Gut 20 Jahre sind vergangen, seitdem ich die erste Version der ELLA entworfen habe. Es war das zweite «Klangwerk» der inspirierenden Zusammenarbeit mit der Relec SA in Yverdon-les-Bains, insbesondere mit Firmengründer Alain Roux. Relec entwickelt und produziert die bekannten aktiven Studio-Monitore der Eigenmarke PSI Audio, welche weltweit zu den Besten ihrer Zunft gehören.
Mir schwebte jedoch kein reinrassiger Monitor vor, sondern ein Lautsprecher, der in einem üblichen Wohnraum seine besondere Wirkung entfaltet, akustisch wie optisch. Er sollte nicht nur beim konzertanten Zuhören im Sweet Spot brillieren, sondern mindestens auf dem ganzen Sofa. Musikhören soll auch spätabends bei leisen Pegeln zum Genuss werden und auch fernab der optimalen Hörzone.
Und schliesslich sollte das Objekt das Auge erfreuen, auch wenn es nicht spielt – ähnlich wie eine schön gestaltete Lampe bei Sonnenschein. Dass dies gelang, bezeugten Fachleute, Partner und begeisterte Kunden, wie in einer Dokumentation nachzulesen ist. ELLA war für Klangwerk auch international ein Türöffner.
Zu hören an den:
ELLA – Immersive Stereodays
Freitag 3. November, von 13-18 Uhr
Samstag 4. November, von 12-17 Uhr
Anmeldung erwünscht: info@klangwerk.ch
Klangwerk GmbH
Wieslergasse 6
8049 Zürich
Form schafft Klang
Wer die ELLA zum ersten Mal sah, bemerkte öfters, dass die Formgebung an das «Bauhaus-Design» erinnert. Das gefiel mir, steht doch das Bauhaus für den Gedanken, dass die Form nicht sich selbst genügt, sondern sich aus einer eingehenden Beschäftigung mit der Funktion entwickelt. Im besten Fall gelingt aus diesem Prozess ein eigenständiges und in sich stimmiges Objekt.
Doch ist die ELLA in den Augen fast jedes Testers so speziell geworden, dass weniger vom Bauhaus, sondern von einem Kunstwerk gesprochen wurde. Dies freute mich einerseits, machte mich aber auch nachdenklich. Ein Kunstwerk entzieht sich funktionalen Kriterien und darf sich selbst genügen. Ein Kunstwerk muss man entschlüsseln können – und wenn nicht, bleibt es einem fremd. So erging es öfters der ELLA, denn sie bedient nicht die optischen Codes eines High-End-Lautsprechers. Es drohte Skepsis.
Die Basis des Entwurfs ist allerdings traditionell: ein 2-Wege-System mit Hochton und Tiefmittelton in einem Bassreflexgehäuse. 2 Wege bilden das einfachste Layout, um mit dynamischen Chassis den gesamten Frequenzbereich sauber wiederzugeben. Reflex liefert Druck und Tiefgang. Mit 2 Wegen muss man nur einen Übergang bewältigen und man reduziert die Fehlerquellen. Kein Wunder, ist das 2-Wege-Bassreflex-System das wohl beliebteste System überhaupt.
Man kann mit geringem Aufwand schon ein gutes Resultat erzielen (siehe Kompaktboxen), aber mit gesteigertem Aufwand auch State-of-the-Art-Lautsprecher bauen. Die Herausforderungen liegen an den Frequenzenden und im Übergangsbereich. Wie gelingt es, einen satten, tiefreichenden Bass mit einem klaren Mittelton zu verbinden und ein homogenes Abstrahlverhalten zu erzeugen, vor allem im Mittelhochton?
Die ELLA gibt mehrere unkonventionelle Antworten. So ist der Tief-Mittelton auf drei kleine 13-cm-Chassis aufgeteilt, welche in einem Dreieck angeordnet sind, sodass der Schall aus einem virtuellen Zentrum Richtung Hörer abgestrahlt wird. Die nach hinten geneigte obere Schallwand macht dies möglich. Ein Nebeneffekt: Die seitlichen Chassis kompensieren gegenseitig die Impulse aufs Gehäuse. Zusätzlich nutzte ich deren Gusskörbe, um dieses zu versteifen.
Der Hochtöner war in der ersten Version oberhalb dieses Zentrums angeordnet, durch die Neigung der Schallwand zurückversetzt, womit ein gewollter zeitlicher Versatz entstand. In der zweiten Version rückte er ins Zentrum des Dreiecks, um ein konzentrisches Layout zu realisieren, quasi ein «Tri-Appolito». Der räumliche Versatz wurde mit der neueren Aktivelektronik zeitlich ausgeglichen.
