Verpackung respektive Präsentation ist für mich enorm wichtig, da sie in den meisten Fällen auch auf den Inhalt schliessen lässt. Stehe ich vor einer Auswahl Bücher, wähle ich zuerst nach dem Umschlag aus, lese dann (meist) die rückseitigen Angaben über Autor/in und Inhalt/Thema, bevor ich mich definitiv für die Lektüre entschliesse. Ähnlich geht es mir heutzutage bei Online-Alben: Doch oft fehlen weitere Angaben, fehlt ein Booklet, sodass man sich allein am Cover orientieren muss.
Und die vorliegende Perle hätte ich beinahe verpasst, ist doch das Cover eher fad und entspricht überhaupt nicht dem Inhalt. Doch wer ist überhaupt dieser Simon Oslender?
Laut Wikipedia ist Simon Oslender, geboren am 26. März 1998 in Aachen, ein deutscher Hammondorgel-Spieler, Keyboarder und Pianist der Popularmusik (Jazz, Funk, Blues, Gospel, Pop). Soweit das Zitat.
Obgleich erst 22 hat er schon vieles erreicht, von dem andere nur träumen können. Doch ausser der Erwähnung, dass seine Eltern beide musikalisch tätig waren, verzichte ich diesmal auf weitere Details seiner noch jungen Karriere, über die im Internet ja so ziemlich alles zu lesen ist, und konzentriere mich auf das vorliegende Album.
«About Time»
Schon der Titel lässt diverse Interpretationen offen: Bestimmt war die Zeit reif für ein Debut-Album. Doch ebenso wichtig ist Time/Timing in der Musik, und das gilt nicht nur für Schlagzeuger und Bassisten, sondern für alle Musiker in sämtlichen Musikstilen und -arten.
Im Jazz sollte das Timing zwar exakt sein, doch nicht einen «militärischen» Eindruck hinterlassen, sondern entspannte Leichtigkeit vermitteln. Und das wird nicht allen Musikern in die Wiege gelegt, doch Oslender hat eine Überportion davon erhalten.
Und wenn man die Liste seiner Vorbilder durchgeht – unter anderem Dr. Lonnie Smith, Herbie Hancock, Larry Goldings, Joey DeFrancesco, George Duke und Frank Chastenier – weiss man auch gleich, in welche Stilrichtung sein Album gehen könnte.
Und sie geht ab, die Post! Von «Warehouse» bis zu «Edge of Life» folgt eine Überraschung auf die andere: Dynamisch, komplex, ohne verkrampft künstlerisch wirken zu wollen (wie dies leider bei allzu vielen neuen Jazz-Produktionen der Fall ist), relaxed-exakt, verpackt in ansteckende Spielfreude.
«About Time» bringt meiner Ansicht nach stilistisch nichts wirklich Neues, doch alles klingt so frisch und positiv, ist dermassen hervorragend gespielt, dass man einfach nicht anders kann, als sich mitwippend zu freuen. Und je länger man hineinhört, desto mehr fällt auf, wie viel «Eigenverantwortung» den einzelnen Musikern überlassen wurde, kleine Variationen in der Basslinie, ein unerwarteter Gitarreneinwurf … und der Drummer – wow.
Auch wenn alle Stücke klar strukturiert und bis ins Detail arrangiert wurden, gibt es genügend Freiraum für spannende, ausgelassene, ja sogar wilde Improvisationsteile, die jedoch immer von den Mitmusikern unterstützt und «in Schach gehalten» werden.
Beim ersten Reinhören fühlte sich der Gesang von Peter Fessler in «Fragile» wie ein Fremdkörper an, doch seine kernige Stimme passt gut in dieses Umfeld und integrierte sich mehr und mehr, auch für meine Ohren. Es ist jedoch das einzige Stück, dessen Mischung mich nicht völlig überzeugt. Vor allem der Klang der Gitarre ist für mich zu schwer, zu bauchig, eben nicht «fragile» – doch das ist Geschmackssache.
Fazit
«About Time» ist in jeder Hinsicht ein musikalischer Leckerbissen, ein Feuerwerk mit Denkpausen. Diese Produktion ist so vielseitig wie die Gäste, die darauf mitwirken; und dennoch gelang es Simon Oslender, eine Einheit zu schaffen, die das Ganze zusammenhält.