Wenn 15 von 16 Tracks eines Albums einen ruhigen Charakter aufweisen, ist das noch lange kein Grund zur Langeweile, sondern genau die richtige und nebenwirkungsfreie Medizin zum Entstressen, Herunterkommen und sich an hochmusikalischen und echt audiophilen Klängen zu erfreuen.
Die inzwischen rund ein halbes Jahrhundert alte kanadische Jazz-Sängerin Diana Krall ist gestandenen High-End-Freunden gewiss keine Unbekannte, denn sie hat ihre äusserst differenzierten Jazz-Klänge nicht nur auf konventionellen Datenträgen veröffentlicht, sondern auch den Hi-Resolution- und Surround-Experimenten - zum Beispiel auf der unseligen DVD-Audio - zur Verfügung gestellt.
Auf ihrem neusten Album Wallflower bringt sie mehrheitlich Pop-Songs, die sie in ihrer Jugend vor sich hingeträllert hat und diese so, wie sie sie in Erinnerung hat, nun zu Gehör bringt.
In ihrem ersten Lebensjahr, also anno 1965, hat sie sozusagen als "frühe Prägung" den Song California Dreaming aufgesogen. Aber es sind auch einige neuere Songs zu hören, die sich nahtlos in das Album einfügen.
Dabei "verjazzt" sie diese Ohrwürmer nicht einfach so in bekannter Manier, sondern bringt sie in gekonnter und gediegener Form. Allerdings liegen die teilweise an den Zuckerguss einer kanadischen Hochzeitstorte erinnernden Intros mit süss-schluchzenden Streichern - die auch in den Stücken immer wieder in synthetischer Manier zu Worte kommen - doch recht nahe am Kitsch. Doch Kitsch ist ja bekanntlich Kunst die man heimlich liebt. Gerne gebe ich es zu: Das gefällt mir - da passt alles zusammen und lässt den Zuhörer in eine träumende Stimmung entschweben.
Gleich beim ersten Stück "California Dreaming" gibt Krall den Tarif durch: ruhige Stimmung, tiefe Gefühle, wunderschöne Arrangements mit warmem, sattem Sound. Hinter den nahe und präsent aufgenommen Stimmen und Instrumenten tut sich je nach Stück ein riesiger Raum auf. Dies alles nicht in puristisch audiophiler Manier mit natürlichem Raumempfinden und möglichst wenig Mikrofonen, sondern realisiert mit ausgezeichneter multikanaliger Mischpultarbeit.
Zudem erscheint der Klang in echter Hi-Resolution-Manier: Die Stimme ist trotz extrem feiner und höchster Auflösung charakterstark und ausserordentlich schön. Exzellent durchzeichnet kommen die feinen Perkussions-Instrumente, abgrundtief und knackig im Einsatz der Bass. Ein Ohrwurm der besonderen Art ist das wunderschöne Duett mit Bryan Adams "Feels Like Home".
Die Stimmung dieser ruhigen Songs wird durch den satten, warmen Klang noch deutlich vertieft. Da stören keine Verzerrungen und schon gar keine digitalen Härten. Das klingt - man verzeihe mir diesen klischeehaften Vergleich - echt analog, und damit meine ich schön, geschmeidig und anmutig.
Fazit: Das neuste Album der kanadischen Jazz-Sängerin Diana Krall "Wallfower" ist weitaus mehr als nur beruhigendes Pop-Gesäusel. Es ist äusserst gefühlvoll und musikalisch bewegend, obwohl es zeitweise mit seinen synthetisch schluchzenden Geigenchören klar ins Wunderland des herrlichen Kitschs abdriftet.