Vor 26 Jahren schufen Joshua Redman, Brad Mehldau, Christian McBride und Brian Blade unter dem Namen Joshua Redman Quartet das aufsehenerregende Album «Moodswing». Redman, der Älteste, war damals gerade mal 25 Jahre alt, Mehldau und Blade 23, McBride 22. Danach ging jeder seine eigenen Wege, feierte Erfolge in eigenen Gruppen oder als Unterstützung anderer Jazzgrössen.
In diesen 26 Jahren evolvierte der Jazz, passte sich mehr und mehr den sich wandelnden Zeiten an, wurde eher anspruchsvoller, sowohl für die immer besser ausgebildeten Musiker als auch für die immer anspruchsvolleren, verwöhnten Zuhörer, die im Laufe der Zeit einen Dauerzugang zu jeglicher Musik erhielten.
Die vier Freunde wurden älter, reifer, erfahrener. Und letztes Jahr beschlossen sie, ein zweites Mal zusammenzukommen und ein neues Album einzuspielen. Und nun ist es hier, heisst «RoundAgain» und erregt wiederum Aufsehen – zu Recht!
Gegenseitiges Befeuern
Die vier Musiker sind allesamt Meister ihres Instruments, spielen mühelos die komplexesten Arrangements, improvisieren über anspruchsvolle Harmonie-Vorgaben mit einer atemberaubenden Leichtigkeit und sind trotzdem nie Eigenbrötler. Joshua Redman äussert sich dementsprechend im Booklet (frei übersetzt): «Bessere Spieler helfen, besser zu spielen. Improvisation ist ein Teamsport. Exzellenz kann ansteckend sein; wahre Grösse ist manchmal sogar vorübergehend übertragbar. Ich selbst könnte nie ein Solo ohne Mitmusiker spielen.»
Und so empfinde es auch ich: Nach all den Jahren kommen vier Individuen zusammen und knüpfen wieder dort an, wo sie aufgehört hatten, finden sich in moderner wirkendem Jazz wieder, als hätte es nie eine Trennung gegeben und schaffen etwas Gemeinsames, das sie nur in dieser Zusammensetzung schaffen konnten.
Es gibt wohl kaum eine bessere Art, ein Album zu verstehen, als wenn man die Musiker zusammen über ihr Werk und ihre Freundschaft sprechen hört:
«RoundAgain»
Dieses Album zu analysieren, käme einer Anmassung gleich. Ich kann nur für mich sprechen: Es ist Klasse!
Alle Stücke sind Kompositionen der vier Mitglieder: «Undertow», «Silly Little Love Song», und «Right Back Round Again» stammen aus der Feder von Redman, «Moe Honk» und «Father» aus derjenigen von Mehldau, «Floppy Diss» hat McBride beigesteuert und Blade schrieb «Your Part To Play». Doch auch nach mehrmaligem Anhören offenbaren sich keine klaren Merkmale in den Kompositionen, welche dem einen oder anderen der Musiker zugeschrieben werden könnten. Es scheint, dass bei ihnen das Musikverständnis kongruent ist.
Ich habe mich bei neuen Jazzalben schon mehrmals kritisch geäussert, da ich bei vielen Neuerscheinungen eine Art verkrampfte «Kunstherstellung» heraushörte: Man musste (um erfolgreich zu sein oder um das Label zu befriedigen) etwas Neues schaffen, das dann halt – wegen Leistungsdruck oder weil man selbst noch auf der Suche war – eher unnatürlich, unorganisch wirkte. Kunst um der Kunst willen eben.
Nicht so bei «RoundAgain». Auch wenn es bei einigen Stücken etwas länger dauert, bis wir sie «verstehen» und voll eintauchen können: Das höchst abwechslungsreiche Gesamtwerk wirkt leicht und selbstverständlich und vermittelt das Gefühl, dass die vier Koryphäen ohne Unterbruch zusammen spielten, völlig zu einem Ganzen zusammenschmelzen und schon im Voraus ahnen, wie die anderen Musiker agieren werden und dementsprechend ebenfalls agieren – und nicht erst reagieren.
Fazit
«RoundAgain» ist endlich wieder einmal ein neues Jazzalbum, das die Bezeichnung «neu» in jeder Hinsicht verdient. Je mehr man sich hineinhört, desto verständlicher und klarer werden die einzelnen Passagen. Meiner Ansicht nach ist das Album ein Stück gerade eben geschriebener Jazzgeschichte, das nicht nur Sammler begeistern wird.
Und auch wenn es nicht jeden Geschmack treffen kann, die musikalische «Leistung» allein ist bewundernswert. Wahrlich ein erneutes Gipfeltreffen.