Was haben Frank Sinatra, Perry Como, Vic Damone, Buddy Greco, Tony Bennett, Dean Martin, Louis Prima und viele weitere US-amerikanische Sänger/Musiker gemeinsam? Sie alle haben italienische Wurzeln, sind direkte Nachkommen italienischer Einwanderer. Das ist zwar noch kein Garant für Musikalität und eine gute Stimme, doch scheint mir diese Häufung doch statistisch relevant oder zumindest auffällig. Louis Prima ist ein typisches Beispiel dafür.
Und falls Ihnen der Name Louis Prima nichts sagt, hilft vielleicht die Erwähnung des Songs «I Wanna Be like You» aus dem Disney-Film «The Jungle Book» weiter. Und falls dies immer noch keine Aha-Reaktion auslöst, schauen Sie einfach mal bei Qobuz oder YouTube rein.
Louis Prima
Im Gegensatz zu diversen oben erwähnten Croonern änderte Louis Prima (1910–1978) seinen Namen nicht. Geboren in New Orleans und unterstützt von seiner musikalischen (italienischen) Mutter, war sein erstes Instrument die Violine, während sein älterer Bruder Kornett spielte. Fasziniert von Louis Armstrong und Jazz, den er in den vielen Clubs in New Orleans zu hören bekam, schnappte sich Louis Prima besagtes Kornett, wann immer sein Bruder abwesend war. Mit 14 Jahren gründete er seine erste Jazzband mit gleichaltrigen Freunden.
Mit 18 beschloss er, Musik zu seinem Beruf zu machen. Doch der Weg zum Erfolg war steil und lang. Erst 1939, nachdem Fotos von ihm zusammen mit Präsident Roosevelt an dessen Geburtstagsparty veröffentlicht worden waren, stieg seine Popularität enorm. Wegen einer Knieverletzung wurde er vom Militärdienst befreit und konnte nun mit seiner Band grosse (auch finanzielle) Erfolge feiern.
Bei seinen Fans galt er als geduldiger Star, bei seinen Geschäftspartnern (Plattenfirmen und Filmstudios) als harte Nuss. Er benötigte denn auch viel Geld, um seine exklusiven «Hobbys» zu finanzieren: Neben teuren Anzügen liebte er Frauen, Pferde (inklusive Pferdewetten) und grosse Motorboote.
1953 endete seine dritte Ehe. Wenige Monate später heiratete er die 18 Jahre jüngere Keely Smith, die er kurz zuvor als neue Sängerin in seine Band geholt hatte. Zudem gab er (aus Kostengründen) seine Big Band auf und engagierte 1954 Sam Butera, den Saxofonisten aus New Orleans. Für ein Wochenende im «Sahara» in Las Vegas engagierte er «Witnesses» als Begleitband. Der Auftritt war ein Riesenerfolg und bescherte Prima einen neuen Vertrag mit Capitol Records und regelmässige Auftritte in Las Vegas.
The Wildest!
Das erste Album für Capitol in der neuen Kleinformation mit Keely Smith und Sam Butera and the Witnesses kam im September 1956 auf den Markt und war so erfolgreich, dass bald weitere folgten. Allein auf Qobuz sind unter «Louis Prima» 568 Alben aufgeführt, wobei es sich bei den meisten um unterschiedliche Zusammenschnitte der überschaubaren Auswahl an Aufnahmen von Louis Prima handelt. Einige davon sind wirklich qualitativer «Abfall», nicht einmal als Zeitdokumente wertvoll.
Die Frage, ob «The Wildest!» das beste Louis-Prima-Album sei, ist schwierig zu beantworten – es ist bestimmt eine Empfehlung wert, da es viele grosse Hits enthält und klangmässig konsistent ist. Auch wurde es von RevOla im Format 44.1/24 neu veröffentlicht, was ein gewisses Qualitätskriterium erfüllt. Ob der Unterschied zwischen dem Original und der HiRes-Version hörbar ist, hängt wirklich von der Qualität der Stereoanlage ab. Doch finde ich, dass hier die positive, aufstellende Message der Musik ohnehin wichtiger ist als die Klangqualität.
Einige Stücke wie «The Lip» oder «Night Train» gehören nicht zu meinen Favoriten, und auch die Stimme von Keely Smith entspricht nicht eben meinem Geschmack. Doch die gesamte positive, fröhliche und aufstellende Ausstrahlung ist ansteckend und etwas, was wir in der heutigen, eher düsteren Zeit benötigen.
Und Sam Buteras Saxsoli sind schlicht umwerfend, wurden damals von vielen Rock'n'Roll-Bands (z. B. Bill Haley) kopiert (jedoch nie erreicht) und geben der ganzen Produktion die positive Wildheit.
Bei aller Leichtigkeit und Entspanntheit, die Louis Primas «The Wildest!» vorgaukelt, darf man nicht übersehen, dass jeder der Musiker hervorragend ist. Die Arrangements sind zwar oft sich wiederholend (vor allem in der Schluss-Sequenz), doch bis ins Letzte durchgestylt und erprobt.
Ich gebe zu: Es ist kein kreativ-künstlerisches Meisterwerk, sondern einfach vor Lebensfreude sprudelnde Musik, die, da aus den 50er-Jahren stammend, als Studioproduktion genauso mitreissend war, wie live – ohne digitale Tricks, ohne Mehrkanal-Zaubereien, einfach und natürlich wie auf der Bühne.
Und unter alten Schallplatten meiner Eltern fand ich vor Jahren die «stark beanspruchte» Single von Louis Primas «Buona Sera», was erklärt, weshalb dieses nach wie vor mein Lieblingsstück ist.
Wer auf Hi-Res verzichten kann, findet auf «The Very Best Of Louis Prima» (ebenfalls auf Qobuz verfügbar) sämtliche 21 Hits vereint. Es ist eine Kompilation und enthält auch Live-Aufnahmen; klangmässig bestehen also Unterschiede zwischen den verschiedenen Songs, doch wurde die Anpassung in den meisten Fällen sorgfältig vorgenommen. «The Very Best …» ist sozusagen mein «Geheimtipp».