5 x 4 x 2 Meter Abmassen (L x B x H) erzeugt folgende Moden erster Ordnung zwischen den Wänden:
f1 = 343 / 10 = 34.3 Hz
f2 = 343 / 8 = 42.875 Hz
f3 = 343 / 4 = 85.75 Hz
Sowie die Moden höherer Ordnung, welches ganzzahlige Vielfache der oben genannten Frequenzen sind. Das heisst, für f1 sind dies noch 68.6 Hz, 102.9 Hz, 137.2 Hz usw.
Die Raum-Moden sind die Resonanzfrequenzen des Raumes und verstärken daher diese Frequenzen. Deshalb versucht man die Raum-Moden zu unterdrücken – durch akustische und/oder elektronische Massnahmen. Mehr dazu in Teil 2.
Raum-Moden praktisch ermitteln
Auf dieser Website lassen sich die Raum-Moden für gegebene Räume anzeigen. Es gibt auf der Website ein Fenster «Modes to display». Hier empfehle ich, nur «axial» anzuwählen. Das sind die Moden, die wir oben besprochen haben. Die Moden «tangential» und «oblique» erstrecken sich über 4 bzw. 6 Wände. Sie sind im Pegel wesentlich kleiner als die axialen Moden und daher für unsere Zwecke vernachlässigbar.
Diese Website erlaubt es für schuhschachtelförmige Räume, die Moden zu berechnen. Sind die Räume komplexer, werden diese Berechnungen gegebenenfalls um einiges komplizierter.
Versuchen Sie, anhand dieser Website die Moden Ihres Hörraumes zu ermitteln.
Danach lade ich Sie ein, eines der folgenden Audio-Files herunterzuladen (FLAC oder WAV Format): File 1; File 2
Wenn Sie das File abspielen, werden Sie einen Sinuston hören, der sich in der Frequenz langsam ändert, beginnend mit 200 Hz und endend bei 20 Hz. Achtung, das Signal kann sehr laut sein. Für die Messung genügt eine angenehme Lautstärke.
Versuchen Sie nun mit der Stoppuhr die Zeiten festzuhalten, bei denen die Sinusschwingung am lautesten klingt, das heisst, die Zeiten, bei denen Raum-Moden angeregt werden. Wichtig: Setzen Sie sich dazu an Ihren gewohnten Hörplatz, weil an einem anderen Platz die Raum-Moden völlig unterschiedlich stark in Erscheinung treten können.
Die gemessenen Zeiten können Sie danach anhand dieser Tabelle in die entsprechende Frequenz umrechnen: Die kritischen Frequenzen sollten ungefähr mit den Frequenzen der berechneten Raum-Moden übereinstimmen. Es kann natürlich sein, dass Sie keine überhöhten Frequenzen feststellen können. Das wäre dann ideal – sprich: Ihr Raum ist bezüglich der Raum-Moden neutral. Das ist es, was wir anstreben.
Mehr dazu an der High End Swiss

Im zweiten Teil dann mehr dazu, wie man diese störenden Raum-Moden bekämpfen kann.
An der High End Swiss, die am 27.10. und 28.10. in Regensdorf stattfindet, werde ich in Raum 339 Vorträge zu Raumakustik und anderen Themen halten. Mit akustischen Beispielen.
Mehr Informationen zur High End Swiss.
Mehr zu Raummoden auf Wikipedia.