Auch ein Rezensent hat so seine Phasen, in denen er auf eine ganz spezielle Musik-Stilrichtung abfährt. Momentan hat es mir die barocke Musik von Antonio Vivaldi angetan, die nicht nur herrlich swingen, sondern bei ruhigen, gefühlvollen Sätzen auch tief bewegen kann.
Wie schon in der Rezension Swingender Barock erwähnt, wurde Antonio Vivaldi wegen seiner roten Haarfarbe und seiner mit 25 Jahren empfangenen Priesterweihe auch «il Prete rosso» (der rote Priester) genannt. Vivaldi klagte zeitlebens über eine «Enge auf der Brust», was auf Asthma hindeutet. Doch wer dieses Album anhört, kriegt virtuose, spritzige und kraftstrotzende Barockmusik in bester Hi-Res-Manier zu hören.
Konzert hinter Holz-Trenngitter
Wie ich dem Booklet des Harmonia-mundi-Albums «Concert for the Prince of Poland» entnehmen kann, war es bei den Konzerten des Ospedale della Pieta, einem Kloster mit angeschlossenem Waisenhaus für Mädchen, damals üblich, dass das von Vivaldi geleitete Orchester, bestehend aus Mädchen des Waisenhauses, vor den begehrlichen Blicken der «auf Brautschau gehenden Männer» durch einen hölzernen Wandschirm in Form eines Trenngitters geschützt war.
Wahre Juwelen
Da Vivaldi sagenhaft viele Konzerte für diverse Instrumente schreiben musste, sind nicht alle Werke von gleicher Genialität. Zeitweise hört man es überdeutlich, dass einige Kompositionen Routine-Arbeiten sind. Andere wiederum sprühen vor ungeheurem Ideenreichtum.
Hier zwei Beispiele aus dem vorliegenden Album, das aus 2 CDs besteht und mit 54 Tracks und einer Spieldauer von 01:54:18 sehr viel Musik bietet. Der zweite Satz (Andante) des Konzerts für Streichorchester in H-Dur, RV 167 legt, ähnlich eines sehr ruhig dahingleitenden Flusses, ein leises Fundament. Darüber schwingt sich von Zeit zu Zeit eine Melodie von geradezu göttlicher Schönheit.
Andrerseits zeigt Vivaldi, dass er ein wahrer Schelm sein kann. So bringt er im 2. Satz des Konzertes in a-moll RV 161 eine wahre Modulations-Orgie. Sie verblüfft, indem sie den Hörer immer in eine ganz andere Richtung führt, als er dieser erwartet. Das ist auch nach mehrmaligem Anhören absolut faszinierend. Das traurige an der ganzen Sache ist, dass dieser Spass lediglich 51 Sekunden dauert. Da hätte ich mir dutzende von Minuten, ja Stunden in dieser Art gewünscht.
Brillantes Orchester, solider Solist
Die zahlreichen Konzerte für Streichorchester werden so gespielt, dass es einem zeitweise den Atem verschlägt, mit welcher Virtuosität, Präzision und Musikalität das Orchester aufspielt. Der Klang lässt nichts zu Wünschen übrig. Die Streicher kommen mit einem wahren Feuerwerk an Klangfarben und Details – so spielen etwa die Zupfer des leisen Begleit-Cembalos hauchzart und wohldefiniert.
Der Violinist Alessandro Tampieri spielt gewiss ohne Fehl und Tadel, obwohl er nicht die extravagante Spielweise eines Andrew Manze (siehe: Violine in DSD und PCM) bieten kann.
Veröffentlicht wurde dieses Album im Mai 2018. Aufgenommen wurde es jedoch bereits im November 2017 im Teatro Goldoni Bagnacavallo (Italien).
Aller guten Möglichkeiten sind 3
Bei Qobuz gibt es drei Möglichkeiten, diese Aufnahmen anzuhören. Per Streaming (Abo), per Download (kostenpflichtig) oder gratis per «Import in Quality». Letzteres ist erklärungsbedürftig. Mit «Import in Quality» erhält man gratis einen verschlüsselten Download in Hi-Res, der nur über die Qobuz-App abgehört und (mit legalen Mitteln) nicht auf anderen Geräten abgespielt werden kann.
Fazit
Ein neues Hi-Res-Album mit fantastisch schöner Musik, ebenso fantastisch gespielt und in einer Klangqualität, die man sich heute mit nur zwei Kanälen wohl kaum besser vorstellen kann.