MUSIKREZENSION
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Publikationsdatum
11. Februar 2023
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Kennen Sie die äusserst erfolgreiche Jazz-Fusion-Gruppe Snarky Puppy? Also ich kenne sie erst seit ein paar Tagen, und zwar, weil ich mehr über die Musiker des hier besprochenen Albums wissen wollte. So lernte ich, dass das Musiker-Kollektiv Snarky Puppy (was so viel heisst wie «Sarkastische Welpe») 2004 von Michael League in Denton (Texas) gegründet wurde – eigentlich nur, damit er mit befreundeten Musikern seine eigenen Kompositionen verwirklichen konnte. Heute umfasst sein Musiker-Pool rund 25 Personen, die in wechselnden Besetzungen weltweit auftreten.

Zwischen 2006 und 2022 hat Snarky Puppy 14 Alben bespielt. Auf dem neusten (Live-)Album «Empire Central» (2022) wirken insgesamt 20 Musiker mit. Ein Reinhören lohnt sich auf jeden Fall; und möglicherweise entdecken Sie ja Ihre neue Lieblingsband.

Michael League

Michael League (*1984) wuchs in Kalifornien auf, begann mit 13 Gitarre zu spielen und wechselte mit 17 zum E-Bass, da in seiner Highschool Jazz Band ein Bassist fehlte. Für sein Jazz-Studium begab er sich an die University of North Texas in Denton, einem Vorort von Dallas. In Denton und dann auch in Dallas spielte er vor allem in der Gospel- und der R&B-Szene. Dort gründete er auch die oben erwähnte Gruppe Snarky Puppy, u. a. mit dem Pianisten/Keyboarder Bill Laurance.

2009 zog er nach Brooklyn (NY). In den folgenden Jahren spielte er mit den unterschiedlichsten Grössen aus Jazz (Terence Blanchard, Esperanza Spalding, Joshua Redman, Wayne Krantz, Chris Potter), World Music (Salif Keïta, Eliades Ochoa vom Buena Vista Social Club, Väsen), Gospel (Kirk Franklin, Walter Hawkins) und Pop (David Crosby, Laura Mvula, Lalah Hathaway, Joe Walsh). Zudem bereiste er mit Snarky Puppy die Welt und gewann insgesamt vier Grammys, den letzten 2021 für das Snarky-Puppy-Album «Live at the Royal Hall».

2020 siedelte er nach Katalonien (Spanien) um, wo auch das vorliegende Album aufgenommen wurde.

Unterschiedliche Herkunft, gemeinsames Musikverständnis: Michael League und Bill Laurance.Unterschiedliche Herkunft, gemeinsames Musikverständnis: Michael League und Bill Laurance.

Bill Laurance

Bill Laurance (*1981) wuchs in North London (UK) auf. Er begann früh Klavier zu spielen, fiel als Neunjähriger auf, als er auf einem Schulausflug auf der Orgel der Union Chapel improvisierte.

Neben klassischer Musik waren auch Ragtime und Swing Teile seiner Ausbildung. Mit 14 trat er regelmässig als Jazzpianist in Soho auf. An der University of Leeds schloss er etwas später seine Musikstudien in klassischer Musik, Komposition und Interpretation ab.

Nach seinem Studium lernte er bei einem Abstecher an die University of North Texas Michael League kennen. Die beiden traten zusammen vorwiegend in Grossbritannien auf und wurden beste Freunde. Als Snarky Puppy gegründet wurde, war Bill mit von der Partie.

Mittlerweile hat Bill Laurance auch diverse Soloprojekte realisiert, Filmmusik komponiert und verschiedene Preise gewonnen – an den vier oben erwähnten Grammys war er ja auch beteiligt.

Auch Laurance arbeitete oft mit dem kürzlich verstorbenen David Crosby zusammen, der ihn als «einer der besten Pianisten, die ich in meinem Leben traf» bezeichnete. Den deutschen Jazzpreis erhielt Bill 2021 für sein Album «Live at the Philharmonie Cologne», auf dem er seine Kompositionen mit der WDR Big Band unter der Leitung von Bob Mintzer eingespielt hatte.

Und nun habe sich die beiden für eine Zusammenarbeit «wie in alten Zeiten» in Spanien getroffen.

Michael an der Oud, Bill am Klavier.Michael an der Oud, Bill am Klavier.

«Where You Wish You Were»

Es sind bereits die ersten Klänge von «La Marinada», die aufhorchen lassen: Eine Melodie, die einem nach kurzer Zeit bleibt, gewürzt mit dem orientalischen Klang der Oud, scheinbar einfach und doch voller schöner Überraschungen.

Und so geht es über elf unterschiedliche Kompositionen weiter, die nie aufdringlich vorpreschen, kaum je zum Mitwippen animieren, ruhig und doch eindringlich faszinieren. Oft sind es unerwartete harmonische Abzweigungen, dann wieder Klänge, die wir normalerweise mit Nordafrika oder dem Nahen Osten in Verbindung bringen, die hier jedoch in ein uns vertrautes Format eingebettet werden.

Bills oft sanftes Klavierspiel integriert sich ideal in die für uns ungewohnten Klänge der Oud, einer Art orientalischer Laute, und der Ngoni, die oft als afrikanische Harfe bezeichnet wird.

Es ist Musik zum ruhigen Geniessen, hat kaum etwas mit dem pulsierenden Snarky-Puppy-Sound zu tun, an deren Musik höchstens ein paar Harmoniestrukturen erinnern.

Es kann sein, dass die katalanische Umgebung den Gesamtklang etwas mitgeprägt hat. Bestimmt trägt jedoch auch die hervorragende Aufnahme dazu bei, dass wir das Gefühl haben, gleich neben den beiden zu sitzen und die Musik hautnah erleben zu dürfen.

Fazit

«Where You Wish You Were» ist ein weiteres, nicht schubladisierbares Album, das sowohl unter Jazz als auch unter World oder gar unter Fusion aufgeführt werden könnte. Auch schnellere Nummern wirken eher beruhigend, und ehe man es sich versieht, sind die 41 Minuten vorbei.

Aus meiner Sicht ist das Album absolut empfehlenswert. Einzig der Albumtitel machte mir zu schaffen, da mir immer «Wish You Were Here» (Pink Floyd) in die Quere kam. Doch das hat sich mittlerweile gelegt.

STECKBRIEF
Interpret:
Michael League, Bill Laurance
Besetzung:
Bill Laurance acoustic piano and voice
Michael League oud, fretless acoustic guitar bass, fretless baritone electric guitar, ngoni and voice
Albumtitel:
«Where You Wish You Were»
Komponist:
Michael League, Bill Laurance
Herkunft:
DE
Label:
ACT Music
Erscheinungsdatum:
27. Januar 2023
Spieldauer:
41:21
Tonformat:
FLAC 24-Bit 96,0 kHz – Stereo
Aufnahmedetails:
Engineered and mixed by Nic Hard
Recorded and mixed at Estudi Vint in Els Prats de Rei, Catalonia, Spain
Mastered by Dave McNair in North Carolina, U.S.A.
Medium:
Download/Streaming
Musikwertung:
9
Klangwertung:
9
Bezugsquellen