Entstanden ist eine beschwingte Form, die leicht, zierlich und zeitlos wirkt. Mir erschien dies passend, um die im Raum schwebende, schwerelose Musik zu evozieren. Die Komponenten (Chassis, Reflexkanal, Elektronik) sind in die Klangskulptur eingearbeitet und formen diese mit.
Leichte Membranen – leichtfüssiger Klang
Die Tiefmittelton-Chassis haben sehr leichte, faserverstärkte Papiermembranen, gemeinhin bekannt für ihre natürliche Wiedergabe. Sie stammen von Audax aus Frankreich und sind die einzigen fremdländischen Zutaten. Mit einem Flair für Extravaganz nannten die Franzosen das Membranmaterial «High Definition Aerogel (HDA)». Auch wenn dies schon bald 30 Jahre her ist, finde ich diese HDA-Membranen immer noch grossartig. Sie sind eine Antithese zu den heute im High-End verbreiteten Tief-Mitteltönern, welche mit höherem Membrangewicht und längeren Schwingspulen auf Tiefgang im Bass und ausgewogene Frequenzgänge aus sind, auf Kosten der Dynamik.
Man kann sich unschwer ausmalen, dass die geringere «bewegte Masse» der HDA (leichte Membran und kurze Schwingspulen) eine bessere Dynamik erlauben. Weil in der ELLA gleich 3 x 13 cm HDA werkeln, wird diese zusätzlich gesteigert. Es kommt eine respektable Membranfläche zusammen, entsprechend einem 22-cm-Tiefmitteltöner! Das erklärte ich oft, wenn bei Vorführungen skeptische Hörer fragen, ob denn diese Box auch basstüchtig sei. Von vorne sieht man die seitlichen Chassis nicht, so wenig wie die Reflexkanäle. Und man versteht auch nicht auf Anhieb, dass diese drei Chassis parallel arbeiten. Ich spielte dann Yello und sah mit Genugtuung in die erstaunten Gesichter! In den Hinterköpfen, dies mein Eindruck, verfing der Trick mit den kleinen Chassis nicht immer. Man hört, was man sieht, und die Wirkung meines charmanten Spiels verpuffte.
Den Freunden grosser Bässe sei bestätigt, dass ein 22er-Tiefmitteltöner einen deutlich grösseren Membranhub realisieren kann als 3 x HDA und im Bass somit lauter und auch tiefer spielen kann. Der Preis wäre ein deutlich grösseres Volumen, eine breitere Schallwand und mehr erforderliche Leistung – für mich unisono ein No-Go.
Betrachtet man aber die Fähigkeiten im Grundton und im Mittelton, da wo unser Ohr empfindlicher ist und über das Auflösungsvermögen entscheidet, haben 3 x HDA frappante Vorteile. Ebenfalls bezüglich dem Abstrahlverhalten. Ein 22er-Mitteltöner würde im Übergang zum Kalottenhochtöner so stark richten, dass keine homogene Abstrahlung möglich ist. 3 x HDA im Dreieck schafft im Vergleich Erstaunliches! Und was die Bassperformance angeht: Über die Relec-Elektronik haben wir noch nicht gesprochen. Heutige (Aktiv-)Lautsprecher werden eher wie ein SUV konzipiert, wogegen mir ein Sportwagen lieber ist.
Der Hochtöner hat eine Metallmembran und stammt ebenfalls von Audax. Deren Erfahrung damit ist respektabel! In der ersten Version war die Membran aus Titan und der Antrieb ein Ferritmagnet. In der zweiten Version ist sie aus Magnesium, mit einem Neodymium-Magnet. Nun eilt Metallmembranen der Ruf voraus, zwar schön aufzulösen, aber auch gerne spitz und scharf zu klingen. Das ist nicht unberechtigt, kann aber durch geschicktes Engineering eingegrenzt werden, insbesondere auch mit der Aktivtechnik von Relec. Der Hochtöner arbeitet auf eine «Waveguide», ein kurzer, hornartiger Vorsatz. Über die Membran ist eine durchsichtige Akustiklinse gespannt.
Eine Waveguide ist ein bewährtes Mittel, um das Abstrahlverhalten des kleinen Hochtöners im Übergangsbereich an den grösseren Tiefmitteltöner anzupassen. Zudem hat sie den Nebeneffekt, die Dynamikreserven in diesem Bereich zu erhöhen. Erst dies erlaubte die verhältnismässig niedrige Trennfrequenz um 1700 Hz, die für das unkonventionelle akustische Design unabdingbar ist. Die Waveguide ist so gross gewählt, dass die Chassis frontseitig maximal zusammenrücken. Die Akustiklinse hingegen hilft, den Superhochton oberhalb 6 kHz besser zu streuen und passt die Richtwirkung dem unteren Frequenzbereich an. Die Innenverkabelung besteht aus Draht (solid core) statt einer Litze und stammt vom Schweizer Hersteller Vovox.
