Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie den Albumtitel «Summerwind» lesen? Warme Brise aus Südwest? Meer, Sonne, kühlendes Lüftchen? Oder gar das mehrfach interpretierte, erfolgreiche Lied «Summer Wind»?
All das trifft bei dem hier besprochenen Album mit eben diesem Namen nicht zu. Wieso dieser Titel gewählt wurde, ist mir schleierhaft, werden dadurch doch völlig falsche Erwartungen geweckt, die automatisch zu einer ernüchternden Enttäuschung führen können.
Ein passender Titel wäre eventuell «Autumnwind» gewesen, beginnt doch das Album mit «Autumn Leaves», das ursprünglich «Les feuilles mortes» hiess und das es sogar auf Deutsch unter dem Titel «Das trockene Laub» gibt. Auch würde «Autumnwind» dem musikalischen Inhalt des Albums eher gerecht werden, da es fast ausschliesslich traurige, meditative Stücke enthält, die kaum etwas von sommerlicher Ausgelassenheit vermitteln.
Die Musiker
Der schwedische Bassist, Cellist, Komponist und Arrangeur Lars Danielsson darf in seinem 60. Lebensjahr auf eine vielseitige Karriere zurückblicken. Während seines Studiums für klassisches Cello am Konservatorium Göteborg besuchte er ein Konzert mit Niels-Henning Ørsted Pedersen und wandte sich darauf dem Bass und dem Jazz zu. Er ist auf vielen, meist europäischen Produktionen zu hören und arbeitet als Komponist, Arrangeur und Produzent unter anderem für das dänische Radioorchester.
Der drei Jahre jüngere, italienische Trompeter, Flügelhorn-Spieler und Komponist Paolo Fresu wurde auf Sardinien geboren. Auch er studierte zuerst am Konservatorium in Sassari klassische Musik, kam dann über seinen Lehrer Enrico Rava an der Uni Bologna zum Jazz. Auch er kann auf viele erfolgreiche Jahre zurückblicken. In dieser Rubrik wurde er in der Rezension von «Mare Nostrum 2» erstmals erwähnt.
Das Album
Wie schon eingangs erwähnt überwiegen auf «Summerwind» die sinnlichen Klänge, die traurigen Balladen. Aber auch die schnelleren Stücke lassen keine fröhliche Stimmung aufkommen.
Bereits im Eröffnungsstück «Autumn Leaves» wird Paolo Fresu seinem Ruf, wie Miles Davis zu klingen, gerecht, was nicht zuletzt auf den Dämpfer und die «Vereinfachung» der Melodie zurückzuführen ist. Allerdings spielt er wie ein brillanter Miles.
Schon ab dem zweiten Stück wird klar, dass auf diesem Duo-Album noch ein Dritter «mitspielt»: Die Mehrkanaltechnik respektive Lars Nilsson, der Mann im Regieraum. Danielsson bedient in mehreren Stücken Bass und Cello gleichzeitig, und ab und zu werden mittels Effektbeimischungen (meistens Hall oder Echo, aber auch gröberes Geschütz) zusätzliche Klänge erzeugt oder die Position der Instrumente verändert. Alles wird jedoch meist geschmackvoll angewendet, nicht überwürzt, nur abgeschmeckt. einzig in «Dardusó» werden die Klang-Experimente (für meinen Geschmack) etwas übertrieben.
Im Gegensatz zu den beiden vorgängig besprochenen Duo-Alben, die entweder ohne auffällige Zusatzeffekte auskommen oder sogar Live aufgezeichnet wurden, könnten diverse Stücke dieser Produktion wie z. B. «Un vestido y un amor» oder eben «Dardusó» so nicht auf der Bühne vorgetragen werden.
Der Klang
Dass ich den Aufnahmetechniker Lars Nilsson als dritten Musiker erwähnte, ist positiv zu werten. Denn das Abbild der Instrumente, der gesamte klangliche Eindruck sind einheitlich und transparent, was in dieser HiDef-Version besonders überzeugt.
Fazit
Zwei Ausnahmemusiker liefern zusammen mit einem begnadeten Recording Engineer ein Album, das meist traurige Stimmungsbilder malt und durch leichte Nebelschwaden herbstliche Farben durchscheinen lässt.
In diesem insgesamt einheitlich wirkenden Werk sprechen mich nicht alle Stücke gleichermassen an. Es gibt es Klang- und Stimmungswiederholungen, aber auch aussergewöhnliche Solo-Eskapaden, die dank der superben Technik der beiden Musiker immer leicht und organisch wirken. Paolo Fresu gefällt mir persönlich auf dem Flügelhorn besser, da es in dieser Musik die Wärme braucht, wie die letzten, herbstlichen Sonnenstrahlen.
Es ist kein Mitwipp-Album, welches das Jazzherz höher schlagen lässt. Man sollte es sich nicht zu Gemüte führen, wenn man schon eher depressive Gedanken hat. Es zeigt auf, wie wunderschön der Herbst mit seinen goldbraunroten Farben sein kann … doch wird damit auch der Winter angekündigt.