Ein Lautsprecher klingt so wie er abstrahlt
Die schräge Schallwand ist auch diesbezüglich interessant, ergibt sich doch eine sanftere Pegelabschwächung zu den Seiten, was wiederum der Abstrahlung dient. Auch hier ist ein positiver Nebeneffekt eingetreten, denn der Hochtöner strahlt weniger Schall zum Boden als zur Decke ab. Das ist insofern ein Vorteil, als dass der Umweg des reflektierten Schalls zum Hörer über die Decke deutlich grösser ist und die Decke eine diffusere Verteilung erlaubt.
Zudem entsteht ein angenehmer Effekt von Luftigkeit und eine immersive Wirkung. Dies steht im Gegensatz zur Doktrin der maximalen Richtwirkung auf den Hörplatz, um Boden- und Deckenreflexionen zu minimieren. Dieser Ansatz funktioniert in der Praxis nur in einem arg eingeschränkten Frequenzbereich und arbeitet «gegen den Raum» statt mit ihm. Hört man solche Systeme ausserhalb der Hörachse und stehend, klingen sie rasch unausgewogen und dumpf.
Den über die Zuhörer Richtung Decke strahlende Hochtöner musste ich auch öfters erklären, denn seine Neigung wirkt im Vergleich zum üblichen Layout seltsam. Verständlich wird dies erst, wenn man sich seine Wirkung akustisch und nicht optisch denkt. Interessanterweise wird derselbe Effekt in der horizontalen Ebene, wenn also der Hochtöner seitlich am Ohr vorbeizielt, durchaus akzeptiert.
Diese Situation entsteht sehr oft, da Lautsprecher gerne parallel zur Rückwand aufgestellt werden, was akustisch übrigens ein Unsinn ist, will man einen breiten Sweet Spot realisieren. Die bessere Wahl ist, die Lautsprecherachsen vor dem Hörplatz kreuzen zu lassen – ein akustisches Konzept, das die ELLA konsequent nutzt. Der Trick: Nähert man sich dem einen Lautsprecher, wird dieser zwar lauter, doch tritt man gleichzeitig stärker aus dessen Schallfeld hinaus – und somit in dasjenige des entfernteren Lautsprechers hinein. Dies, weil Lautsprecher ausserhalb ihrer Achse im Pegel abfallen.
Dadurch egalisiert sich tendenziell der Pegel links-rechts und die Hörzone, wo der Stereoeffekt noch funktioniert, wächst. Der ELLA-Ansatz: Dieser Pegelabfall erfolgt über einen weiten Frequenzbereich linear («Constant Directivity»), wogegen dies bei den meisten Lautsprechern unregelmässig geschieht.
Die starke Einwinkelung der ELLAs wirkt ungewohnt und Fragen tauchten auf. Ich bat dann jeweils, man möge aufstehen und herumlaufen. Schon nur beim Aufstehen merkt man, dass kein Hochtonabfall eintritt. Läuft man herum, ändert sich der Klang wenig. Wer übrigens darauf achtet, wie Lautsprecher klingen, wenn man umherläuft, wird feststellen, dass dies in hohem Masse den Gesamtklang definiert. Dominant beim Zuhörer ist nämlich immer der Indirektschall und nicht der Direktschall (ausser im Nahfeld), Stichwort «Hallradius».
Die ELLAs muss man übrigens nicht zwingend stark einwinkeln. Auch parallel zur Rückwand aufgestellt, klingen sie ausgewogen. Auf mich wirken sie dann fremd, denn ich hatte beim Entwurf zwei Bilder im Kopf, die mit dem Einwinkeln spielen. Beim wichtigeren Bild sind es zwei Statuen, welche an Sängerinnen erinnern, die sich einander zuwenden, um die Musik in der imaginären Mitte zu feiern. Die weibliche Form suggerierte den Namen, der auch eine Referenz an die grosse Lady des Jazz ist.
Das zweite Bild: die Beschwörung des Heiligen Geists mit einer Geste von Armen und Händen gen Himmel! Betrachtet man diese Figuren, erinnert dies an die beiden Schallwände, welche den Geist der Musik beschwören. Das Religiöse geistert ja unentwegt durch die High Fidelity, wirken doch die Geräte wie Altare, vor die man sich beim Musikhören setzt. Wenn schon religiös angehaucht, so gefällt mir das Bild des leeren Zwischenraums, der durch Musik gefüllt wird, deutlich besser. Die Anlage kann dann diskret an der Seite stehen, was sogar akustische Vorteile hat.